
© Dieter Menne
Dortmunder bewerten öffentliche Toiletten schlechter als die Sicherheit in der Nordstadt
Öffentliche Toiletten
An den öffentlichen Toiletten in Dortmund gibt es massive Kritik. Ehrenamtler gehen jetzt in die Offensive. Problem: Die öffentlichen Toiletten sind keine Pflichtaufgabe der Stadt.
Öffentliche Toiletten sind wunderbare Orte. Das weiß jeder, der mal auf eine verzichten musste, als er sie dringend gebraucht hat. Nun ist aber wie in vielen Zusammenhängen auch beim Toilettengang die Definition von „dringend“ überaus subjektiv. Anscheinend auch in der Dortmunder Politik.
„Wenn Sie das Thema Toiletten in der Politik ansprechen, ist das immer noch so, dass Leute in die Ecke gucken“, sagt Christiane Vollmer, Behindertenbeauftragte der Stadt Dortmund. Das Behindertenpolitische Netzwerk und der Seniorenbeirat setzten sich gemeinsam dafür ein, das zu ändern. Sie wollen, dass die Versorgung mit öffentlichen Toiletten in Dortmund verbessert und politisch zu einer Selbstverständlichkeit wird. Und – das direkt am Anfang zu betonen, scheint notwendig – das Thema betrifft nicht nur Menschen mit Behinderung und Senioren.
Der große Gleichmacher
„Für viele ältere Menschen steht und fällt die Entscheidung, eine Veranstaltung zu besuchen oder einen Spaziergang zu machen damit, ob dort sanitäre Anlagen vorhanden sind“, sagt Reinhard Preuss vom Seniorenbeirat.
Auch wer Kinder hat, wird wahrscheinlich wissen, wie plötzlich ein Bedürfnis dringend werden kann – vor allem, wenn gerade keine öffentliche Toilette in der Nähe ist. Und wer Medikamente nimmt, die sich auf die Kontrolle der Blase auswirken, oder eine chronische Darmerkrankung hat, auch. Dass öffentliche Toiletten barrierefrei – also auch für Menschen mit Krücken, Rollator, Rollstuhl oder Kinderwagen zugänglich – sein sollten, versteht sich eigentlich von selbst.
Quell der Unzufriedenheit
In einer Befragung der Stadt schnitten die öffentlichen Toiletten bei der Zufriedenheits-Bewertung am schlechtesten ab. So gerade noch „ausreichend“, gemessen auf einer Schulnotenskala und damit schlechter als zum Beispiel das Sicherheitsgefühl der Nordstadtbewohner. Sicherheit in der Nordstadt, das ist immerhin – zu recht oder unrecht – das notorische Problemthema, das zu lösen sogar Innenminister nach Dortmund kommen.
In Dortmund gibt es neben Toiletten in Geschäften und Lokalen, auf Friedhöfen oder an Kirchen auch die öffentlichen City-Toiletten der Firma Wall. Sie sind laut den Ehrenamtlern die einzigen, die rund um die Uhr an allen Tagen öffentlich zugänglich sind. Der Vertrag zwischen Wall und der Stadt läuft 2020 aus und muss neu ausgeschrieben werden. Deshalb sind viele der konkreten Entscheidungen zu Dortmunds öffentlichen Toiletten gerade im Schwange. Den Ehrenamtlern geht es aber ohnehin um Grundsätzliches.
Drei Vorschläge an den Rat
In einem Vorschlag an den Stadtrat fordern sie, dass öffentliche Toiletten als Teil der Daseinsvorsorge anerkannt werden – und damit zur Pflichtaufgabe der Verwaltung werden. Das könnte allerdings schwierig werden. Denn schon 2017 hat das Oberverwaltungsgericht Münster letztinstanzlich entschieden, dass eine Kommune (in dem Fall Essen) eben nicht dazu verpflichtet werden kann, öffentliche Toiletten aufzustellen. „Wichtig ist das Signal, die Begrifflichkeit kann man vermeiden“, sagt Christiane Vollmer.
In einem weiteren Vorschlag fordern der Seniorenbeirat und das Behindertenpolitische Netzwerk, dass in öffentlichen Gebäuden sowie neuen Restaurants, Hotels, Supermärkten und Einkaufszentren der Einbau von barrierefreien Toiletten obligatorisch wird. Konkret: Wer einen neuen Supermarkt bauen will und keine barrierefrei Toilette einplant, soll keine Genehmigung bekommen.
Und in einem dritten Vorschlag fordern die Ehrenamtler, dass bei der anstehenden Neuausschreibung Qualität und Quantität der aktuellen City-Toiletten mindestens gleich bleiben. Was die Quantität angeht, bedeutet das übrigens: Pro Stadtbezirk mindestens eine öffentliche Toilette. In manchen Stadtbezirken wie zum Beispiel der City sind es deutlich mehr. Wer aber in Kirchlinde eine öffentliche Toilette sucht, findet die laut einer Karte der Stadt etwa 10 Autominuten weiter in Huckarde.
Im Rat fanden die Vorschläge am Donnerstag (5.7.) immerhin Beifall. Eine inhaltliche Auseinandersetzung damit gab es aber zu schon vorgerückter Stunde vorerst nicht. Die Vorschläge wurden an den zuständigen Ausschuss verwiesen. „Immerhin hat sich auch niemand dagegen ausgesprochen, sagt Friedrich-Wilhelm Herkelmann, Vorsitzender des Behindertenpolitischen Netzwerks.
Sechsstellige Summen
Toilettensanierungen seien gestartet worden, heißt es auf Nachfrage nach der schlechten Bürgerbewertung bei der Stadt. Und man verweist auf das Projekt „Nette Toilette“. Dabei bieten zum Beispiel Gastronomen ihre Toiletten als öffentlich an, und bekommen dafür eine Förderung. Es wurde vor einigen Jahren in Hörde ins Leben gerufen, weil es dort über Jahre keine einzige öffentliche Toilette gab.
Nun gibt es gute Gründe dafür, dass öffentliche Toiletten in Dortmund eher rar gesät sind. Sie aufzustellen, kostet laut den Ehrenamtlern zwischen 120.000 und 140.000 Euro. Fortlaufende Wartung und Reinigung kommen noch hinzu. Und Reparaturen wegen Vandalismus auch. Wohl auch deshalb und wegen der anstehenden Neuausschreibung werden die Forderungen des Seniorenbeirats und des Behindertenpolitischen Netzwerks nicht drastischer. Aber ernsthaft über Toiletten zu reden, das wäre für sie ein wichtiger Anfang.
Geboren in Dortmund. Als Journalist gearbeitet in Köln, Hamburg und Brüssel - und jetzt wieder in Dortmund. Immer mit dem Ziel, Zusammenhänge verständlich zu machen, aus der Überzeugung heraus, dass die Welt nicht einfacher wird, wenn man sie einfacher darstellt.
