„Du hast jeden Tag dazugelernt“ Corona-Erklärer und Gesundheitsamtsleiter Dr. Frank Renken geht früher als geplant

„Du hast jeden Tag dazugelernt“: Dr. Frank Renken geht in den Ruhestand
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Der erste Verdacht, dass das Coronavirus zum Problem werden könnte, kam Dr. Frank Renken, als er Anfang 2020 die ersten Bilder mit abgesperrten Straßen und Soldaten aus China sah. Als dann am 27. Januar 2020 der erste Fall in Deutschland bekannt wurde, sei klar gewesen: „Jetzt ist es da.“

„Dass es eine Pandemie geben würde, war für die Fachleute nicht überraschend“, erzählt der Leiter des städtischen Gesundheitsamtes. Auch die Herkunft aus Asien, wo Menschen und Tiere oft eng zusammenleben, sei absehbar gewesen. Überraschend sei aber gewesen, dass es kein Influenzavirus, sondern ein Coronavirus war, das die Pandemie ausgelöst hat, stellt Renken rückblickend fest. Und vor allem war nicht absehbar, dass die Pandemie so lange dauern würde.

Gut drei Jahre hat die Corona-Pandemie das Berufsleben von Frank Renken als Leiter des Gesundheitsamtes begleitet. Jetzt geht der 65-Jährige in den Ruhestand.

Jede Menge Überstunden

Offiziell beginnt Renkens Ruhestand Anfang August. Dass Renken trotzdem nur noch eine handvoll Arbeitstage und seine Abschiedsfeier vor sich hat, ist auch eine Spätfolge der Pandemie. Denn in der Zeit seit Anfang 2020 hat er Unmengen an Überstunden und nicht in Anspruch genommenen Urlaubstagen angesammelt. „Da waren über Monate eher 60 Stunden Arbeit pro Woche üblich“, sagt Renken. „Und du hast jeden Tag dazugelernt.“

Trotzdem blickt Renken aus heutiger Sicht durchaus zufrieden auf die Zeit zurück. „Wir haben die Pandemie in Dortmund ganz gut überstanden“, stellt er fest. Den Erfolg führt er vor allem auf die schnell eingerichteten Strukturen in der Stadt zurück. Schon am 28. Februar 2020 wurde ein städtischer Krisenstab eingerichtet, um die Pandemie-Bekämpfung über verschiedene Ämter und Dezernate der Verwaltung hinweg zu koordinieren.

Auf ersten Fall gut vorbereitet

Als am 4. März 2020 die ersten beiden Fälle in Dortmund entdeckt wurden – ein Ehepaar, das von einer Reise aus einem Infektionsgebiet zurückgekehrt war – war das Gesundheitsamt vorbereitet. Renken: „Da hatten wir schon Krisenstabs-Sitzungen, innerhalb des Amtes Umstellungen vollzogen und uns Testmaterialien besorgt.“

Der Amtsleiter selbst und auch Mitarbeiter waren wiederholt für Test-Abstriche zu Bürgern nach Hause gefahren, die sich, von Reisen oder aus dem Skiurlaub zurückgekehrt, mit Erkältungssymptomen gemeldet hatten – bis dahin alle mit negativem Ergebnis. „Als wir dann tatsächlich den ersten Fall hatten, waren wir nicht überrascht“, berichtet Renken. Als eine der ersten Städte bundesweit richtete Dortmund eine eigene Teststelle ein, schickte später sogar ein rollendes Corona-Mobil auf die Reise.

Schon früh hatte die Stadt Dortmund 2020 eine Corona-Teststelle eingerichtet – anfangs provisorisch am Klinikum Nord.
Schon früh hatte die Stadt Dortmund 2020 eine Corona-Teststelle eingerichtet – anfangs provisorisch am Klinikum Nord. © Thomas Thiel (A)

Trotzdem wurde das Amt trotz aller Vorbereitungen wie alle zuständigen Stellen von den verschiedenen Corona-Wellen zeitweise überrollt. Das städtische Gesundheitsamt mit einer Fülle an Aufgaben vor allem in der Gesundheitsprävention musste in kurzer Zeit umorganisiert werden.

Gesundheitshilfen wie zum Beispiel der sozialpsychiatrische Dienst oder die Ambulanz für nicht krankenversicherte Kinder wurden voll aufrechterhalten, doch andere Aufgaben zurückgestellt. Dazu zählten medizinische Begutachtungen und Schuleingangsuntersuchungen, von denen es nur noch ein paar Hundert statt der sonst üblichen 5000 für jedes neu eingeschulte Kind gab.

Personal mehr als verdoppelt

Es galt, durch die Nachverfolgung der Ansteckungen und die Isolierung der Infizierten die Infektionsketten zu durchbrechen. Dazu musste vor allem das Personal aufgestockt und geschult werden. Von sonst knapp 200 wuchs die Zahl der Beschäftigten im Gesundheitsamt zeitweise auf bis zu 500 an.

Wichtige Hilfe leisteten dabei auch bis zu 60 Bundeswehr-Soldaten, die an das Gesundheitsamt abgeordnet wurden. Für Renken eine besondere Form der Hilfe. Denn er hatte nach dem Medizinstudium in Düsseldorf lange Zeit als Truppenarzt bei der Bundeswehr gearbeitet, bevor er mit dem Schwerpunkt Umweltmedizin ans Gesundheitsamt in Hamm wechselte.

Wohlfühlen im Ruhrgebiet

Hier und bei einer weiteren Zwischenstation in Bochum lernte der gebürtige Hamburger das Ruhrgebiet schätzen. „Die Menschen im Ruhrgebiet sind mir vom Naturell her ziemlich nahe“, sagt Renken. Gerade heraus, direkt und offen – so ist auch Renken während der Pandemie als Leiter des Gesundheitsamtes aufgetreten.

Nach acht Jahren als Leiter des Gesundheitsamtes in Soest wurde Renken von der damaligen Leiterin Dr. Annette Düsterhaus als ihr Nachfolger ans Dortmunder Gesundheitsamt abgeworben. Anfang Dezember 2013 trat er hier zunächst als stellvertretender Amtsleiter seinen Dienst an, bevor er im Mai 2015 die Leitung übernahm. Schon damals wartete mit dem großen Flüchtlingszustrom eine besondere Aufgabe, erinnert sich Gesundheitsdezernentin Birgit Zoerner. Weil Dortmund eine Erstaufnahmestelle für NRW beherbergte, musste das Gesundheitsamt auch Amtshilfe für das Land leisten.

Mit einem Blumenstrauß dankte Gesundheitsdezernentin Birgit Zoerner Dr. Frank Renken für die Arbeit als Leiter des Gesundheitsamtes – nicht nur während der Corona-Pandemie.
Mit einem Blumenstrauß dankte Gesundheitsdezernentin Birgit Zoerner Dr. Frank Renken für die Arbeit als Leiter des Gesundheitsamtes – nicht nur während der Corona-Pandemie. © Oliver Volmerich

Die Fähigkeit, sich auf andere kulturelle Hintergründe und Sprachen einzustellen, sollte sich später auch in der Zeit der Corona-Pandemie auszahlen. Die Kommunikation der Maßnahmen für die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen wurde da zu einer wichtigen Aufgabe für das Gesundheitsamt und dessen Leiter. Renken wurde nicht müde, die Maßnahmen zu erklären – auch, wenn er manche Entscheidungen von Bund und Land und vor allem deren Kommunikation selbst nicht immer nachvollziehen konnte.

Allerdings: Die zeitweise Schließung der Schulen hält Renken auch im Nachhinein für eine richtige Entscheidung – unter der Maßgabe, dass es galt, ältere Menschen, die für eine schwere Erkrankung besonders anfällig waren, zu schützen. Zugleich sei klar gewesen, dass die gewählte Entscheidung sich gegen die Kindergesundheit richte.

Einsatz für Kindergesundheit

Dabei liegt dieses Thema Renken besonders am Herzen. Kindermediziner zu werden, sei für ihn nach dem Studium eine ernsthafte Option gewesen, erzählt er. Da war es nur folgerichtig, dass Aktionen zur Kindergesundheit und Gesundheitsförderung für ihn ein Schwerpunkt in der alltäglichen Arbeit des Gesundheitsamts waren – so lange es die Pandemie zuließ.

Auch zuletzt konnte er dazu wieder neue Initiativen mit auf den Weg bringen. „Viele Familien brauchen in Gesundheitsfragen Unterstützung“, sagt Renken. Deshalb kann er sich auch vorstellen, sich in diesem Bereich im Ruhestand ehrenamtlich zu engagieren.

Jetzt ist aber erst einmal die eigene Familie mit drei Kindern und bislang einem Enkelkind an der Reihe. Er wolle jetzt die Zeit genießen, Dinge zu tun, die er in 45 Berufsjahren nicht tun konnte, sagt Renken. „Und das ist verdammt viel.“

  • Bei der Suche nach einer Nachfolge für Dr. Frank Renken als Leiter des Gesundheitsamtes ist die Stadt Dortmund nach einer externen Ausschreibung nicht fündig geworden. Deshalb wird die Amtsleitung nun verwaltungsintern aus eigenen Reihen besetzt – erstmals seit langer Zeit mit einem Nicht-Mediziner.

  • Die Amtsleistung übernimmt zum 1. August der bisherige Stellvertreter Renkens Holger Keßling. Außerdem soll eine medizinische Stabsstelle eingerichtet werden, deren Leitung von einer Ärztin als stellvertretende Amtsleiterin übernimmt. Über die interne Besetzung der Stelle entscheidet der Rat der Stadt am 11. Mai.

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