Kommunale Wärmeplanung bis 2028 Wo Dortmund gerade steht - und warum Eigentümer skeptisch sind

Kommunale Wärmeplanung: Wo Dortmund steht - und warum Eigentümer skeptisch sind
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Das hohe Wellen schlagende Heizungsgesetz hat es vor der Sommerpause nur deshalb in den Bundestag geschafft, weil es nun an eine sogenannte kommunale Wärmeplanung gekoppelt ist.

Zwar ist der Streit innerhalb der Bundesregierung um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) damit erst einmal beigelegt. Doch sieht die Einigung im Kern vor, dass die Städte jetzt eine kommunale Wärmeplanung auf den Weg bringen müssen. In den meisten Regionen Deutschlands, so heißt es, werden Eigentümer nun mehr Zeit für den Heizungstausch bekommen. Erstmal müssen die Kommunen liefern. Die Stadt Dortmund ist gefragt.

Das Ehepaar Inge (76) und Wolfgang (75) Seebacher wohnt weit weg vom Stadtkern, in dem ja seit Jahren das Fernwärmenetz erneuert wird. Die vielen nervigen Baustellen zeugen davon. Inge und Wolfgang Seebacher wohnen in einem Mehrfamilienhaus mit acht Parteien am Rübenkamp in Wickede.

„Ich bin gespannt, ob hier Fernwärme hinkommt und wann die Stadt etwas dazu sagen kann“, sagt Wolfgang Seebacher. Das Wohnhaus wurde 1982 errichtet und wird mit Strom beheizt, es gibt Elektrofußbodenheizungen. Noch funktioniert die Anlage. Aber was, wenn sie kaputt geht? Wäre dann ein Fernwärmeanschluss möglich und bezahlbar? „Wir haben ja überhaupt kein Rohrsystem für Wärme“, sagt Inge Seebacher.

Auch Hombruch ans Netz?

Clemens Hempen ist ein privater Vermieter und besitzt mehrere Mehrfamilienhäuser in Dortmund. Eines davon in der Nordstadt, ein anderes beispielsweise in Hombruch. „In der Nordstadt habe ich Fernwärme, aber ob es möglich und geplant ist, auch Hombruch an das Netz anzuschließen, weiß ich nicht. Wünschenswert wäre so eine zentrale Versorgung. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, würde ich das machen“, sagt Clemens Hempen.

Inge und Wolfgang Seebacher wohnen in einer Eigentumswohnung in einem 8-Parteien-Haus von 1982. Sie wüssten gerne, ob Fernwärme auch nach Dortmund-Wickede kommen könnte, bezweifeln aber, ob sie ihnen nutzen kann. "Wir haben eine alte Elektro-Fußbodenheizung und kein Rohrsystem für Wärme", sagen sie.
Inge und Wolfgang Seebacher wohnen in einer Eigentumswohnung in einem 8-Parteien-Haus von 1982. Sie wüssten gerne, ob Fernwärme auch nach Wickede kommen könnte, bezweifeln aber, ob sie ihnen nutzen kann. "Wir haben eine alte Elektro-Fußbodenheizung und kein Rohrsystem für Wärme", sagen sie. © Peter Wulle

Kommunale Wärmeplanung soll eine Bestandsaufnahme liefern. Kommunen sollen ermitteln, wie ihre Gebäude bislang beheizt werden und wie dies in Zukunft am besten klimaneutral geschehen kann. Dazu sollen Kommunen in den kommenden Jahren konkrete Pläne vorlegen, wie sie ihre Heizinfrastruktur klimaneutral umbauen wollen, etwa über ein Fernwärmenetz.

Neue Vorschriften für Bestandsbauten sollen erst gelten, wenn die kommunalen Wärmeplanungen vorliegen. Laut den aktuellen Plänen der Bundesregierung müssen größere Städte ab 2026 eine Wärmeplanung auf den Weg gebracht haben.

„Dortmund ist bei der ganzen Diskussion weit vorne, die Arbeit ist voll im Gange. Erste Ergebnisse werden für den Herbst erwartet“, sagt Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD). Er stellt sich vor, dass das Fernwärmenetz „in Kreisen ausgerollt“ wird: „Und dann ist jedem klar, wenn ich außerhalb wohne, kommt das Fernwärmenetz bei mir nie an. Dann weiß ich, ich muss mich anderweitig mit Technologien beschäftigen. Wenn ich aber weiß, das Netz kommt zu mir, dann wird das Gesetz mir die Möglichkeit geben, darauf zu warten.“

Jede siebte Wohnung

Zahlen dazu, wie viele Haushalte in Dortmund aktuell mit Fernwärme versorgt werden und wie viele es im optimalen Fall denn mal sein sollen, nennt der Oberbürgermeister nicht. Auch auf Anfrage beim Energieversorger DEW21 war dazu keine Antwort zu erhalten.

Laut Energiewirtschaftsverband BDEW wurden 2022 in Deutschland 14,2 Prozent der 43,1 Millionen Wohnungen beheizt. Das ist etwa jede siebte Wohnung. In Dortmund dürfte der Anteil auch bei gut 10 Prozent liegen. „Ich war jetzt auf einer Veranstaltung mit Dr. Rolf Bösinger, dem Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnen, da hieß es, dass eine Fernwärmeversorgung von 30 Prozent aller Wohnungen das Maximum sei“, sagt Dr. Thomas Bach, Hauptgeschäftsführer des Eigentümerverbandes Haus & Grund in Dortmund.

Für Dortmund heißt das, dass etwa 15 bis 20 Prozent der Wohnungen in der Stadt noch an eine zentrale Wärmeversorgung anzuschließen wären. Freilich zu immensen Kosten. Darauf weist OB Westphal hin, wenn er sagt: „Es ist ein riesengroßes Investitionsprogramm, dass alle großen Städte in Deutschland vor sich haben.“

Das Stadtoberhaupt lässt im Zusammenhang mit dem Auf- und Ausbu einer klimaneutralen Heizinfrastruktur auch das böse Wort vom Anschlusszwang fallen: „Wenn wir im großen Stil Nahwärme- oder Fernwärmenetze ausbauen, stellt sich die Frage des Anschlusszwangs.“

Die Investition lohne sich nur mit sicheren Abnehmern. „Wenn ich als Eigentümer kombinieren oder wählen kann, dann wird es ein Problem mit den Investitionen“, so Westphal. Die würden nicht getätigt, wenn nicht klar sei, dass sich die Menschen auch daran anschließen.

„Unregulierte Monopole“

Ob es eine Anschlusspflicht an die Fernwärme geben kann oder soll, ist offen - aber gut möglich. Die Entscheidung liegt nicht beim Bund, sondern in den Ländern. Dafür könnte sprechen, dass sich eine solche Investition nur mit sicheren Abnehmern lohnt – für die Bewohner ist es aber wegen der Monopolsituation womöglich mit hohen Preisen verbunden. „Meine Tochter hat Fernwärme“, sagt Wolfgang Seebacher, „das bedeutet für sie, dass sie von dem einen Anbieter die Energie nehmen muss. Sie kann nicht wechseln.“

Die Frage ist, wie viel der finanziellen Last des Wärmenetzausbaus am Ende die Kunden tragen müssen. Ramona Pop vom Verbraucherzentrale-Bundesverband fordert eine bundeseinheitliche systematische Preisaufsicht für den Fernwärmemarkt, „wo die Anbieter praktisch unregulierte Monopole haben.“

Denn: Wie die Preise sich auf dem Fernwärmemarkt der Zukunft entwickeln, ist offen. Auf dem darf es ja in Dortmund zum Beispiel dann keine Abwärme mehr aus einem fossil betriebenen Gasrußwerk, sondern nur klimaneutrale Wärmeenergie geben. „Zu der künftigen Preisgestaltung kann heute noch niemand etwas sagen“, meint Thomas Bach.

Dr. Thomas Bach ist Hauptgeschäftsführer des Eigentümerverbandes Haus & Grund Dortmund. Er sagt: „Wir sind für ein sorgfältiges Planen. Solange die kommunale Wärmeplanung nicht steht, haben Bürger ja auch Zeit und können in Ruhe überlegen, wie sie bei einem Wechselbedarf ihr Heizungssystem umrüsten.“
Dr. Thomas Bach ist Hauptgeschäftsführer des Eigentümerverbandes Haus & Grund Dortmund. © Schaper

Klar sagen kann man, dass bei einer Fernwärmeversorgung von wohl maximal 30 Prozent der Haushalte in Dortmund, für 70 Prozent von den Wohnungseigentümern oder Vermietern eine eigene Wärmeplanung gemacht werden muss. Und dieser Teil, dürfte nicht erpicht darauf sein, dass die Stadt schon im Herbst dieses Jahres eine kommunale Wärmeplanung vorlegt. Denn: So lange es die nicht gibt, kann eine defekte Gas- oder Ölheizungsanlage ausgetauscht werden. Was deutlich günstiger ist als der Wechsel etwa zu einem System mit Wärmepumpe.

Keine Eilbedürftigkeit

Beim Institut für Energie und Umweltforschung (ifeu) in Heidelberg befürchtet man, dass die für das Vorlegen einer kommunalen Wärmeplanung genannte Frist bis 2028 in vielen Fällen auch bis aufs Äußerste ausgenutzt werden wird.

„Die Bürgerinnen und Bürger, die nicht ans Wärmenetz angeschlossen werden können und die Öko-Vorgaben für ihre Hausheizung verhindern wollen, werden ihren Bürgermeistern Druck machen, das Erstellen der Wärmepläne hinauszuzögern“, prognostiziert ifeu-Geschäftsführer Martin Pehnt in Medienberichten. Das Parlament müsse nun für dieses Dilemma eine gute Lösung finden. „Es darf aus meiner Sicht nicht sein, dass die Vorreiter-Kommunen bestraft werden.“

Thomas Bach von Haus & Grund sieht zwar auch keine Eilbedürftigkeit und wünscht sich Verlässlichkeit statt Schnelligkeit bei der kommunalen Wärmeplanung in Dortmund , plädiert aber auch für baldige Klarheit: „Kurzfristig sollte man schon sagen, in welchen Bereichen der Stadt Fernwärme denkbar ist. Es käme den Leuten entgegen, die zentral versorgt werden können“, so Thomas Bach.

Und weiter: „Eigentümer brauchen einen verbindlichen Versorgungsatlas ihrer Kommune. Dieser Versorgungsatlas muss für jedes Wohngebäude Zeitpunkt und Art der klimaneutralen Wärme- und Energieversorgung verbindlich ausweisen, um private Kleinvermieter vor Fehlinvestitionen zu bewahren.“

Dass es Gründlichkeit braucht, darüber ist er sich mit Franz-Bernd Große-Wilde, dem Vorstandsvorsitzenden des Spar- und Bauvereins in Dortmund, einig. Er sagt: „Wir als Wohnungswirtschaft begrüßen eine ganzheitliche kommunale Wärmeplanung. Jetzt gilt es, Gründlichkeit vor Schnelligkeit zu setzen, damit belastbare Netze entstehen. Wir brauchen Verbindlichkeit in der Planung, um langfristige Entscheidungen treffen zu können. Beispielhaft wäre für die Quartiere des Spar- und Bauvereins in der westlichen Innenstadt der Anschluss ans Fernwärmenetz ein nachhaltiger Gewinn in der Wärmeversorgung.“

Unterstützung aus Freiburg

Zum Ende des Jahres beziehungsweise Anfang 2024 möchte Oberbürgermeister Thomas Westphal über Fragen zur kommunalen Wärmeplanung konkret diskutieren.

Unterstützt wird die Stadt bei der Erstellung ihres Energiekonzeptes von der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH (DEW21). Mit im Boot ist überdies das Planungsbüro „greenventory“ aus Freiburg. Es hat deutschlandweit bereits mehr als 70 Energienutzungspläne erstellt und bringt einen großen Erfahrungsschatz mit ein.

Das Heizungsgesetz ist also nach dem Ampel-Kompromiss noch lange nicht fertig. Vor einem Beschluss, der spätestens am 7. Juli - und damit vor der Sommerpause - angestrebt ist, müssen die Ausschüsse des Bundestags und womöglich auch noch einmal höhere Ebenen der Fraktionen in Berlin intensiv tagen.

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