Sie sei „keine Mutter, die für jeden Schnupfen, für jedes Hüsterken zum Arzt geht“. Und ihre Tochter? Romy (heute 13) sei ja nie krank gewesen, „bestimmt vier oder fünf Jahre lang nicht mehr“, erinnert sich Stefanie Globisch. Mitte August aber war das plötzlich anders.
Bauchschmerzen, die bis in den Rücken strahlen. Attacken, die immer wieder kommen. „Wenn sie schon weint vor Schmerzen, muss es ernst sein“, weiß die 45-Jährige aus Dortmund über ihre Tochter. Aber: Wohin zum Arzt?
Kinderarzt ist in Rente
Mittlerweile sei der alte Kinderarzt in Rente gegangen. Und als sie beim Nachfolger in der Praxis angerufen habe, sei die Antwort gewesen: Romy sei mittlerweile von der Liste gestrichen und man nehme keine neuen Patienten mehr auf.
„Das kann doch nicht sein“, dachte sich Stefanie Globisch und hing sich ans Telefon. „Ich habe mindestens 15 Kinderärzte angerufen, die für mich erreichbar sind hier in Dortmund.“ Die Antwort aber: Nein, wir sind voll.
„30 Kilometer Fahrt“
Eine Umfrage in einer Dortmunder Facebook-Gruppe lieferte der Mutter zwar viele Namen von Ärzten. Aber keine Lösung. Neugeborene würde man noch aufnehmen, hieß es auch dort, aber ältere Kinder so wie Romy nicht. Und genau das waren auch die Antworten, die Globisch bei ihren Anrufen erhielt.
Die Krankenkasse, die Kassenärztliche Vereinigung, die Rufnummer 116 117 - überall suchte die Mutter nach Hilfe. Allerdings vergeblich „Ein Kinderarzt in Dortmund? Sie müssen schon mit 30 Kilometer Fahrt rechnen“, habe es bei der geheißen, erinnert sich Globisch. Also ging sie mit Romy in die Kinderklinik, sogar zwei Mal.
In einer Praxis als Notfall
Ja, sie sei dort behandelt worden. Allerdings nicht so erfolgreich, dass sich bei Romy Besserung eingestellt habe. Stattdessen habe es geheißen: „Gehen Sie doch zu Ihrem Kinderarzt, eigentlich sind wir nicht zuständig.“ In eine Praxis in Dortmund durften Mutter und Tochter dann doch.
Das allerdings nur als Notfall, nicht als reguläre Neupatientin. Und auch dort ergab die Untersuchung des Blutes keine Diagnose. „Romy war jahrelang nicht krank“, ärgert sich Globisch, „das war wohl der Fehler. Ansonsten hätten wir ja noch einen Platz in einer Praxis.“

„Bedauerlich“, aber erlaubt
„Generell dürfen Ärzte – außer in Notfällen – Patienten ablehnen“, erklärt Daniel Müller, Sprecher der Kassenärztliche Vereinigung mit Blick auf die Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe. „Ein Grund für eine solche Entscheidung kann beispielsweise sein, dass die Kapazitäten der Praxis vorübergehend ausgeschöpft sind.“
Das sei natürlich „bedauerlich, aber je mehr Patienten ein Arzt beispielsweise über seine Praxiskapazitäten hinaus aufnimmt, desto weniger Zeit wird er auch für den einzelnen Patienten und seine Versorgung haben.“ Generell würde man es begrüßen, wenn sich Ärzte untereinander abstimmen würden und auch die Patienten unterstützen würden bei der Suche nach einer Praxis.
Eine Diagnose aus Hagen
Ein Anruf bei der 116 117 könne beispielsweise helfen, rät die Kassenärztliche Vereinigung. Globisch sagt, eine wirkliche Hilfe sei der Anruf dort nicht gewesen - zumindest für sie nicht. Irgendwann habe es einen Rückruf gegeben, den sie allerdings nicht annehmen konnte, weil sie auf der Arbeit gewesen sei und dort nicht permanent telefonieren könne.
Außerdem habe sie da schon eine Lösung gefunden, wenn auch eine sehr umständliche: Über einen Arbeitskollegen ihres Bruders habe sie eine Kinderärztin aus Hagen vermittelt bekommen. Dort sei sie nun gewesen. „Aber ich selbst habe keinen Führerschein.“ Sie sei also auf ihren Mann angewiesen oder müsse die Bahn nehmen.
Immerhin: Es deutet sich eine Diagnose an. Die möge eine weitere Behandlung nach sich ziehen - für Romy, die seit drei Wochen nicht mehr in die Schule kann, vielleicht auch für weitere Familienmitglieder. Dennoch: Die 45-Jährige ist froh, dass nun wenigstens wieder eine Kinderärztin hat.
Volle Stationen in der Kinderklinik: „Ungewöhnlich unruhiger Sommer“ gibt selbst dem Direktor Rätsel
Medikamentenmangel in Dortmund: Melanie Brück suchte verzweifelt Fiebermittel für ihren Säugling
Kinderärzte wollen nur noch in Ausnahmen Schüler-Atteste ausstellen: Extreme Krankheitswelle