Geschäftsaufgabe

„Kleppingstraße ist eine Katastrophe geworden“: Traditionsgeschäft schließt für immer

Joachim Köllner und Iris Pape geben ihr edles Geschäft auf - nach 37 Jahren. Für viele Stammkunden ist das ein Schock. Als er über die Gründe spricht, läuft dem Besitzer sogar eine Träne über die Wange.

Dortmund

, 05.09.2022 / Lesedauer: 4 min

Die Kunden, die am Freitagmittag (2.9.) in das Geschäft kommen, wissen schon Bescheid. „Schade! Das kommt aber plötzlich", sagt ein Mann. Eine Frau meint: „Ganz Dortmund ist traurig." Sie sind sichtlich betroffen von der Nachricht, dass ein traditionsreicher Händler bald nicht mehr da sein wird.

Die Goldschmiede Köllner und Pape an der Kleppingstraße 41 in der Berswordthalle schließt für immer - nach 37 Jahren. Noch nicht jetzt, aber in einigen Monaten. Das Weihnachtsgeschäft werde man noch mitnehmen, sagt Joachim Köllner. Ihm und seiner Geschäftspartnerin Iris Pape gehört die Goldschmiede. Sie haben zuerst ihren Stammkunden Bescheid gegeben.

Postkarten und Zuschriften

Einige von ihnen kommen am Freitagmittag ins Geschäft. „Die Leute wissen natürlich, dass es unsere Produkte danach nie mehr geben wird“, erklärt Joachim Köllner. Viele seien Unikate aus der eigenen Manufaktur. Kunden, die beispielsweise in Frankfurt oder München leben, und nicht so kurzfristig vorbeikommen können, hätten sich schon gemeldet. „Wir haben viele liebe Postkarten und Zuschriften bekommen", erzählt Köllner.

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Es sei nicht so, dass das Geschäft nicht laufen würde. Im Gegenteil. „Wir sind super durch die Corona-Pandemie gekommen und hören auf unserem Höhepunkt auf“, sagt der Inhaber. Die Entscheidung habe man sich nicht leicht gemacht. Als er auf die Gründe zu sprechen kommt, läuft ihm eine Träne über die rechte Wange.

Einen Schlussstrich ziehen

„Die Kleppingstraße ist eine Katastrophe geworden", sagt Köllner. „Der inhabergeführte Einzelhandel stirbt hier aus." Iris Pape ergänzt, dass die Straße früher ein Ort für gehobenen Konsum gewesen sei. Das sei heute aber mitnichten so. Köllner: „Wenn es hier noch so wäre wie vor fünf Jahren, würde ich vielleicht weitermachen, bis ich 70 bin."

Die Goldschmiede Köllner und Papa von außen. Die Inhaber weisen bereits auf den Ausverkauf hin. © Tim Schulze

Er ist jetzt 67 Jahre alt. „Ein Alter, in dem die meisten schon in Rente sind", sagt er. Und irgendwann müsse man einen Schlussstrich ziehen. Das sei keine Ad hoc-Entscheidung gewesen. Aber der Zeitpunkt dafür sei jetzt gekommen: „Bevor es auf der Kleppingstraße noch schlechter wird."

Köllner bemängelt etwa das Gebäudemanagement in der Berswordthalle und im gegenüberliegenden DEW-Gebäude. Als die inhabergeführten Läden nach und nach aufgaben, habe man sich nicht um adäquate Nachfolger bemüht, kritisiert er.

Die Anfänge an der Hohen Straße

Seine Geschäftspartnerin Iris Pape ist 63 Jahre alt. „Wir haben die Entscheidung gemeinsam getroffen", betont sie. Nach einer Ellenbogenverletzung, die nun langsam ausheilt, wisse sie nicht, ob sie überhaupt noch einmal an der Werkbank sitzen könne. Die Goldschmiede beschäftigt einen Gesellen. „Er wird bis zum Ende bei uns bleiben. Das hat er versprochen, weil er hier so gerne arbeitet", sagt Pape.

Sie war Köllners erste Auszubildende, nachdem dieser sich 1985 selbstständig gemacht hatte. Damals waren Geschäft und Werkstatt noch an der Hohen Straße 6 auf insgesamt 22 Quadratmetern. Nach acht Jahren folgte ein Umzug innerhalb des Hauses in größere Räume. Doch das Umfeld an der Hohen Straße habe sich im Laufe der Zeit verschlechtert, sagt Köllner.

Der erste Mieter in der Berswordthalle

2002 zog die Goldschmiede in die Berswordthalle und war damals dort der erste Mieter. Heute betreue er Kunden, die bereits in der dritten Generation ins Geschäft kommen, erzählt Köllner. „Wir kennen die Anlässe der Schmuckgeschenke und nehmen dadurch am Leben der Kunden teil“, ergänzt Iris Pape. Daher rühre auch die teils enge Bindung. Die Einstellung der Inhaber zu ihrem Geschäft dürfte auch ein Faktor sein. „Wir sind absolute Idealisten", betont Köllner.

Entsprechend hoch seien die eigenen Ansprüche an Qualität. Köllner hat versucht, einen Nachfolger fürs Geschäft zu finden. „Das ist aber schwierig", sagt er. Einem Interessenten habe er abgesagt, der eine Goldschmiede unter dem Namen Köllner und Pape weiterführen wollte. „Der wollte nur den Namen kaufen.“ Eine Kontinuität mit derselben Qualität habe er dem Interessenten nicht zugetraut. „Dafür ist mir mein Name zu schade", sagt Köllner.

Zukunft in der Telefonseelsorge?

Iris Pape weiß noch nicht, was sie mit ihrer freien Zeit anstellen möchte, wenn es die Goldschmiede nicht mehr gibt. „Aber ich freue mich schon darauf, frei über meinen Tag verfügen zu können.“ Sie höre mit „einem lachenden und einem weinenden Auge" auf. „Wir waren ja sehr erfolgreich. Wir können aufhören, andere müssen das tun“, betont sie.

Joachim Köllner hat auch noch keine konkreten Pläne geschmiedet. Er interessiert sich sehr für Psychotherapie. „Für das Studium bin ich aber leider schon zu alt“, sagt er und lacht. „Ich könnte mir vielleicht vorstellen, in die Telefonseelsorge zu gehen."

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