Ein Dankeschön? Fehlanzeige! Wie stressig ist der Alltag als Busfahrerin, Frau Henkenherm-Janssen?

Fehlendes Personal: Ist der Alltag als Busfahrerin so stressig?
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Es ist der Verkehr und die Fahrgäste, welche Busfahrer stundenlang im Blick behalten müssen. Und auch die DSW21, Dortmunds Verkehrsbetrieb, stemmt sich – wie die meisten Betriebe – gegen den Personalmangel. Doch wie stressig ist es, als Busfahrer oder Busfahrerin tätig zu sein?

Heike Henkenherm-Janssen kurvt fast schon 32 Jahre lang DSW21-Linienbusse durch Dortmund. „Ich mache das immer noch gerne. Und ich werde für das, was ich tue, gut bezahlt“, sagt sie. „Aber man muss stressresistent sein, es kostet oft Nerven. Auch die Fahrgäste sind nicht immer einfach.“

Ihr Alltag drehe sich um Pünktlichkeit und Sicherheit. Wir begleiten Henkenherm-Janssen bei ihrer Fahrt – oder zumindest einem Teil davon. Denn bereits um 3.30 Uhr am Morgen ist sie an diesem Dienstag zu ihrer Schicht aufgebrochen. Und das sei noch spät für ihren Frühdienst.

Kurz nach 7 Uhr steigen wir dazu. Es geht knapp drei Stunden lang mit der Linie 462 von Germania, über die Uni, Bövinghausen, Huckarde und wieder zurück. Protokoll des Busfahreralltags.

Keine Schulkinder

Knapp 7.15 Uhr am Dienstagmorgen (10.10). Es ist noch dunkel. Doch der Linienbus 462 ist wegen des Berufsverkehrs bereits gut gefüllt. Die Fahrgäste wirken noch müde. Die meisten zeigen der Fahrerin ihr Ticket ohne zu grüßen, ohne etwas zu sagen.

An der nächsten Haltestelle steigen weitere Fahrgäste hinzu. Einer von ihnen kramt in seiner Tasche. Dann findet er wohl das Ticket. Er zeigt es. Und geht wortlos nach hinten durch. Mittlerweile ist es voller, einige stehen im Bus. Doch noch sind Herbstferien. Daher ist das Fahrgastaufkommen gering. Sonst lärmen hier Schulkinder.

7.26 Uhr: An der Haltestelle „Do-Marten-Süd“ spuckt der Bus einen Großteil der Fahrgäste wieder aus. Für viele geht es offenbar mit der S-Bahn weiter. Jetzt wirkt der Bus ziemlich leer. Drinnen hängen Plakate, die für den Job als Busfahrer werben.

130 Neueinstellungen in 2023

Denn auch die DSW21 plagen Personalprobleme: „Grundsätzlich erleben wir natürlich die gleichen Effekte wie die anderen Unternehmen der Branche“, erklärt Unternehmenssprecher Marc Wiegand. „Bei den Dimensionen gibt es aber sicherlich Unterschiede: Auch wir bekommen weniger Bewerbungen, bis dato gelingt es uns aber, die offenen Stellen zu besetzen.“ 2023 waren es 130 Neueinstellungen im gesamten Fahrdienst, die DSW21 verzeichnen konnte.

7.34 Uhr: Am Technologiepark manövriert Heike Henkenherm-Janssen den Gelenkbus durch eine enge Kurve. Eine Verkehrsinsel sowie die entgegenkommenden Autos machen die Angelegenheit nicht leichter. Man fragt sich trotzdem, ob es wirklich so einfach ist, wie es Henkenherm-Janssen bewerkstelligt. Hinzukommen an manchen Stellen Wagen, die an den Straßenrändern geparkt wurden. „Es wird immer enger und man muss sich da durchjonglieren“, sagt Henkenherm-Janssen später nach ihrem Feierabend.

Fahrplanauskunft gehört dazu

7.39 Uhr: Es ist der erste von zwei Stopps an der Universität. So früh steigen hier offenbar höchstens Mitarbeiter am Campus aus. Ein Mann steigt vorne ein und erkundigt sich bei Henkenherm-Janssen nach der besten Verbindung. Sie informiert ihn aus dem Kopf. Und zeigt auf einen Bus, der gegenüber hält. Der Mann bedankt sich und eilt schnell zur anderen Linie. Ja, nicht alle nutzen Apps. Auch diese Fahrplanauskunft gehört zum Alltag einer Fahrerin.

Notizen ins Fahrtenbuch: Auch das gehört zum Alltag
Notizen ins Fahrtenbuch: Auch das gehört zum Alltag © Benjamin Trilling

7.49 Uhr: „An der Palmweide“ ist für diese Route Endstation. Dort strömen Studierende in den Bus. Es sind nur wenige Kilometer bis zur Uni. Bis dahin füllen Gespräche über Vorlesungen, über Mikro- und Makrosoziologie den Raum.

8 Uhr: Nun erreicht die Linie aus entgegengesetzter Richtung die Uni, wo viele wieder den Bus verlassen.

„Wenn ich eine Bremsung mache, fliegt das Kind“

8.30 Uhr: Lütgendortmund S. Henkenherm-Janssen wendet sich an eine Mutter, die mit ihren Kindern mitfährt. Eines davon tobt auf dem Sitz. „Sorgen Sie bitte dafür, dass sich ihr Kind hinsetzt“, so die DSW12-Mitarbeiterin. Das geschieht dann auch. Es erscheint bemerkenswert, was Henkenherm-Janssen alles im Blick behält. „Wenn ich eine Bremsung mache, fliegt das Kind“, erklärt sie. „Ich habe gegenüber den Fahrgästen eine Fürsorgepflicht.“

8.35 Uhr: Halte Oberdelle. Von hinten erklingt eine männliche Stimme: „Hallo!“. Bruchsekunden später noch mal lauter: „Halloooo!“ Der Fahrgast will damit offenbar zu verstehen geben, dass die hinterste Tür nicht aufgeht. Henkenherm-Janssen reagiert. Zumindest geht die Tür auf. Und der Fahrgast springt wortlos heraus.

Pause. Endlich pinkeln

8.38 Uhr: Bövinghausener Straße. Ein Mann mit leicht eingeschränkter Gehfähigkeit kriegt gerade noch den Bus. „Danke, Glück gehabt“, pustet er in Richtung Fahrerin. Und die entgegnet freundlich: „Lieber immer zwei Minuten früher da sein.“ Denn als Fahrerin sei es ihr selbst wichtig, pünktlich durchzukommen. „Alleine schon, um dann mal durchschnaufen zu können“, gesteht sie.

9.02 Uhr: Huckarde Bushof U. Hier endet die Linie, es geht von vorne los. Doch Henkenherm-Janssen eilt zunächst zum Klo. Bereits über eine Stunde früher hätte sie am liebsten ihre Blase entleert. Doch schwupp saßen die ersten Studierenden in ihrem Bus. Auch jetzt in Huckarde muss sie einen jungen weiblichen Fahrgast zwei Mal darum bitten, noch nicht einzusteigen. Nach circa zehnminütiger Pause geht die Fahrt weiter.

Sportwagen nimmt Vorfahrt

9.45 Uhr: Haltestelle Plesken. Während der Fahrt ist eine junge Frau zu sehen, die rennt. Ihr Ziel: noch den Bus erwischen. Offenbar hat Henkenherm-Janssen es bemerkt. Und wartet noch ein paar Sekunden, bis sie weiterfährt. Dann erreicht die Frau den Eingang. Sie zeigt wortlos ihr Ticket und geht schweigend weiter. Ein Dankeschön? Fehlanzeige! „Es ist sehr schade, wie Menschen miteinander umgehen“, meint Henkenherm-Janssen. „Es geht um Respekt!“ Ihr Vergleich: Wer zum Bäcker geht, grüße ja auch. Man fragt sich: Warum machen das jedoch so wenige Fahrgäste, wenn sie einsteigen?

9.57 Uhr: Do-Germania S. Nur noch wenige Meter bis zur Endhaltestelle, dann löst ein Kollege Henkenherm-Janssen am Steuer ab. Bis zum Feierabend muss sie jedoch noch Konzentration bewahren. Kurz vor dem Endziel, nimmt ihr ein roter Sportwagen die Vorfahrt. Die Busfahrerin bemerkt es frühzeitig, keine Bremsung, keine Gefahr. Damit endet eine ruhige Schicht.

Heike Henkenherm-Janssen vor einem Bus
Kurze Pause: Heike Henkenherm-Janssen ist seit 32 Jahren DSW21-Busfahrerin © Benjamin Trilling

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