Douglas, Thalia und eine Rewe-Tochter Warum namhafte Firmen von Hagen nach Dortmund kommen

Douglas, Thalia und eine Rewe-Tochter: Firmen verlassen Hagen
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Es war eine Überraschung, als sich im Februar die Essener Koelbl-Group als Eigentümer des ehemaligen Bundesbankgebäudes am Hiltropwall meldete und den Einzug des Buchhandelsunternehmens Thalia ankündigte. Thalia verlegt Mitte des Jahres 2028 seinen Zentralstandort von Hagen nach Dortmund - mit 500 Beschäftigten.

Thalia geht damit den Weg, den im vergangenen Jahr bereits der Parfümeriekonzern Douglas gegangen ist. Der Kosmetikanbieter zog im November 2024 von seinem Traditionsstandort in Hagen-Bathey in die neue Firmenzentrale des Dortmunder IT-Dienstleisters Materna auf Phoenix-West. Für die 300 Mitarbeitenden wurden rund 2300 Quadratmeter angemietet.

Jetzt wurde bekannt, dass bereits das nächste Unternehmen seinen Bürostandort von Hagen nach Dortmund verlegt hat. Die Verwaltung des zu Rewe Dortmund gehörenden Supermarktgeschäfts „Michael Brücken“ (Rewe Ihr Kaufpark) ist mit 130 Mitarbeitenden an den Hauptsitz der Rewe Dortmund am Asselner Hellweg umgezogen. Fast 50 Jahre lang war die Zentrale dieses Lebensmitteleinzelhandels-Unternehmens in Hagen-Vorhalle ansässig.

„Man kommt nicht durch“

Was für Dortmund gute Nachrichten sind, sind für Hagen sehr schlechte. Schaut man sich Kommentare aus der Nachbarstadt in den sozialen Medien an, dann heißt es da etwa zum Wegzug der Verwaltung von Michael Brücken: „Man kommt ja nicht mehr mit dem Auto durch die Stadt. Wie viel sollen die Arbeitgeber ihren Mitarbeitern zumuten, um zur Arbeit und zurück zu kommen?“

Wegen Brückenschäden ist die B54 in Hagen gesperrt worden. Die Stadt plagen große Verkehrsprobleme.
Wegen Brückenschäden ist die B54 in Hagen gesperrt worden. Die Stadt plagen große Verkehrsprobleme. © picture alliance/dpa/-

Hagen steckt tatsächlich in einer Infrastrukturkrise. „Die Hochbrücke in die Innenstadt ist seit Monaten gesperrt und es gibt viele weitere Baustellen und Staus im Stadtgebiet. Weitere Brücken müssen in naher Zukunft saniert werden. Unter dem Verkehrsproblem leiden ortsansässige Unternehmen und ihre Beschäftigten sehr“, sagt Thomas Marotzke, Stabsstellenleiter Öffentlichkeitsarbeit bei der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen.

In der Begründung von Thalia, warum man Hagen den Rücken kehrt, wird das nicht so offen, sondern sehr diplomatisch ausgesprochen. Nur wenige Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt, überzeuge der neue Standort in Dortmund „durch seine zentrale Lage mit einer ausgezeichneten Verkehrsanbindung“, sagt Monica Sawhney, die kaufmännische Geschäftsführerin von Thalia.

Adäquate Lösung gab es nicht

Und Ingo Kretzschmar, Vorsitzender der Geschäftsführung, erklärt: „Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, denn Thalia hat eine lange und enge Verbindung zur Stadt Hagen. Auch im intensiven Austausch mit der Hagener Wirtschaftsförderung, die sich sehr dafür eingesetzt hat, dass wir in der Stadt bleiben, konnten wir keine adäquate Lösung finden. Zugleich haben wir uns an unserem aktuellen Standort auf Dauer nicht mehr gesehen – er ist strategisch ungünstig gelegen und es fehlt ein attraktives Umfeld.“ In Dortmund finde man „eine bessere Infrastruktur sowie ein deutlich ansprechenderes Umfeld für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zudem erleichtern diese Rahmenbedingungen auch die Gewinnung weiterer, qualifizierter Fachkräfte, die wir aufgrund unseres nachhaltigen Wachstums benötigen.“

So soll sich das frühere Bundesbankgebäude in der Innenstadt von Dortmund künftig auf der Rückseite an der Poststraße darstellen. 2028 zieht hier Thalia mit 500 Beschäftigten ein.
So soll sich das frühere Bundesbankgebäude in der Innenstadt künftig auf der Rückseite an der Poststraße darstellen. Es ist ein Anbau mit Vorplatz und großem Eingangsbereich geplant. Mitte 2028 zieht hier Thalia mit 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein. © Skizze Kölbl Group

Für den Douglas-Konzern hatte es lange absolute Priorität, innerhalb von Hagen einen neuen Standort für den zu klein gewordenen Stammsitz in Bathey zu finden. „Noch nicht einmal ansatzweise“ habe sich jedoch eine geeignete Immobilie finden lassen, erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende Henning Kreke im vergangenen Jahr gegenüber unserer Redaktion. Man habe überlegt, in die oberen Etagen des früheren Kaufhof-Komplexes in der Innenstadt zu ziehen. Dies habe man jedoch verwerfen müssen, da es einfach zu lange gedauert hätte, bis die Fläche hätte bezogen werden können.

Für die Parfümeriekette, die weltweit Milliarden umsetzt und die ihre Keimzelle in Hagen hat, lief der Mietvertrag in Bathey zum Jahresende 2024 aus. Die Möglichkeit, kurz vorher mit den 300 Mitarbeitenden in den riesigen, neuen Bürokomplex von Materna auf Phoenix-West ziehen zu können, kam da wie gerufen. Dafür sollen die gute Erreichbarkeit mit Bus und Bahn, die Nähe zur B54, zur A45 und auch zum Flughafen gesprochen haben. Zudem entsprach die Douglas-Immobilie in Bathey nicht mehr den Ansprüchen eines modernen Unternehmens, das sich selbst gern als Lifestyle-Konzern bezeichnet. In der jetzt von Ministerpräsident Hendrik Wüst offiziell eingeweihten Materna-Firmenzentrale hat man nun eine Adresse in einem Bürokomplex mit regionaler Strahlkraft.

Hagen verliert fast 1000 Jobs

„Hagen braucht eine Flächenentwicklung. Es ist so, dass Hagen über die Büroflächen, die von den drei genannten Unternehmen gesucht wurden, derzeit nicht verfügt. Das Flächenmanagement und die Verkehrsinfrastruktur sind die Probleme, mit denen Hagen aktuell zu kämpfen hat“, stellt Thomas Marotzke von der SIHK zu Hagen zu dem Verlust von insgesamt fast 1000 Arbeitsplätzen fest.

Heike Marzen, Chefin der städtischen Wirtschaftsförderung in Dortmund, sagt: „Man sieht einfach, was passiert, wenn es in einer Stadt keine attraktiven Flächen gibt.“
Heike Marzen, Chefin der städtischen Wirtschaftsförderung in Dortmund, sagt: „Man sieht einfach, was passiert, wenn es in einer Stadt keine attraktiven Flächen gibt.“ © Wirtschaftsförderung/Stadt Dortmund

Für Heike Marzen, Leiterin der städtischen Wirtschaftsförderung in Dortmund, zeigt das Beispiel Hagen, warum sie so sehr darauf pocht, sich hier im Stadtrat Gedanken über neue Gewerbeflächen zu machen. „Man sieht einfach, was passiert, wenn es in einer Stadt keine attraktiven Flächen gibt“, sagt sie. Und in Dortmund seien am Phoenix-See mit der Direktion für die Krankenkasse BIG und auf der Stadtkrone-Ost mit der Continentale-Firmenzentrale die letzten verfügbaren Grundstücke bebaut worden - auf Phoenix-West sei fast alles vermarktet.

Auf der Suche nach neuen Industrie- und Gewerbeflächen war von der Wirtschaftsförderung vor einem Jahr die Brechtener Niederung im äußersten Dortmunder Norden ins Gespräch gebracht worden. Seither diskutieren Bürger und Politiker heftig darüber, ob statt eines Eingriffs in den Freiraum nicht lieber Brachflächen wie das Gelände der früheren Kokerei Kaiserstuhl (Westfalenhütte) oder auch die frühere HSP-Fläche an der Rheinischen Straße (ehemalige Smart Rhino-Planung) entwickelt werden sollten. „Voraussichtlich im Mai“, so hieß es vor wenigen Tagen, sollen die Ratsgremien über die künftige Wirtschaftsflächenstrategie der Stadt Dortmund entscheiden.