Dortmunds Straßen sind ein einziges Desaster Der zuständige Dezernent ist überfordert - und das Tiefbauamt auch

Straßen-Desaster: Tiefbauamt und Baudezernent sind überfordert
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Straßen-Desaster: Tiefbauamt und Baudezernent sind überfordert

Der Zustandsbericht der städtischen Tiefbauer über das Dortmunder Straßennetz entspricht dem, was die Bürger jeden Tag sehen und empfinden. Rund 70 Prozent der Straßen sind mehr oder weniger marode und müssen repariert oder gleich ganz erneuert werden. Der Schaden beläuft sich aktuell auf die irrsinnige Summe von 570 Mio. Euro. Das einzig Positive an dieser Analyse ist der Umstand, dass sie endlich vorliegt und Klarheit schafft.

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Im Kern aber ist sie schlicht ein Offenbarungseid. Und ein Beleg für den zunehmenden Verfall eines wichtigen Teils der städtischen Infrastruktur – Radwege und Bürgersteige noch gar nicht mitgerechnet. Liegt es an fehlendem Geld? Nein. Finanzmittel waren all die Jahre vorhanden – sie sind eben nur nicht unter die Erde gekommen. Höchstens ein Drittel ist tatsächlich verbaut worden. Die Gründe dafür sind vielschichtig.

Allein die drei Buchstaben KAG haben die Verwaltung vielerorts von notwendigen Straßenerneuerungen abgehalten. Das Kommunalgabengesetz, eben das KAG, sah vor, dass Anwohner beziehungsweise Grundstückseigentümer im Falle einer Straßenerneuerung mit eigenen Beiträgen kräftig zur Kasse gebeten wurden. Das waren oft mehrere tausend Euro. Wissend, dass die Stadt damit den Zorn der Bürger auf sich zog, wurde so manche Erneuerung verschoben und bestenfalls durch die berühmte „Schippe Teer“ ersetzt. Man griff zu Notlösungen, die weder nachhaltig noch effizient waren.

Eine Frage des Managements

Bei der Suche nach weiteren Gründen für das Dortmunder Straßen-Desaster kommt man auch am Tiefbauamt nicht vorbei. Mal wird kolportiert, es fehle an Personal. Ein anderes Mal sind es angeblich fehlende Kapazitäten in der Bauwirtschaft. Auch quälend lange Prozesse bei der Auftragsvergabe mussten zwischenzeitlich als Argument herhalten. Es sind Gassenhauer, die seit etlichen Jahren abgespielt werden. Dabei war die Hoffnung groß, dass Baudezernent Arnulf Rybicki nach seinem Amtsantritt im April 2019 einen neuen Ton anschlagen würde.

Die Politik wollte keinen zweiten Stadtplaner und erst recht keinen großen Visionär: Sie wollte schlicht und ergreifend einen Baudezernenten, der knochentrocken dafür sorgt, dass die zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft und verbaut werden. Kurz gesagt: Sie wollte einen Dezernenten, der ausführt und umsetzt.

Heute zeigt sich: Da war der Wunsch der Vater des Gedankens. Selbst die Politik rätselt, warum und an welchen Stellen genau es im Tiefbauamt hakt – dass es hakt, ist ihr längst klar. Auf anderen Feldern, die Rybicki ebenfalls verantwortet, läuft es deutlich besser. Etwa im Hochbaubereich. Oder bei der Stadtentwässerung. Als Eigenbetrieb auf den Weg gebracht, hat es die Stadtentwässerung 2022 geschafft, fast 83 Prozent ihrer bereitgestellten Mittel zu verbauen; 26,6 Mio. von insgesamt 32 Mio. Euro. Eine „Umsetzungsquote“, von der die städtischen Tiefbauer in Sachen Straßen nur träumen können.

Neu ist das alles nicht – auch nicht dem Verwaltungsvorstand mit OB Westphal und seinen Dezernenten. Nicht umsonst haben sie eine „Organisationsuntersuchung für die Neuausrichtung des Tiefbauamtes 2026“ in Auftrag gegeben. Das war 2021. Ergebnisse? Bislang Mangelware. Dass OB Westphal das Straßen-Thema nun an sich zieht, ist zwar ein politisches Signal – eine Gewähr, dass die Probleme endlich angegangen und vor allem beseitigt werden, ist es noch nicht. Erste Adresse und Ansprechpartner sind und bleiben die Spitze des Tiefbauamtes und der Baudezernent. Sie sollen nun ein Konzept vorlegen, wie die Straßen mittel- und langfristig in Ordnung gebracht werden können. Es könnte ihre letzte Chance sein.