Ostern heißt Eiersuche. Die Einen favorisieren süße Eier aus Schokolade. Manche mögen sie auch gern mit Krokant oder Eierlikör. Andere schwören auf das echte Hühnerei. Viele Familien verzichten dabei heute auf das Selbst-Färben. Das Angebot an bunten Eiern im Handel ist schließlich groß genug. Und es gibt sie nicht nur unifarben und marmoriert, sondern auch in kreativen bunten Dessins.
In Dortmund können sich Familien auf eine ganz besondere Eiersuche begeben. Die Fundstücke sind dann – großes Ehrenwort – die größten Exemplare der Stadt. Dabei wechseln sie auch noch ihre Farbe. Letzteres zugegeben nur bei Dunkelheit: Tagsüber silbrig grau, erstrahlen sie abends und nachts in Blau und Grün.
Die weithin sichtbaren Wahrzeichen sind die Faultürme der Kläranlage der Emschergenossenschaft im Stadtteil Deusen. Imposante 35 Meter ragen die Deusener „Eier“ in die Höhe. Sie haben ein Fassungsvermögen von je 11.000 Kubikmetern. Besonders markant wirken sie (auch tagsüber) vom Emscher-Weg im grünen Umfeld des renaturierten Emschertals.
Raumstation und Parfümflakon
Ein zweites Paar Faultürme steht in Scharnhorst in der Kläranlage des Lippeverbandes. Sie sind mit 25 Metern nicht ganz so hoch wie die in Deusen und fassen jeweils 4000 Kubikmeter.
Wenn die Deusener Türme in der Dunkelheit blau und grün leuchten, erinnern sie ein wenig an eine Raumschiffstation. „Zu Ostern verwandelt sie sich wiederum in überdimensionale Ostereier“, erklären Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) in einer launigen Pressemitteilung.
Und wenn die Nase nicht auf die Nähe zu den Kläranlagen hinweisen würde, könnten die Türme aus der Ferne gar an überdimensionale Parfümflakons erinnern. „Nun, Parfüm ist in diesen Behältern jedoch keineswegs zu finden, auch wenn dies das olfaktorische Erlebnis bestimmt wesentlich angenehmer gestalten könnte“, schreibt EGLV-Sprecher Ilias Abawi.

Der Form der Faultürme liegen wirtschaftliche Überlegungen zugrunde. Die ovale Bauweise ermöglicht eine effiziente Erhitzung und Umwälzung des in den Türmen befindlichen Klärschlamms, um den Faulprozess zu beschleunigen. Riesige Schraubenschaufler dienen dazu, eine Strömung von oben nach unten zu erzeugen. Das bei der Wasserreinigung entstehende Klärgas ist energiereich und wird in Blockheizkraftwerken genutzt.
Die Form der Eier erweist sich als praktisch, um Ablagerungen des Schlammes zu vermeiden und eine gleichmäßige Temperaturverteilung zu sichern. Dies lässt sich mit dem Rühren eines Kuchenteigs in einer runden Schüssel vergleichen – auch diese ist meist nicht eckig.
Darüber hinaus bietet die Ei-Form strukturelle Vorteile. Sie ist unempfindlich gegen Rissbildung bei Bergsenkungen, die in der Region in der Vergangenheit häufiger auftraten. Diese Bauweise ermöglicht daher die Konstruktion größerer und höherer Faultürme, ohne diese tief in den Boden einlassen zu müssen. Zusätzlich zu den Einsparungen bei Maschinen, wie dem Schaufler, führe dies zu weiteren Kostenvorteilen, erklären Emschergenossenschaft und Lippeverband.
„Emscherbrunnen“
Nicht zuletzt spielt auch die Optik eine Rolle. In den 1950er Jahren erlaubten es technische Fortschritte, Schalungen für die Ei-Form zu entwickeln und erfolgreich einzusetzen. Daher erfreute sich diese Bauweise großer Beliebtheit. Die Formwahl beim Bau neuer Faultürme zielt heute auch darauf ab, den massiven Eingriff in das Landschaftsbild zu mildern.
Der technische Hintergrund der Faultürme reicht bis an den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Der Ingenieur Dr. Karl Imhoff entwickelte für die 1899 gegründete Emschergenossenschaft den sogenannten „Emscherbrunnen“. Das Prinzip: Durch ein lang gestrecktes Becken floss das Schmutzwasser langsam. Schwebstoffe und Schlämme konnten sich absetzen und gelangten in einen unterhalb liegenden Schlammbrunnen.
Karl Imhoff experimentierte sowohl mit einer zylindrischen Form mit flachem Boden als auch mit einer Ei-Form. Beide befand er für gut. Zunächst entschied man sich für die einfacher zu bauende zylindrische Form. In den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts kam die Ei-Form dazu.

Die Kläranlage in Deusen nahm die Emschergenossenschaft erst im Jahr 1994 in Betrieb. Sie ist ein früher Bestandtteil des mittlerweile nahezu abgeschlossenen Emscher-Umbaus von einer Köttelbecke in einen naturnahen sauberen Fluss. Die Kläranlage reinigt das Abwasser von 140.000 Dortmunder Haushalten und mehr als die doppelte Menge Abwasser aus der Industrie.
Anfang April 2025 nahm die Emschergenossenschaft in Deusen eine vierte Klärstufe in Betrieb. Sie umfasst eine ganze Reihe verschiedener Optionen wie Ozonierung, Membranfiltration oder Aktivkohledosierung. Damit können Spurenstoffe wie Medikamentenreste und Pflanzenschutzmittel im Abwasser eliminiert werden. Das wiederum führt zu einer verbesserten Wasserqualität für Flora und Fauna.