
© Stephan Schütze (Archivbild)
DSW21: "Kostenloser Nahverkehr würde unsere Fahrgäste frustrieren"
Gratis-Nahverkehr in Dortmund?
Das rheinische Monheim will 2020 die erste NRW-Stadt mit kostenlosem Nahverkehr werden. Würde das auch in Dortmund funktionieren? Wir haben bei Nahverkehr-Betreiberin DSW21 nachgefragt.
Ab April 2020 will die 44.000-Einwohner-Stadt Monheim am Rhein den öffentlichen Nahverkehr für ihre Bürger kostenlos anbieten. Die Idee des kostenlosen Nahverkehrs hält Britta Heydenbluth, Sprecherin der Dortmunder Nahverkehrs-Betreiberin DSW21, für „grundsätzlich sehr sympathisch und reizvoll“, auch im Sinne des Klimaschutzes. Die Umsetzung wäre aber sehr schwierig, meint sie.
Generell könne man eine Kleinstadt wie Monheim nicht mit Dortmund vergleichen, sagt sie. Auch der Nahverkehr in Dortmund aufgrund des U-Bahn-Netzes im Unterhalt bedeutend teurer als in Monheim.
Bereits vor einem Jahr sprachen wir mit Heydenbluth über die Möglichkeiten eines kostenlosen Nahverkehrs in Dortmund – damals nach einem (später gescheiterten) Vorstoß der Bundesregierung, die mit kostenlosem Nahverkehr in einigen Großstädten Diesel-Fahrverbote verhindern wollte. Da sich die Haltung von DSW dazu nicht geändert hat, veröffentlichen wir das Interview hier erneut.
Frau Heydenbluth, was, glauben Sie, würde passieren, wenn in Dortmund morgen alle Ticketpreise für Busse und Bahnen wegfallen würden? Was würde das mit dem öffentlichen Nahverkehr in Dortmund machen?
Das würde unsere Fahrgäste sehr frustrieren.
Warum sollten die Menschen sich darüber ärgern, wenn sie plötzlich nichts mehr für die Fahrten bezahlen müssten?
Weil unsere Busse und Bahnen dann aus allen Nähten platzen würden. Bei einem kostenlosen Nahverkehr rechnen wir mit einem Passagier-Plus von rund 30 Prozent. Bei uns wären das etwa 40 Millionen Fahrten mehr im Jahr.

Britta Heydenbluth ist seit 2015 als DSW21-Sprecherin für den Dortmunder Nahverkehr zuständig. Die 45-jährige Dortmunderin arbeitet seit 2002 für die Dortmunder Stadtwerke, war zuvor unter anderem für die Öffentlichkeitsarbeit rund um den Phoenix-See zuständig. © DSW21
Dortmunds heutiges Nahverkehrsnetz wäre also gar nicht ausgelegt wäre für einen wirklichen Umschwung der Bürger vom Auto auf Busse und Bahnen?
Ja. Wir müssten erst einmal eine Menge Geld in den Ausbau der Fahrzeugflotte und der Haltestellen stecken. Da ist es jetzt schon manchmal knapp.
Wie viele Stadtbahnen und Busse müssten sie denn noch hinzukaufen?
Ich kann nicht sagen, wie viel mehr wir noch zusätzlich bräuchten. Was ich sagen kann, ist, dass es viel Vorlaufzeit braucht, bis zusätzliche Busse und Bahnen da sind. Ein E-Bus kostet aktuell rund 500.000 Euro, eine Stadtbahn bis zu 3 Mio. Euro. Bis ihre Anschaffung beschlossen, die Ausschreibung vorbei ist und die Fahrzeuge einsatzbereit sind, reden wir von 5 bis 10 Jahren. Das kann man nicht mal eben so machen.
Lassen Sie uns über Geld sprechen: Wie teuer würde es, wenn man tatsächlich kostenlosen Nahverkehr in Dortmund einführen würde?
Erst einmal müsste man die entfallenen Ticketeinnahmen ersetzen, das sind in Dortmund im Jahr rund 100 Millionen Euro. Ganz zu schweigen von den Kosten für den Ausbau der Infrastruktur, der Anschaffung neuer Bahnen und der Einstellung neuer Mitarbeiter. Das wären etliche Millionen zusätzlich.
Wie wäre denn der politische Prozess? Was müsste passieren, dass der konkrete Vorschlag bei DSW21 landet?
Das müsste über die Stadt und den Rat kommen, da das bekanntlich unsere Auftraggeber für den öffentlichen Nahverkehr sind. Aber wie das in der Praxis aussehen würde, weiß niemand. Wir müssten uns dann auch vom Verkehrsverbund Rhein-Ruhr abkoppeln.
Da gäbe es viele ungeklärte praktische Fragen. Was ist zum Beispiel, wenn einer in den Regionalzug von Dortmund nach Bochum steigt – müsste der dann an der Stadtgrenze aussteigen und ein neues Ticket ziehen? Das ist alles noch sehr weit weg von einer praktischen Umsetzung. Und was man auch bedenken muss: Der öffentliche Nahverkehr ist ein Minusgeschäft, wie überall.
Allein 2016 lag das Defizit der Verkehrssparte bei DSW21 bei 52,6 Millionen Euro. [Anmerkung der Redaktion: 2018 waren es sogar 55,7 Mio. Euro]
Genau. Wir halten ja die Stadt auch von dem Defizit frei. Wir gleichen die Verluste mit Gewinnen aus anderen Unternehmenssparten und Beteiligungen aus. Das funktioniert zwar, aber die Erlöse aus dem Energiebereich sind auch geschrumpft. Da müssen wir gucken, dass wir das Geld zusammenhalten.
Daher die Frage: Wie wäre ein kostenloser Nahverkehr denn zu finanzieren?
Sicher nicht von der Stadt Dortmund, woher sollte sie das Geld auch nehmen? Da müssten die Mittel vom Bund kommen.
Nehmen wir einfach mal an, es regnet Geld, alle Hindernisse würden aus dem Weg geräumt und der kostenlose Nahverkehr kommt: Glauben Sie, dass dann auch tatsächlich mehr Leute vom Auto auf Busse und Bahnen umsteigen?
Ja, einige schon, aber wenn wir die Menschen dauerhaft zum Umsteigen bewegen wollen, müssten wir noch mehr liefern: Wir müssten das Streckennetz ausbauen, schnellere Verbindungen anbieten und die Taktungen erhöhen. Nur so überzeugt man auch die bequemen Autofahrer.
1984 geboren, schreibe ich mich seit 2009 durch die verschiedenen Redaktionen von Lensing Media. Seit 2013 bin ich in der Lokalredaktion Dortmund, was meiner Vorliebe zu Schwarzgelb entgegenkommt. Daneben pflege ich meine Schwächen für Stadtgeschichte (einmal Historiker, immer Historiker), schöne Texte und Tresengespräche.
