Gut verpackt geht es mit Torsten Rose in die Höhe. © RN
Selbstversuch
Eichenprozessionsspinner töten bei Gluthitze – Wie hält man es in dem Schutzanzug nur aus?
Es gibt Jobs, die bei hohen Temperaturen fast grausam sind. Derzeit kommt einer dazu: Eichenprozessionsspinner-Jäger. Heißt: Ganzkörperplastikanzüge. Wie hält man das aus? Ein Selbstversuch.
Vor wenigen Wochen, als die Geschichte von der Jagd nach dem Eichenprozessionsspinner begann, da waren es gute 20 Grad. Jetzt ist es fast das Doppelte. Dieses Wetter ist für den Eichenprozessionsspinner ein Traum - für die Menschen, die ihn bekämpfen, eher ein Albtraum. Wie geht es einem, wenn man quasi luftdicht verpackt ist? Ein Selbstversuch.
An diesem heißen Mittwoch ist eine Kolonne des Tiefbauamtes im Fredenbaumpark bei der Arbeit. Die Männer haben sich – wie andere auch – beim Tiefbauamt freiwillig gemeldet. Der private Markt gibt einfach nicht genug her, um der Plage Herr zu werden.
Inzwischen sind mehrere Teams des Tiefbauamtes unterwegs
Wir haben uns mit Oliver Schelonke, Erich Fuhge und Torsten Rose verabredet. Wie hält man das aus bei diesen Temperaturen? Auf jeden Fall schon einmal mit einer guten Portion Humor und Gelassenheit. So viel steht fest. Und in der Gewissheit, dass sie mit jeder Raupe, der der große Sauger schluckt, 300 Eier vernichtet, die es im nächsten Jahr gegeben hätte. Das motiviert. Und: „Man sollte schon einen guten Schluck nehmen, bevor man loslegt“, sagt Oliver Schelonke.
Das mache ich. „Kreislauf geht bei Ihnen?“ Oliver Schelonke fragt fürsorglich, bevor er zu einem Schutzanzug greift. Woher soll ich das wissen? Vor 20 Jahren sicher kein Problem, aber man wird nicht jünger. Etwas, das auch Schelonke hat einsehen müssen: „Ich habe meine große Schnauze schon ein bisschen zurückgefahren“, lacht er. Die Jungen, die hielten das schon irre lange aus; bis zu eineinhalb Stunden. Aber dann, so erzählt er, sehe man aber auch schon mal Sterne, wenn der Kollege einen aus dem Anzug schäle.
Der Anzug hängt erst an den Knien – und es ist schon richtig heiß
Ich bin sicher, dass ich es nicht lange aushalten werde, dazu reicht ein erster Eindruck: Dabei hängt der Ganzkörperanzug erst an den Knien. Inzwischen ist Schelonke vor mir in die Knie gegangen, Kollege Erich Fuhge kommt unaufgefordert herbei, damit ich mich an seiner Schulter festhalten kann. Ich sage Dankeschön und Erich Fuhge sagt einfach nur: „Man muss sich doch helfen hier.“
Hilfe beim Ankleiden von Erich Fuhge (l.) und Oliver Schelonke. Es wird schnell richtig warm. © Stadt
Inzwischen sitzt der Anzug, die Kapuze ist über den Kopf gezogen, die Enden an den Armen und Beinen fest verschnürt.
Fest verschnürt sind Hose und Überzug des Schutzanzuges, damit keines von den gefährlichen Härchen auf die Haut gelangt. © Britta Linnhoff
Jetzt kommen Plastikhandschuhe dazu - blaue. Es gibt auch blaue Klebestreifen auf den weißen Anzügen. „Da kriegt der ein oder andere Kollege auch ohne Eichenprozessionsspinner Juckreiz“, lacht Schelonke. Blau-weiße Fußballer mag auch ich nicht, aber die Farben sind mir gerade egal: Die Männer sind kaum fertig mit mir, da habe ich schon das Gefühl: Das ist kaum erträglich.
Oliver Schelonkoe macht die Schotten dicht an dem Anzug. © RN
Wieviel muss man trinken, damit der Kreislauf das mitmacht - und muss man dann nicht ständig permanent aus diesem Ganzkörperkondom wieder raus? Die Männer lachen: Eigentlich müssten sie nicht oft, sie schwitzen es einfach wieder aus.
Zugeschnürt geht es über eine kleine Leiter in den Hubsteiger. © RN
Torsten Rose erwartet mich inzwischen am Hubsteiger: Es gibt eine kleine Leiter, dann bin ich drin und es geht ab in die Höhe. Rose trägt eine Helm. Er sieht aus wie ein Mann vom Mond. An einem schwarzen Gürtel hängt ein Akku. Das Gerät sorgt für Frischluftzufuhr in seinem Helm. Für mich steht keiner zur Verfügung. Also ist mit Dabeisein beim direkten Absaugen nichts - zu gefährlich. Prozessionen der Raupen sehe ich am Baum gerade keine. „Die sind mehr nachmittags unterwegs“, sagen die Männer. Und trotz aller Mühsal, die die Viecher ihnen bereiten: So eine Prozession sehe „schon cool“ aus.
Trotz aller Schutzkleidung: „Mich hat‘s schon ein paar Mal erwischt. In der Regel gibt‘s einen Satz juckende Unterarme“, sagt Schelonke. Einmal nicht aufgepasst beim An- und Ausziehen, schon ist es geschehen.
Nach einigen Minuten bin ich erlöst. Ich darf wieder raus aus dem Anzug. Das T-Shirt ist an der ein oder anderen Stelle schon ganz gut verschwitzt. Das ist nichts im Vergleich zu dem, wie die Männer später da raus kommen: Da ist dann nichts mehr trocken.
Mit einem Sauger werden die Nester abgesaugt. © Britta Linnhoff
„Die Leute lesen die Schilder und latschen dann einfach hier durch“
Die Männer werden weiter Gas geben, im Fredenbaumpark mit ihrem Hubwagen „Do-Do-341“. „Ist doch eine wichtige Aufgabe“, sagen sie und machen weiter. Um 6.30 Uhr hat ihre Schicht begonnen, gegen 15.30 Uhr können sie Feierabend machen. Für mich ist jetzt Schluss, mein Respekt ist groß.
Wie ein Mann vom Mond sehen die Raupenbekämpfer in ihrer Schutzuniform aus. © Britta Linnhoff
Es gibt nur eines, was das Team ärgert. „Die Leute latschen hier mit Kinderwagen auf den gesperrten Wegen, bleiben noch stehen, lesen die Schilder und gehen weiter. Ich kann das nicht verstehen“, sagt Oliver Schelonke, dessen Unterarme jucken. „Und wenn man die Leute anspricht, dann wird man noch angepöbelt“, sagt er.
Der Fredenbaumpark ist einer der prominentesten vom Eichenprozessionsspinner befallenen Bereiche in Dortmund. Ein Ende der Arbeit ist nicht in Sicht. Auch wenn, so schätzt es die Stadt ein, der Höhepunkt des Aufkommens des Eichenprozessionsspinners in diesem Jahr wohl überschritten ist und Teiles des Parks wieder frei sind.
Vielen Dank für Ihr Interesse an einem Artikel unseres Premium-Angebots. Bitte registrieren Sie sich kurz kostenfrei, um ihn vollständig lesen zu können.
Jetzt kostenfrei registrieren
Einfach Zugang freischalten und weiterlesen
Werden auch Sie RN+ Mitglied!
Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.
Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung
Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung durch Klick auf den Link in der E-Mail, um weiterlesen zu können.
Prüfen Sie ggf. auch Ihren Spam-Ordner.
Einfach Zugang freischalten und weiterlesen
Werden auch Sie RN+ Mitglied!
Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.