Nach einem bürokratischen Hürdenlauf kann Claudia Schulze endlich ihre neue Kindertagespflegestelle eröffnen.

© Beate Dönnewald

Drei Spülbecken in einer Mini-Küche: Krasse Regeln für Tagesmütter

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Wer sich als Tagesmutter selbstständig machen möchte, muss viele Hürden nehmen. Die Regeln sind kompliziert. Eine Dortmunderin hat sich glücklich durchgekämpft. Ihr Motto: „Koste, was es wolle!“

Marten

, 13.11.2021, 05:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Dortmunderin Claudia Schulze hat es geschafft: Am 15. November (Montag) wird die 35-Jährige ihre Kindertagespflegestelle „Die Krabbelkäfer“ eröffnen. Nicht zu Hause, sondern in angemieteten Räumen in Dortmund-Marten.

Der Weg dorthin war steinig. Doch ein Aufgeben kam für die zweifache Mutter und dreifache Patentante nicht in Frage. Denn: „Trotz des ganzen Organisationsaufwandes ist der Beruf etwas Wundervolles und die Bemühungen zahlen sich aus.“

Für die gelernte Automobil-Kauffrau erfüllt sich ein großer Traum. „Endlich kann ich meine Liebe zu Kindern zum Beruf machen“, sagt sie. Dass sie allerdings für ihren Sprung in die Selbstständigkeit so viele Hürden nehmen musste, hätte sie nicht vermutet, so die 35-Jährige.

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Tatsächlich sind die Regeln deutlich strenger, wenn eine „Kindertagespflegeperson“, so die offizielle Bezeichnung, nicht zu Hause, sondern in einer angemieteten Wohnung die Betreuung anbietet. Unter anderem sind die Anforderungen an die Lebensmittelhygiene extrem hoch.

Eines von vielen Beispielen: Um die Trennung der „reinen Bereiche“ und der „unreinen Bereiche“ einzuhalten, muss die Küche über drei Spülbecken und einen Geschirrspüler verfügen. Claudia Schulzes Küche ist gerade mal 3,3 Quadratmeter groß.

Stadt hat wenig Spielraum

Dem Dortmunder Ordnungsamt ist diese Problematik durchaus bewusst. Einen Spielraum habe man aber nicht, weil es sich um vom Land vorgeschriebene gesetzliche Regelungen handele, so Stadtsprecher Christian Schön.

Claudia Schulze hat es tatsächlich geschafft, drei Spülbecken und eine Geschirrspülmaschine in ihrer winzigen Küche unterzubringen.

Claudia Schulze hat es tatsächlich geschafft, drei Spülbecken und eine Geschirrspülmaschine in ihrer winzigen Küche unterzubringen. © privat

„Denn es besteht die Verpflichtung, Tagespflegepersonen in angemieteten Räumen zu überwachen und dementsprechend auch die Anforderungen des Lebensmittelrechts umzusetzen. Wenn diese Betreuung im Privathaushalt stattfindet, unterliegt diese nicht der amtlichen Lebensmittelüberwachung“, erklärt Schön.

Gerade die Anzahl der Becken bei der Planung sei aus veterinärmedizinischer Sicht durchaus relevant für gute hygienische Abläufe. „Die ,3 Becken‘ ermöglichen es der Tagespflegeperson, relativ einfach die hygienischen Grundregeln in der Küche einzuhalten, auch wenn dabei zeitgleich bis zu 5 Kleinkinder zu betreuen sind“, so der Stadtsprecher.

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Er betont aber auch: „Es ist jedoch keinesfalls so, dass dies unter allen Umständen durchgesetzt und gefordert wird, gerade wenn es baulich extrem schwierig ist.“ Das sei dann eine Einzelfallentscheidung.

Darüber hinaus muss Claudia Schulze zukünftig viele weitere Hygienerichtlinien befolgen. Sie reichen von einem Reinigungs- und Desinfektionsplan samt Schädlingsprävention in allen Räumen bis hin zur Dokumentation des Einkaufs, der Lagerung und der Zubereitung von Lebensmitteln.

Kompliziert wird es für neue Tagesmütter auch beim Thema Baugenehmigung. Claudia Schulze schildert den bürokratischen Aufwand: „Anträge müssen dreifach eingereicht werden, mit Flurkarte und Bauzeichnungen vom Katasteramt.“ Weil ihre Kindertagespflegestelle zuvor gewerblich genutzt wurde, ging kein Weg an einer Genehmigung der Nutzungsänderung vorbei.

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Gleichzeitig seien die Anforderungen an den Brandschutz sehr hoch. „Fluchtwege, Feuerlöscher, Rauchmelder auf Funk, Betonbeschaffenheit der Böden, Decken, Wände, allen Regeln müssen wir gerecht werden“, so Claudia Schulze. Glücklicherweise habe sie von ihrem Vermieter große Unterstützung bekommen. Insgesamt seien ihr Gebühren von rund 480 Euro entstanden.

Gute Zusammenarbeit mit den Ämtern

Claudia Schulze möchte nicht falsch verstanden werden, die Zusammenarbeit mit den zuständigen Ämtern sei gut gewesen, sie habe sich gut beraten und unterstützt gefühlt. Dennoch: „In meinen Augen müssen die Verfahren einfacher werden, denn so winken viele Betreuungswillige ab und wir haben weiterhin zu wenige Betreuungsplätze.“

Die Stadt weiß, dass die „Handlungserfordernisse sachfremde Unternehmer schnell überfordern können. Dass also die diversen Regelungen sehr kompliziert sind, ist nicht zu leugnen“, schreibt Christian Schön. Aus diesem Grund habe die Bauaufsicht bereits vor Jahren zusammen mit Jugendamt und Feuerwehr einen Leitfaden entwickelt, „der es den unternehmenslustigen Personen ermöglichen soll, die Zusammenhänge leicht und praxisnah zu verstehen.“

Claudia Schulze wünscht sich, dass die Anforderungen an Tagesmütter in gemieteten Räumen heruntergeschraubt werden - nur so könnten mehr Betreuungsplätze entstehen, sagt sie.

Claudia Schulze wünscht sich, dass die Anforderungen an Tagesmütter in gemieteten Räumen heruntergeschraubt werden - nur so könnten mehr Betreuungsplätze entstehen, sagt sie. © Beate Dönnewald

Um eine einheitliche Herangehensweise auch in der Behörde zu gewährleisten, stelle die Bauaufsicht den Tagesmüttern zudem einen zentralen, stadtweit zuständigen Ansprechpartner zur Seite, der versuche, sie sicher und zielgerichtet durchs Verfahren zu führen, so Schön.

Seit Anfang November liegt Claudia Schulze die Genehmigung des Bauordnungsamts vor. Zwei Monate habe sie darauf gewartet. Gleichzeitig sei ihr noch eine weitere gute Nachricht ins Haus geflattert: „Ich bekomme rückwirkend meine Miete bezahlt, auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht betreut habe“, so die 35-Jährige.

Alle Plätze sind vergeben

Sie sei einfach nur glücklich, dass „ich endlich loslegen darf, den Eltern und Sorgeberechtigten bei der Betreuung ihrer Kinder zu helfen.“ Alle fünf Plätze seien vergeben. „Die Nachfrage ist einfach enorm.“ Die Vermittlung laufe über das Mütterzentrum Dortmund, mit dem sie einen Kooperationsvertrag abgeschlossen habe.

Claudia Schulze hat sich ein Jahr lang auf ihren neuen Beruf vorbereitet: „Die Schulung umfasste 160 Unterrichtstunden samt einer schriftlichen und mündlichen Abschlussprüfung. Viele wissen möglicherweise gar nicht, wie gut wir qualifiziert sind.“ Zudem seien regelmäßige Fortbildungen verpflichtend. „Nach meiner Prüfung habe ich freiwillige Vertretungsstunden in Großpflegestellen absolviert, um Berufserfahrung zu sammeln.“