Im März 2023 kam der Schock: Der angeschlagene Galeria-Konzern veröffentlichte im Zuge des Insolvenzverfahrens seine bundesweite Schließungsliste, auf der auch das Dortmunder Karstadt-Haus stand. Im Mai dann die Kehrtwende: In Verhandlungen mit dem Immobilien-Eigentümer war es Karstadt gelungen, die Miete zu drücken – das Haus war gerettet. Vorerst. Aber schon damals gab es viele Stimmen aus Politik und Handel, die vor einem bloßen „Weiter so“ warnten. Auch die Betriebsräte mahnten eindringlich und mehrfach ein „neues Konzept“ für das Warenhaus an.
Sonderlich viel hat sich seitdem aber nicht getan. „Unsere Chefetage hat zwar angekündigt, dass mehr regionale Waren angeboten werden sollen und die einzelnen Häuser mehr Einfluss auf das Sortiment nehmen können“, sagt Joffrey Kallweit, Betriebsratsvorsitzender im Karstadt-Haus am Westenhellweg. „Nur: Bislang merken wir nichts davon“, so Kallweit. Wenn, müssten die Veränderungen jetzt schnell kommen, mahnt der Betriebsrat.
Mit seiner Forderung steht er nicht allein. Auch in Politik und Handel wird die weitere Entwicklung aufmerksam beobachtet. „Die Frage ist, ob Karstadt bereit ist, Geld in die Hand zu nehmen“, sagt beispielsweise Tobias Heitmann, Vorsitzender der im City Ring vereinigten Kaufleute. Auch bei Ratsvertretern sind die Befürchtungen nicht kleiner geworden: Wenn sich jetzt nichts ändere, werde Karstadt in zwei Jahren möglicherweise genauso weit sein wie im März 2023, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
Den "Plan B" im Hinterkopf
Weshalb bei einigen Politikern bis heute jener „Plan B“ präsent ist, den die Akteure während der Wackelphase zwischen März und Mai erwogen hatten: Damals war überlegt worden, unter Beteiligung der Stadt (bzw. ihr nahestehender Einrichtungen) ein Konsortium aus Dortmunder Baufirmen und Immobilieneigentümern zu gründen, das die Immobilie im Falle einer Schließung übernommen hätte.
Kritisch sieht Verdi-Sekretär Rainer Kajewski aktuell vor allem die Personalfrage bei Karstadt: „Es gibt immer noch Mitarbeiter, die kündigen und in neue Jobs wechseln“, sagt Kajewski. „Was macht der Konzern, um seine Leute zu halten?“, fragt der Gewerkschafter. Zu wenig, fürchtet Betriebsrat Kallweit. Zumal auch die Tarifverhandlungen festgefahren seien.
Nach grober Rechnung von Kallweit haben rund 35 Beschäftigte das Haus seit der Insolvenz verlassen. „Ersatz haben wir bislang nicht“, sagt Kallweit. „Wir gehen nach wie vor auf dem Zahnfleisch.“
Die Lage ist auch den Akteuren des Runden Tisches unter Vorsitz von OB Westphal nicht verborgen geblieben. Das Dortmunder Gremium, das bereits bei der Karstadt-Insolvenz 2020 zur Rettung des Hauses gegründet worden war, ist noch immer in Amt und Würden - und hat den Forderungen jetzt in einem „Brandbrief“ an die Karstadt-Bosse nochmals Nachdruck verliehen.
Die Adressaten sind Olivier Van den Bossche, Vorsitzender der Geschäftsführung, und sein Mitstreiter, Karstadt-Geschäftsführer Guido Mager.
Forderung nach mehr Personal
Ein „Weiter so wie bisher“ könne es nicht geben, heißt in dem knapp zweiseitigen Schreiben. Genau wie Shopping-Center müssten sich auch Warenhäuser verändern. Dazu gehöre beispielsweise, kleine kreative Einzelhändler ins Haus zu holen und „Live-Style-Konzepte“ mit handverlesenen Angeboten zu installieren.
Zudem bedürfe es eines „auf den Standort zugeschnittenen Sortiments- und Marken-Mixes, der nicht mehr alle und jeden“ bediene, sondern definierte Zielgruppen anspreche.

„Vielfalt, Regionalität, Warenerlebnis“ werden dabei als Stichworte aufgeführt. Neben reichlich Lyrik wie („Die Schaffung eines Ortes, an dem man sich gerne trifft“) enthält das Schreiben auch die verklausulierte Forderung nach mehr Personal: Gefragt sei ein Haus, dessen Mitarbeiter „keine Zukunftsängste mehr haben müssen und die nicht mehr allein für weite Teile der Flächen verantwortlich sind“, wie in dem Brief ausgeführt wird.
Dazu bedürfe es „Investitionen in diese Themen und ein beherztes Anpacken“, formulieren die Mitglieder des Runden Tisches. Der Brief gipfelt in einer Einladung an die Karstadt-Chefs bzw. an deren Vertreter, sich in Dortmund blicken zu lassen und an den Treffen des Runden Tisches teilzunehmen. Ziel sei es, "gemeinschaftlich an der Weiterentwicklung des Warenhauses zu arbeiten“, wie es heißt. Ob die Einladung angenommen wird, bleibt offen: Von Karstadt in Essen war am Dienstag (25.7.) bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu erhalten.
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