Zwangs-Umzug von Dortmunds Wochenmarkt nervt Händler „Hier ist es eine Katastrophe“

Markthändler müssen auf Friedensplatz umziehen: „Finden das schlecht“
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Alle Jahre wieder wird auf dem Hansaplatz in der Dortmunder City zum Start des Weihnachtsmarktes der riesige Weihnachtsbaum aufgebaut. Der aus rund 1000 Fichten zusammengebastelte Baum ist der größte Weihnachtsbaum der Welt und weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.

Das Problem: Dort, wo das weihnachtliche Stadt-Wahrzeichen jährlich entsteht und dann von vielen Weihnachtsbuden umringt wird, findet den Rest des Jahres eigentlich der Dortmunder Wochenmarkt statt. Der muss für die Zeit des Weihnachtsmarktes vom Hansaplatz auf den Friedensplatz umziehen.

Der liegt zwar nur wenige hundert Meter vom Stammplatz entfernt, ist aber schlechter an die City angebunden. Wie finden es die Dortmunder Wochenmarkthändler, dass sie jährlich zur Weihnachtszeit ihren Platz räumen und umziehen müssen? Wir haben uns zur Markt-Premiere auf dem Friedensplatz am Mittwoch (9.11.) bei ihnen umgehört.

Fast die Hälfte weniger Umsatz

„Wir finden das wie jedes Jahr: schlecht“, sagt Marktsprecher Niels Schulte an seinem Obst- und Gemüsestand. Seit 20 Jahren sei die Situation die gleiche. Jedes Mal bedeute der Umzug Umsatzeinbußen von rund 30 bis 50 Prozent – „bei fast allen Händlern“.

„Das findet hier keiner gut“, ist der Tenor an einem Kartoffelstand ein paar Meter weiter der gleiche. Die Stammkunden würden zwar zum großen Teil kommen, Laufkundschaft gebe es aber kaum. Auch dort rechnet man mit rund 30 Prozent Umsatzeinbußen.

„Hier oben ist es eine Katastrophe“, sagt ein weiterer Markthändler und meint damit die etwas abgelegenere Lage des Friedensplatzes im Vergleich zum Hansaplatz. Der Weg zur City sei zu weit.

Halb so viele Kunden

Ein paar Meter weiter ist die Stimmung auch nicht wirklich besser. „Scheiße“ findet Herr Temiz, der ebenfalls einen Obst- und Gemüsestand hat, den temporären jährlichen Ortswechsel. „Wir haben hier schätzungsweise 50 Prozent weniger Kunden, keine Laufkundschaft“, sagt der 44-Jährige.

Markthändler Herr Temiz steht an seinem Obst- und Gemüsestand.
Herr Temiz hat an seinem Obst- und Gemüsestrand durch den Ortswechsel zum Friedensplatz schätzungsweise 50 Prozent weniger Kunden. © Philipp Thießen

Detlef Bothor-Oberstadt ist mit seinem Käsestand seit rund 25 Jahren auf dem Dortmunder Wochenmarkt vertreten. Zum gezwungenen Umzug sagt er: „Wir kennen das nicht anders, aber gegen die Schausteller auf dem Weihnachtsmarkt kommt man nicht an. Man resigniert.“

Auch er und seine Frau müssen Umsatzeinbußen hinnehmen, schätzungsweise von 20 bis 25 Prozent. „Viele Menschen kommen gar nicht hier hoch“, sagt er.

Markthändler Detlef Bothor-Oberstadt steht in seinem Käsewagen und schneidet ein Stück Käse.
„Viele Menschen kommen gar nicht hier hoch“, sagt Detlef Bothor-Oberstadt. © Philipp Thießen

„Jedes Jahr das gleiche: scheiße“, sagt auch der 55-jährige Thomas Evers, der auf dem Markt Wild und Geflügel verkauft. Umsatzeinbußen von 20 Prozent habe man mindestens, Laufkundschaft gebe es praktisch keine.

„Wir finden den Umzug richtig klasse“, sagt ein Blumenhändler – hier wird aber auch schnell klar, dass er das ironisch meint. „Nicht gut. Die Leute suchen uns“, sagt Sabrina Schulz, die am gleichen Blumenstand arbeitet.

Blumenhändlerin Sabrina Schulze steht am Blumenstand.
„Die Leute suchen uns“, sagt Blumenhändlerin Sabrina Schulze. © Philipp Thießen

Die 41-Jährige erzählt von weniger Laufkundschaft und davon, dass man sich im Vergleich zum normalen Standort am Hansaplatz deutlich habe verkleinern müssen – und zwar um zwei bis drei Meter in der Tiefe.

Kalter Wind weht durch Gasse

Während sie davon berichtet, lärmt im Hintergrund eine Baustelle und es zieht ein kalter Wind durch die Gasse, denn: Sie steht – wie ein paar andere Händler auch – nicht direkt auf dem Friedensplatz, sondern auf der Prinzenstraße, die diesen mit der Hansastraße verbindet. Wirklich in den Wochenmarkt eingebunden wirken die Stände dort nicht.

„Hierhin kommen deutlich weniger Leute, hinzu kommt die Sucherei“, erzählt eine Verkäuferin an einem Honigstand zurück auf dem Friedensplatz. Mit „Sucherei“ meint sie, dass sich viele Kunden erst einmal auf die Suche nach ihren Stammhändlern machen müssten.

Sie selbst seien mit einem Honigstand auf dem Weihnachtsmarkt vertreten und für diese Zeit dann auch nicht mehr auf dem Wochenmarkt. Deshalb seien sie vom Wechsel selbst nicht so betroffen. Den anderen Händlern gegenüber findet sie es aber unfair, dass diese jedes Jahr ihren angestammten Platz verlassen müssen.

Unverständnis bei Händlern

Mit dieser Meinung ist sie nicht alleine. Viele der befragten Händler verstehen nicht, weshalb sie immer wieder auf den Friedensplatz ausweichen müssen, warum nicht stattdessen der Weihnachtsmarkt dort stattfinde.

Ein wiederkehrendes Argument: Die Leute würden so oder so zum Weihnachtsmarkt kommen – beim Wochenmarkt sehe es anders aus. Dort sei man viel mehr auf die Laufkundschaft angewiesen. Vor allem älteren Stammkunden sei der Weg zu weit.

Einige sprechen darüber hinaus an, dass sie auch bei anderen Events wie „Dortmund à la carte“ weichen müssen. Auch im Falle solcher Veranstaltungen verstehe man nicht, weshalb für diese nicht der Friedensplatz infrage komme.

Auf dem Friedensplatz findet vor dem Rathaus bei bestem Wetter der Dortmunder Wochenmarkt statt.
Der Friedensplatz ist beim Wochenmarkt am Mittwoch (9.11.) nur zum Teil mit Ständen gefüllt. © Philipp Thießen

Stimmung getrübt

Beim Rundgang am Mittwoch bei bestem Wetter ist die Stimmung hingegen in der großen Mehrheit getrübt. Lediglich beim Wagen von Backbord erzählt Verkäuferin Elke Richwin, dass sich der Wechsel bei ihnen nicht so stark auf den Umsatz auswirke.

Ihre Erklärung: Man biete vor allem Bio-Produkte an und habe deswegen eine große Stammkundschaft, die auch zum Friedensplatz komme. Aber auch sie bemerkt die geringere Laufkundschaft und bemängelt den Wechselstress sowohl für Händler als auch für Kunden.

Zeitgleich zu unserem Marktbesuch am Mittwoch befindet sich der riesige Weihnachtsbaum auf dem Hansaplatz in der Finalisierungsphase. Die Lichterketten werden angebracht. Der Dortmunder Weihnachtsmarkts startet am 17. November.

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