Emre Gülec (r.), Vorsitzender der Ditib-Moschee-Gemeinde in Huckarde, schaut mit Halit Calik (52) aus dem Stadtteil in die Impf-Broschüre: Calik holte sich am Samstag seine Zweitimpfung mit dem Biontech-Impfstoff ab, nachdem ein Arzt in Witten ihm vor Wochen die erste Spritze verabreicht hatte.

© Tobias Weckenbrock

Dortmunder Moscheen wurden zu Impfzentren: „Gott hat mich geschickt“

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„Die Impflinge kommen nicht mehr zu uns. Jetzt gehen wir zu ihnen.“ Dr. Dilek Sahin lacht. Die Ärztin ist in Dortmunder Moscheen unterwegs, um dort Menschen gegen Sars-CoV-2 zu impfen.

Huckarde, Hörde

, 24.07.2021, 18:19 Uhr / Lesedauer: 3 min

Dortmund-Huckarde. Es ist Samstag, 14.30 Uhr. Noch ist es trocken und warm. Vor dem Eingang der Ditib-Moschee sitzen fünf Männer. Sie unterhalten sich in türkischer Sprache, sie sind gut gelaunt. Die Tür steht offen, ebenso wie die Tür an der Seite der Moschee im Kellergeschoss. Am Zaun vorn hängen Plakate: Covid-19-Impfung. Und ein Pfeil.

Er weist die Besucher in Richtung des Kellers, der ein Gemeindezentrum für die Moscheegemeinde ist. Am Geländer stehen Fahrräder. Ein deutsches Ehepaar mittleren Alters schließt sie auf und fährt davon. An der Seite steht Emre Gülec, Vorsitzender der Gemeinde und Mitglied des Dortmunder Integrationsrats.

Er spricht mit einer jungen Frau aus Oberhausen, die sich hingesetzt hat. Die Muslimin ruht sich aus. Sie hat sich gerade eine Spritze bei Dr. Dilek Sahin abgeholt: Biontech-Impfstoff war darin. Nun ist er in ihrem Körper und wird sie gegen Sars-CoV-2 weitgehend sicher immunisieren. Emre Gülec ist gut gelaunt.

Impfaktion in der Ditib-Moschee in Huckarde: Dutzende Menschen verschiedenster Herkunft und Religionen ließen sich von einer türkischstämmigen Ärztin und ihrer deutschen „Schwester Birgit“ gegen Corona immunisieren.

Impfaktion in der Ditib-Moschee in Huckarde: Dutzende Menschen verschiedenster Herkunft und Religionen ließen sich von einer türkischstämmigen Ärztin und ihrer deutschen „Schwester Birgit“ gegen Corona immunisieren. © Tobias Weckenbrock

„Schauen Sie“, sagt er, als wir mit ihm sprechen: „Wir haben deutsche Impflinge, Leute aus Kolumbien, türkische Muslime aus der Gemeinde, deren Freunde, vorhin hatten wir Polen hier: Wir impfen Menschen aus aller Herren Länder.“ Er lacht. Er strahlt hinter der FFP2-Maske. Er hat mit der Dr. Dilek Sahin, die für die Kassenärztliche Vereinigung oft im städtischen Impfzentrum auf dem Phoenix-Gelände gegen Corona impft, eine Impfaktion auf die Beine gestellt.

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Und immer muss man sich testen lassen...

Eine barrierefreie Aktion. Kein Termin, keine Anmeldung, einfach kommen, Impfstoff aussuchen, impfen lassen, kurz ruhen – fertig. Zwei junge Männer kommen aufs Gelände, einer aus Dortmund, einer aus Wuppertal. Türken. Sie arbeiten nachts als Gemüsehändler, sagt der eine. Aber immer müsste man sich testen lassen. Das wäre aufwändig, dazu habe er keine Lust mehr. Jetzt, sagt er, will der die Impfung mit Johnson & Johnson. 20 Minuten nur dauert das, dann sind sie fertig. Zwei Wochen noch, dann gilt er als durchgeimpft.

Dr. Dilek Sahin vom St. Johannes Hospital in Dortmund ist im Impfzentrum der Stadt auf Phoenix-West oft im Einsatz. Nun impfte sie in Moscheen in Hörde (Freitag) und Huckarde. Hier klärt sie Impflinge auf.

Dr. Dilek Sahin vom St. Johannes Hospital in Dortmund ist im Impfzentrum der Stadt auf Phoenix-West oft im Einsatz. Nun impfte sie in Moscheen in Hörde (Freitag) und Huckarde. Hier klärt sie Impflinge auf. © Tobias Weckenbrock

„Das geht hier richtig ab“, sagt Dilek Sahin, die an diesem Samstag die zweite Moschee besucht, um zu impfen. Am Freitag war sie schon in der neuen, der prachtvollen Ditib-Moschee in Hörde. 70 Impflinge kamen dorthin. Ebenso viele sind es am Ende des Samstags auch in Huckarde. „Dabei haben wir kaum Werbung gemacht. Aber die Leute sind hier, als allen möglichen Ländern – einfach super!“

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Gerade, als sie die beiden jungen Gemüsehändler aufgeklärt und ihre Kollegin, die sie Schwester Birgit nennt, die Männer geimpft hat, setzt sich eine ältere Frau mit Kopftuch vor ihr an den Tisch: „Meine Schwiegermutter“, sagt der Mann, der neben ihr sitzt. Sie ist etwa 80 Jahre alt, sie lässt sich impfen.

„Es gibt viele Verschwörungstheorien“

„Wenn die Impflinge nicht mehr kommen, gehen wir halt zu ihnen“, sagt Dilek Sahin. „Viele sind unsicher, gerade Frauen, auch viele ältere, die dringend Impfschutz brauchen.“ Emre Gülec meint: „Es gibt eine gewisse Skepsis, denn auch in der Türkei gibt es viele Verschwörungstheorien. Das ist ein Kommunikationsproblem. Aber wenn wir hier unsere Moschee öffnen, können wir die Skepsis nehmen. Uns schenken sie vertrauen. Und wir können sie in ihrer Sprache aufklären und bei den Formularen helfen. Mit uns können sie offen sprechen.“

Afrim Ibrahimi hat in seinem Impfpass einen neuen Aufkleber: Er bekam in der Moschee in Huckarde eine Corona-Impfung mit dem Impfstoff von Biontech.

Afrim Ibrahimi hat in seinem Impfpass einen neuen Aufkleber: Er bekam in der Moschee in Huckarde eine Corona-Impfung mit dem Impfstoff von Biontech. © Tobias Weckenbrock

Die Doppel-Aktion in zwei Moscheen mit weit über 100 Geimpften ist ein Erfolg. „Es sind auch Leute aus Castrop-Rauxel gekommen“, freut sich Gülec. „Wir müssen nun die Menschen erreichen, die noch ein Fragezeichen im Kopf haben.“

Das hatte Afrim Ibrahimi (52), der Serbe, nicht. Er erzählt, er sei Gebäudereiniger bei der Feuerwehr in Eichlinghofen, hätte dort auch schon eine Impfung mit Astrazeneca bekommen können. Aber er wollte noch bis September warten. Dann kam er am Samstag zum Beten her und sah die Schilder. „Gott hat mich geschickt. Er sagte, ich solle mich impfen lassen“, sagt Ibrahimi und lacht. „Und deine Frau?“, fragt ihn Emre Gülec. „Die ist zu Hause“, sagt er. „Ist aber auch krank.“

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Es gibt noch die, die zu Hause sind. Und die, jetzt im Heimaturlaub seien, so Emre Gülec. All die müsse man auch noch erreichen, findet er. „Ich hatte im Mai bei der Stadt einen Antrag gestellt, um so eine Aktion machen zu dürfen. Aber ich habe bis Freitag keine Antwort bekommen“, erzählt er. Stattdessen half dem engagierten Huckarde sein Netzwerk. Hier insbesondere Dilek Sahin.

Weitere Aktion im Herbst angedacht

„Vielleicht“, sagt Gülec, der selbst schon seit Wochen geimpft sei, „machen wir nach der Sommerpause noch eine konzertiere Aktion mit vielen weiteren Moscheen“, sagt er. Mengede, Eving, Hombruch, Scharnhorst zählt er auf. „Ich habe auch Familien überzeugt, die bisher nicht zur Impfung wollten...“

Das begeistert Dilek Sahin. Sie lacht, sie hat wieder über 100 Menschen immunisiert. Auch Saeed Almasri (32), der arabisch spricht, hat ihr dabei ehrenamtlich geholfen. „Ich will nicht, dass wir wieder alles schließen müssen“, sagt er. „Darum helfe ich gern.“ Am Sonntag dann wieder beim Abschlusstag des Kirmes-Parks „Fredolino“.