Dortmunder Fleischerei schließt nach 60 Jahren „Wir werden noch weinen“

Fleischerei Eisenreich in Bodelschwingh schließt nach 60 Jahren
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Schock-Nachrichten kurz vor Ostern: Nach 60 Jahren gibt die Traditionsfleischerei Eisenreich in Dortmund-Bodelschwingh ihren Betrieb auf. 4500 Stammkunden kaufen wöchentlich bei ihr ein – im Geschäft am Freigrafenweg und vor allem auf den Wochenmärkten.

Der letzte Arbeitstag für Ralf Eisenreich und sein neunköpfiges Team wird der 30. Juni, ein Freitag, sein. Ende 2022 hat der Familienrat die schwere Entscheidung getroffen. Die Gründe sind wenig überraschend: Einmal mehr zwingen die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise ein erfolgreiches Unternehmen in die Knie.

„Ich müsste meine Preise so drastisch anheben, dass die Kunden nicht mehr kommen würden“, erzählt der 55-Jährige Fleischermeister. Der Gaspreis hätte sich für ihn fast verdoppelt, der Strompreis liege mittlerweile bei 110 Prozent. Mit den Supermarkt-Preisen könne er für seine regionalen Wurst- und Fleischwaren aus eigener Produktion nicht mehr mithalten. Der Schlachthof, bei dem Eisenreich sein Fleisch bezieht, sitzt in Recklinghausen.

„Bevor ich baden gehe und Insolvenz anmelden muss, mache ich jetzt einen sauberen Schnitt“, sagt Ralf Eisenreich. Neue Schulden aufzubauen, sei in seinem Alter keine Option mehr. Mittlerweile sei er mit der bevorstehenden Schließung im Reinen. „Am Anfang fiel es mir nicht leicht, darüber zu sprechen. Jetzt ist alles klar und alles gut“, sagt Ralf Eisenreich.

Weinende Kunden

Seine Frau Liane (54), die im Verkauf arbeitet und für ihr tägliches Frühstück genauso wie für ihren wöchentlichen Schnitzeltag bekannt ist, sieht dem Ende weniger locker entgegen: „Wir werden noch weinen“, ist sie sich sicher. Einige ihrer Kunden hätten das bereits getan. „Hier im Geschäft sind schon Tränen geflossen.“

Genauso groß wie die Enttäuschung sei aber auch das Verständnis innerhalb der Kundschaft, erzählt das Ehepaar. „Viele sagen, sie würden sich von den Preiserhöhungen nicht abschrecken lassen und weiter bei uns einkaufen, dann halt weniger“, so Ralf Eisenreich. „Doch damit ist uns auf Dauer leider auch nicht geholfen.“ Die Schließung sei alternativlos.

Ralf Eisenreich ist Inhaber der gleichnamigen Fleischerei in Bodelschwingh.
Ralf Eisenreich arbeitet 85 Stunden pro Woche. Nach der Schließung der Fleischerei kann er deshalb nicht die Hände in den Schoß legen. Er wird zukünftig als Lkw-Fahrer arbeiten. © Beate Dönnewald

Um sein Personal müsse er sich glücklicherweise keine Sorgen machen, so der Fleischermeister. „Alle Mitarbeiter können abzugsfrei in Rente gehen, ein Jahr früher als geplant.“ 2024 sei deshalb ohnehin Schluss gewesen. „Ich hätte ja kein neues Personal mehr gefunden“, so der Bodelschwingher Fleischermeister.

Ältester Mitarbeiter ist übrigens der Firmengründer Klaus Eisenreich. Mittlerweile 84-jährig lässt er es sich nicht nehmen, einmal pro Woche in der Produktion mitzuarbeiten. Vor genau 25 Jahren hatte er die Geschäftsleitung an seinen Sohn Ralf übergeben.

85 Arbeitsstunden pro Woche

Im Gegensatz zu seinem Team geht es für Ralf Eisenreich noch nicht in den Ruhestand. „Ich arbeite jetzt 85 Stunden pro Woche, ich würde krank werden, wenn ich nichts mehr zu tun hätte.“ Zwischen 1 und 2 Uhr nachts beginnt für ihn jeder Arbeitstag – sonntags erledigt er die Büroarbeit.

Zukünftig wird der 55-Jährige aber keine Fleischerschürze mehr tragen, denn er wechselt in eine andere Branche: „Ich werde als Lkw-Fahrer arbeiten.“ Auch seine Frau Liane wird sich ab dem Sommer täglich hinters Lenkrad setzen, um Geld zu verdienen. „Als Schulbus-Fahrerin“, verrät sie.

Der Berufswechsel habe also auch sein Gutes, sagt sie. Denn: „Wir werden endlich freie Wochenenden haben.“ Was aus ihrer Immobilie mit Geschäft und Produktionshalle werden wird, darüber wollen sie sich erst später Gedanken machen.

Nicht nur am Standort am Freigrafenweg wird die Fleischerei Eisenreich eine Lücke hinterlassen, sondern auch auf gleich sieben Wochenmärkten: in Lütgendortmund, Dorstfeld, Huckarde, Scharnhorst, Bochum-Werne, Bochum-Langendreer und Waltrop.

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