Dreifach-Mama Jana hat Krebs „Da war gleich so eine Schwere drin: Ich muss sterben“

Jana hat Krebs: „Da war gleich so eine Schwere drin: Ich muss sterben“
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Es ist eine Geschichte zwischen Hoffen und Verzweifeln. Zwischen großem Glück und heftigen Rückschlägen. Zwischen unbändiger Lust auf das Leben und der riesigen Angst, dass es viel zu schnell vorbei ist. Jana (44) hat Krebs. Zum zweiten Mal.

2018 wird bei der dreifachen Mutter aus Dortmund ein 1,7 Kilogramm schwerer Nierentumor festgestellt und operativ entfernt. „Zehn Tage nach der OP habe ich wieder gearbeitet, weil ich es unbedingt wollte. Ich wollte einfach nur mein Leben zurück“, sagt die zierliche Dortmunderin. Und das bringt prägnant auf den Punkt, warum in Janas Geschichte die Hoffnung überwiegt, und nicht die Verzweiflung. Jana ist ein optimistischer Mensch, der Blick geht immer nach vorne.

„Wer weiß, was in der Welt noch auf mich wartet.“ Ganz gelassen und mit einem feinen Lächeln spricht Jana diesen Satz aus, der bemerkenswert ist. Denn die medizinischen Fakten könnten durchaus dazu führen, den Mut zu verlieren. Jana ist schwerkrank; Behandlungen, Medikamente und Arztbesuche bestimmen ihren Alltag. Arbeiten ist schon lange nicht mehr möglich.

„Da hast du Glück gehabt“

Obwohl nach der Operation vor mittlerweile sechs Jahren zunächst alles gut aussieht: Der Tumor hatte noch nicht gestreut. „Die Lymphknoten drumherum waren frei und ich habe wirklich gedacht: Da hast du noch mal Glück gehabt.“ Viel Zeit zum Nachdenken bleibt ihr damals nicht. Zwischen Diagnose und Operation liegen nur drei Tage. Am Wochenende ertastet sie den Tumor, am Montag wird er im Krankenhaus diagnostiziert, Donnerstag ist die OP. Und ab da geht es schnell bergauf.

„Da steht einfach die große Hoffnung über allem, dass es das jetzt war.“ So bespricht sie es auch mit ihren Kindern, die damals 6, 9 und 12 Jahre alt sind. „Ich war ganz offen und habe gesagt, dass ich eine schlimme Krankheit hatte, Krebs, von der sie bestimmt schon mal gehört haben. Dass ich operiert wurde und jetzt alles regelmäßig kontrolliert wird. Mein Bestreben war es, und ist es noch heute, dass die Kinder möglichst wenig belastet sind dadurch.“

Halbjährlich muss sie zu Nachuntersuchungen. „Anfangs war ich noch nervös, aber das Leben war da schon wieder voll da. Meine Kinder wurden größer, die Belastungen kleiner. Und ich hatte das Gefühl, innerlich daran gewachsen zu sein, so eine Diagnose macht ja was mit einem.“ Eine Lehre, die Jana zieht: Sie möchte mehr auf sich achten.

Csaba und Jana an einem Strand
Jana und Csaba während eines Urlaubs: Unbeschwerte Zeit hat das Paar bislang nur kurz genießen können. Die beiden sind noch nicht lange ein Paar, als die Dortmunderin erfährt, dass der Krebs zurück ist. © Jessica Will

Das gelingt ihr gut: „Mir ging es so gut wie nie im Leben.“ Sie arbeitet selbstständig als Tagesmutter, hat ihrem Ex-Mann das Haus abgekauft, den Krebs besiegt. „Eigentlich war alles so, wie ich es immer haben wollte.“ Und dann verliebt sie sich neu. Das Glück ist perfekt. Csaba, ihr neuer Partner, taucht gerne mit ins Familienleben ein: „Wir haben uns darauf ausgerichtet, zusammen alt zu werden; ich lebe Familie mit ihr. Ich habe selbst keine Kinder. Und dann haben wir uns kennengelernt und alles war rosig“, beschreibt er.

Genau in diese Phase platzt im Sommer 2023 die Nachricht, dass alles Hoffen vergebens war: Der Krebs ist zurück - schlimmer als zuvor: Metastasen im Kiefer, der Keilbeinhöhle, den Sitzbeinhöckern, im Becken und an der Lendenwirbelsäule.

Jana ist keine Traumtänzerin. Die gelernte Krankenschwester weiß ihre Lage realistisch einzuschätzen. Vieles spricht dagegen, dass sie wieder gesund wird. „Es gibt viele Teile in mir, die wissen: Knochenmetastasen nach Erstdiagnose - das sieht einfach nicht gut aus. Bei der zweiten Krebsdiagnose war gleich so eine Schwere drin: Boah, ich muss sterben.“

„Von Heilung spricht keiner“

Seit eineinhalb Jahren kämpft die zierliche Frau nun gegen die Metastasen. Eine knallharte Prognose hat nie ein Arzt offiziell genannt. „Noch drei Monate oder so, das hat mir nie jemand gesagt.“ Aber ein anderer Satz lässt erahnen, wie schwer sie krank ist: „Von Heilung spricht keiner der Ärzte.“

Ein Satz lässt sie bei einer Untersuchung aufhorchen: „Damit hätte keiner gerechnet, dass sie nach eineinhalb Jahren hier noch so stehen“, sagt einer ihrer Ärzte erst vor wenigen Wochen zu ihr. Sie lächelt und in ihren Augen blitzt es auf - die Freude, es schon weiter geschafft zu haben, als Ärzte erwartet hatten.

Mit angezogenen Knien sitzt sie auf dem Stuhl am Esstisch ihrer gemütlichen Küche. Die Stimmung, als sie von ihrer Krankengeschichte erzählt, ist längst nicht so gedrückt, wie man bei der Schwere des Themas erwarten würde. Dabei musste Jana schon viele Rückschläge verkraften: Die Erstlinien-Therapie gegen die Metastasen schlägt fehlt. Das erste CT nach Behandlungsbeginn fällt zwar gut aus, das zweite aber katastrophal. „Der Tumor ist super schnell gewachsen.“ Jana wechselt aus der behandelnden Klinik in Dortmund in ein Krankenhaus in Essen, hier wird ein anderer Behandlungsansatz gewählt, die Medikamente umgestellt.

Komplikationslos läuft es auch ab dann nicht: Es gibt Phasen, da geht es ihr elend, sie ist zu schwach, den Alltag zu bewältigen. Teils verträgt sie Medikamente überhaupt nicht, muss sie absetzen. Die Ungewissheit, wie die Behandlung weitergehen soll, zehrt an ihr. Immer die Angst im Nacken, dass die Medikamente nicht mehr helfen. Aber Jana kämpft um ihre Chance. Schleicht Medikamente langsam und ohne Wissen der Ärzte wieder ein. Sie beißt sich irgendwie durch. Erarbeitet sich Phasen, in denen es ihr besser geht.

„Und dann habe ich angefangen, mich selbst auf den Weg zu machen.“ So beschreibt Jana, wie sie zur Expertin für ihre Krebsart wird. Sie liest Studien und Bücher, macht sich schlau, wie sie die klassische Therapie ergänzen kann. Naturheilkunde spielt eine Rolle. Sie stellt ihre Ernährung komplett um, hat mittlerweile mehrere Kisten voll mit Nahrungsergänzungsmitteln. Hinzu kommt eine Therapie mit hochdosiertem Vitamin C.

Sie kann minutenlang referieren, zu welchen Mitteln und Therapien es welche Studien gibt. Welche Hinweise es gibt, dass sie wirken - auch wenn die Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen. Welche Behandlungsansätze es in anderen Ländern gibt, wo neue Verfahren getestet werden. Wenn Jana Beispiele von Menschen aufzählt, denen so geholfen wurde, kann man ihre große Hoffnung fast greifen. Den Glauben an das Wunder, den Krebs zu besiegen.

Die Ärzte sprechen nicht von Heilung, Jana und ihre Familie schon. „Heilung - der Glaube daran ist etwas, das hier am Küchentisch entstanden ist.“ Und dann lächelt die Dortmunderin wieder ihr zurückhaltendes, aber ansteckendes Lächeln.

Verzweiflung und Tränen

Zur Wahrheit gehört auch, dass dieses Lächeln nicht immer echt ist. „Eine Freundin hat mal gesagt: ,Die Grinsekatze nehme ich dir nicht mehr ab.‘“ Wer so schwer krank ist, der hat auch schlechte Phasen. Momente, in denen die Verzweiflung überhandnimmt. Wie gleich zu Anfang, als die Tatsache, dass der Krebs zurück ist, noch „nur“ als Verdacht im Raum steht. „Da habe ich im Vorfeld der Untersuchung gegoogelt und gleich das erste Mal geweint. Ich habe gedacht, wenn das wirklich eine Metastase ist, dann muss ich sterben.“

Die Angst ist auch heute immer wieder präsent. Steckt hinter dem Nasenbluten vielleicht ein Tumorwachstum? „Es gibt über den Tag verteilt immer wieder Anlässe, die mich an den Krebs erinnern. Tage, wo ich so richtig deprimiert bin oder verzweifelt, die sind trotzdem selten. Aber an denen weine ich. Wenn ich in den Arm genommen werde, weine ich dann.“

Die größten Probleme bereitet ihr der Tumor im Kiefer, der auch die Nerven beeinflusst. „Er schmerzt und die Stelle schwillt immer wieder an.“ Ganz ausblenden kann sie den Tumor eigentlich nie. „Wenn die Symptome ganz stark sind, bin ich richtig krank, dann muss ich ins Bett.“ Der Tumor im Lendenwirbelbereich hat einen Wirbel schon so stark angegriffen, dass ständig die Gefahr einer Fraktur besteht.

Jana schaut drei kleine Kisten mit Nahrungsergänzungsmitteln durch, die auf ihrem Bett stehen.
Drei kleine Kisten voller Nahrungsergänzungsmittel: Jana hat sich viel Wissen zu ihrer Krebserkrankung angeeignet, setzt im Kampf gegen die Krankheit nicht nur auf die Schulmedizin. Ernährung ist für sie ein wichtiger Baustein. © Jessica Will

Der Kampf gegen den Krebs zehrt ihren Körper aus. An anstrengenden Tagen wie früher einfach noch eine Schippe drauflegen - das geht längst nicht mehr. Das merken auch ihre Kinder. Anders als bei der ersten Krebserkrankung bekommen sie mit, dass ihre Mutter krank zu Hause ist. „Zu sehr ins Detail gehe ich nicht. Aber sie wissen, der Krebs ist wieder da. Wir haben uns hier am Tisch zusammengesetzt, und darüber gesprochen. Sie wissen, dass die Ärzte schauen, was sie tun können. Und ich sage ihnen ganz klar: Ich tue alles, um gesund zu werden.“

Trotzdem sind schon viele Tränen geflossen, aus Angst um ihre Mutter. „Ich möchte sie damit nicht belasten, aber sie bekommen es mit, das lässt sich nicht ändern.“ Aber Jana versucht alles, um noch lange für ihre Kinder da sein zu können.

Zwei Dinge sorgen aktuell für viele positive Gedanken, lassen das Pendel stark in Richtung Hoffnung ausschlagen: Alle drei Monate muss die Dortmunderin

zur Computertomografie, um das Wachstum der Tumore zu kontrollieren. „In den letzten beiden CTs war alles gestoppt, es gab kein Fortschreiten mehr. Das hat Mut gemacht. Aber das Ziel muss sein, dass sie zurückgehen. Das ist die große Hoffnung.“

Spendenaktion erfolgreich

Heilung - der Glaube daran lässt Jana weiter kämpfen. Und sie erhält dabei Unterstützung, mit der sie in dieser Größenordnung nicht gerechnet hätte. Ihr Lebensgefährte hat auf der Spenden-Plattform gofundme eine Aktion für Jana ins Leben gerufen. Über 37.000 Euro (Stand 24.1.) haben Menschen darüber schon gespendet, um die Familie zu unterstützen. Denn die Krankheit zehrt auch wirtschaftlich: Janas Krankengeld läuft aus, ab Februar bezieht sie Erwerbsminderungsrente. „Es ist erschreckend, wie wenig das ist.“ So wird schon der normale Lebensunterhalt zum Balanceakt.

Hinzu kommen die hohen monatlichen Kosten für die Behandlungsmethoden, die die Krankenkasse nicht übernimmt. Allein die Vitamin-C-Therapie schlägt monatlich mit 900 Euro zu Buche, rechnet Jana vor. Mit den Spenden ist auch Unterstützung durch eine Haushaltshilfe möglich.

Und nicht zuletzt bewegen die Spenden auch emotional sehr viel: „Wenn ich nur an die Spendenaktion denke, könnte ich sofort anfangen zu weinen. Weil es einfach so unglaublich ist. Ich spüre da so viel Energie und Verbundenheit, dass ich damit nicht alleine bin. Das schenkt wirklich ganz viel Hoffnung.“

An guten Tagen geben die Spenden Hoffnung. An schlechten schleicht sich aber auch ein Gedanke ein, der der Verzweiflung entstammt: „Wenigstens reicht es für die Beerdigung.“

Konkret geplant hat Jana für diesen Fall noch nicht. „Es würde vielleicht Sinn machen. Macht es eigentlich für jeden. Aber ich finde es gerade im Moment sehr schwer, so etwas zu planen und weiterhin an Heilung zu glauben. Nicht, weil ich die Option nicht im Blick habe. Sondern einfach, weil es so viel Raum für das Sterben bietet, wo ich doch gerade leben will.“

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 25. Januar 2025.