Es kostet bares Geld, aber der Martener Dachdecker Burmann/Weller hat in dieser Woche die Arbeit eingestellt. Ohne zu wissen, wie er das bezahlen soll und wie es weitergeht. Ein Interview.

Marten

, 18.03.2020, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Peter Burmann ist technischer Betriebsleiter der Bedachungen Burmann/Weller aus Marten. Das Unternehmen gibt es seit 1926. Eine Zeit wie diese hat die Firma, die in der 3. Generation als Familienunternehmen geführt wird, noch nicht erlebt. Wir sprachen mit Burmann darüber, wie ein Handwerksunternehmen mit 35 Angestellten mit der Corona-Krise umgeht. Er hat einen besonderen Weg für sich gefunden.

Herr Burmann, ruhen Ihre Baustellen?

Klares Jein: Wir haben die Problematik der Übertragungsgefahr wie jeder andere Mensch auch. Wenn wir draußen arbeiten, sind natürlich eigentlich Arbeiten noch gut möglich. Aber Dachdecker sind auf Teamarbeit angewiesen – mindestens zu zweit ist man auf einer Baustelle unterwegs. Die Mitarbeiter sitzen dann zu zweit im Auto. Da fängt es schon an, dass man den Sicherheitsabstand von zwei Metern nicht einhalten kann. Bei einer größeren Kolonne zu sechst oder siebt ist das noch schwieriger. An der Baustelle gibt es nur ein paar Arbeiten, die einer allein ausführen kann. Meist braucht man jemanden für Handreichungen. Wir können den Abstand also kaum einhalten.

Was bedeutet das für den Dachdecker-Betrieb?

Ich habe mich mit meinem Schwager (Mit-Geschäftsführer Oliver Weller, d. Red.) am Wochenende lange darüber ausgetauscht. Wir haben entschieden, dass wir den Betrieb für eine Woche ruhen lassen. Wir haben Sonntagabend unsere Mitarbeiter informiert und das vor allem mit dem Sicherheitsabstand begründet. Ich weiß, dass sie sehr froh waren, dass wir uns Gedanken um ihre Gesundheit und die ihrer Familien machen. Bei uns im Büro sind ohnehin gerade zwei Leute krankheitsbedingt nicht da. Darum ist auch die Telefonzentrale nicht besetzt. Es läuft eine Bandansage. Im Notfall erreichen Kunden mich über meine Handynummer. Ab Mittwoch (18.3.) sind wir aber wieder zwischen 10 und 13 Uhr telefonisch zu erreichen.

Peter Daniel Burmann (37) hat mit seinem Unternehmen vorgegriffen: Nur noch eine ganz dringende Baustelle hat er in dieser Woche gemacht. Ansonsten ist Baustopp zum Schutz der Mitarbeiter. Das finanzielle Risiko nimmt er in Kauf.

Peter Daniel Burmann (37) hat mit seinem Unternehmen vorgegriffen: Nur noch eine ganz dringende Baustelle hat er in dieser Woche gemacht. Ansonsten ist Baustopp zum Schutz der Mitarbeiter. Das finanzielle Risiko nimmt er in Kauf. © Burmann

Auf dem Band heißt es: „Aufträge nehmen wir weiterhin entgegen, dazu gibt es ein Formular auf unserer Internetseite. Wann wir sie ausführen können, wissen wir aber noch nicht.“ Ganz schön offen für einen Unternehmer. Wie regeln Sie das denn intern?

Wir haben heute eine kleine Ausnahme gemacht: Wir haben noch eine Baustelle besetzt. Jeder ist mit seinem Auto selbst hingefahren, wir haben uns nicht vorher am Lager getroffen. Der Grund ist: Unsere Leistungen waren für den Fortgang der Baustelle dringend erforderlich.

Aber man muss ja eine Regelung finden, wie das mit den Gehältern läuft. Wie lautet die?

Wir wissen noch nicht, wie wir das mit den Mitarbeitern regeln. Wir haben die Entscheidung, zu schließen, erst einmal so gefällt, ohne den Kostengedanken. Der Gesundheitsgedanke steht für uns im Vordergrund, auch die Gesundheit der Familienangehörigen. Wir müssen sehen, dass sich nicht mehr Leute anstecken als nötig.

Haben Sie denn selbst Angst vor Ansteckung?

Ich bin 37 Jahre alt, Nichtraucher, ich gehöre eigentlich nicht in die Risikogruppe und komme aus der Krankheit sicher gut raus, wenn ich sie bekomme. Darum ist das für mich persönlich kein Problem. Aber meine Verlobte hat eine Vorerkrankung, da passe ich nun besonders auf. Und meine größte Sorge gilt den Eltern und meinen Schwiegereltern. Wir haben keinen persönlichen Kontakt mehr, nur noch per Telefon.

Zurück zum Unternehmen: Wie lange können Sie das denn durchhalten?

Wir sind auf keinen Fall auf dem Höhepunkt der Krise. Wir haben ja nun den ersten Dortmunder Infektions-Fall, bei dem die Infektionskette nicht mehr nachzuvollziehen ist. Man kann also nicht mehr einkreisen, wer in Quarantäne muss und wer nicht. Das wird jetzt kritisch. Die Zahl der Infizierten kann jetzt schnell exponentiell ansteigen bei uns.

Wie können Sie Ihr Unternehmen da weiter am Laufen halten?

Klar ist: Die Fixkosten wie Steuern, Krankenkassen, Versicherungen usw. laufen weiter – da geht jeden Monat viel Geld raus. Ob oder wann jemand die Lohnkosten erstattet oder wir eine Unterstützung bekommen, ist noch nicht klar. Fest steht: Wir sind in jedem Fall auf Hilfe angewiesen, da hat man keinen großen Spielraum. Der Zeitraum ist überschaubar, wie lange das gut geht.

Wie reagieren Ihre Kunden?

Die kann ich bisher nur loben. Wir haben sie angerufen und abgesagt. Alle haben das bisher gut aufgefasst, viele sagen sogar: Gut, dass Sie anrufen, ich hatte das selbst auch schon vor.

Und die Handwerksunternehmen in Ihrem Umfeld? Man tauscht sich ja sicher untereinander aus. Was sagen die zu Ihrer Haltung und Ihrer Entscheidung?

Eigentlich herrscht überall Ratlosigkeit. Wir sind die einzigen in der Umgebung, glaube ich, die gesagt haben: Wir machen zu. Einige sagen mir, sie würden es auch gern machen, aber könnten keine Vertragsstrafen oder ähnliches riskieren. Ich glaube, es würden mehr Kollegen so handeln wie wir, aber die Hände sind ihnen ja gebunden. Das Kurzarbeitergeld greift nicht, wenn ich selbst sage: Ich mache nichts mehr. Nur, wenn die Behörde den Laden zumacht, dann geht das.

Das muss man also können und wollen…

Ja, vielleicht hat man hinterher Glück und man wird belohnt für so eine Entscheidung. Aber wenn nicht, dann wäre es halt so. Das ist unser unternehmerisches Risiko. Wir müssen gucken, wie es sich entwickelt, aber ich gehe davon aus, dass wir bald verdonnert werden, zu schließen. Home Office können wir ja nicht machen.

Wie geht es weiter?

Bis Mittwoch machen wir noch die eine Baustelle mit acht Leuten fertig. Ab Donnerstag ist Ruhe. Und zum Wochenende überlegen wir neu, wie es in der nächsten Woche weitergeht.