Als Patrice Steinke den großen Hebel herunterdrückt und die Edelstahl-Tür aufschwingt, wird schnell klar, dass es keine gute Idee war, den Mantel oben zu lassen: Ein Schwall kalter Luft wabert aus dem dahinterliegenden Raum heraus. Schon nach dem ersten Schritt über die Schwelle bekommt man Gänsehaut. Doch das Frieren lohnt sich.
Denn hier, in dem auf 4 Grad heruntergekühlten Raum drei Stockwerke unterhalb der Dortmunder City, schlummert das flüssige Kapital der Hövels-Hausbrauerei: Tausende Liter frisch gebrautes Bier. Und Patrice Steinke hat das passende Werkzeug, mit dem man es probieren kann.
48 Stufen unterhalb des gemütlichen holzvertäfelten Gastraums des „Hövels“ am Hohen Wall wird seit 1893 das gleichnamige Bier produziert. Jedoch nicht die Version, die man im Supermarkt kaufen kann - die kommt aus der Großbrauerei an der Steigerstraße in der Nordstadt. Das Bier aus dem Keller unter dem südlichen Schlussstück der heutigen Thier-Galerie gibt es nur in der Hausbrauerei und in Teilen im „Wenkers“ am Markt zu trinken.
Patrice Steinke kennt sowohl die „Hövels“-Supermarktversion als auch jene aus der Hausbrauerei gut: Seit knapp 20 Jahren arbeitet der gelernte Restaurantfachmann in Gastro-Betrieben der Dortmunder Brauereien, zuerst am Standort Steigerstraße, jetzt in der Hausbrauerei. Deswegen gehört er zu dem Team, das interessierte Gäste durch die Hausbrauerei führt.
Hövels bietet Besichtigungen in seiner Hausbrauerei an. Sie dauern 45 Minuten und kosten 15 Euro pro Person, ein frisch gezapftes Bier ist inbegriffen. Die Gruppe muss mindestens sechs Personen groß sein. Anmeldung telefonisch unter 0231/9145470 oder per Mail an info@hoevels-hausbrauerei.de.
„Hier ist mehr Handwerk“, sagt Steinke, wenn er den Hauptunterschied zwischen den beiden Brauereien erklären soll. „In der Steigerstraße ist es industrieller, läuft alles per Computer und Maschinen.“
Das liege in der Natur der Sache: Schließlich würden in der Hauptbrauerei in der Nordstadt rund 150.000 Flaschen pro Stunde abgefüllt, während in der Hausbrauerei nur wenige Tausend Liter wortwörtlich für den Hausgebrauch produziert werden.

Das Hausbrauerei-Bier - es gibt immer drei Sorten: das normale Hövels, das Zwickel und ein wechselndes Saisonbier - wird von drei Brauern hergestellt, in Handarbeit. Jede Charge des Hausbrauerei-Hövels sei einzigartig, erklärt Steinke: „Ich schmecke heraus, wenn unterschiedliche Brauer am Werk waren, besonders bei den Saisonbieren.“
Der Arbeitsplatz der Brauer ist zweigeteilt. Die meiste Zeit verbringen sie im Erdgeschoss, hinter dem Gastraum. Das heimelige Zimmer, das in warmen Holztönen gehalten ist (und das durch zwei große Fenster auch vom Gastraum aus zu sehen ist), wird dominiert von zwei mächtigen Kesseln: dem Maischbottich und der Sudpfanne, deren polierte Kupferhauben im warmen indirekten Licht glänzen.
In ihnen vermischen die Brauer das geschrotete Malz (beim „Hövels Original“ kommen zum Beispiel vier unterschiedliche Sorten zum Einsatz) mit Wasser zur sogenannten Maische.

Nachdem das Gemisch durch das so genannte „Läutern“ von seinen festen Bestandteilen getrennt, mit Hopfen gekocht und gefiltert wurde, wird das werdende Bier in den Keller gepumpt. Um ihm zu folgen, geht es durch ein enges Treppenhaus, das auch einem Luftschutzbunker gut zu Gesicht stehen würde, in die Tiefe.
Hier, rund 9 Meter unter der Erde, wirkt die Brauerei ganz anders: Das Untergeschoss verströmt mit seinen grellen Neonröhren und weiß gekachelten Wänden eher die Atmosphäre eines nüchternen Schlachtbetriebes. Die leicht gruselige Szenerie wird verstärkt durch das regelmäßige schrille Pfeifen, mit dem Gas aus einem Ventil entweicht.

Das Gas stammt aus den sechs großen Edelstahl-Tanks, die zusammen knapp 3000 Liter fassen können und in denen das werdende Bier eine Woche lang gärt. Dort wandelt extra hinzugegebene Hefe den Zucker des Malzgemisches in Alkohol und Kohlensäure um.
Anschließend wird das nun „Jungbier“ genannte Gemisch in den Nebenraum gepumpt, in große Lagertanks. Dort lagert es mindestens vier Wochen, während derer letzte Hefereste und Eiweiß-Gerbstoffe absinken. Um den Inhalt der unterschiedlichen Tanks zu kontrollieren, gibt es kleine spiralförmige Abfüll-Apparaturen.
Junges Hövels schmeckt cremig
Für sie hat Steinke einen Schlüssel. Eine Drehung und schon strömt trübes, unfiltriertes Bier in das mitgebrachte Hövels-Glas - frischer als hier kann ein Bier kaum sein. Wir probieren: Es schmeckt malzig, satt und cremig.
Das „Hövels Original“ wird anschließend gefiltert. Das Zwickel und die Saisonbiere landen nach der Lagerung hingegen direkt in den Tanks unterhalb der Theke der Hausbrauerei, die mit der Zapfanlage verbunden sind.
Während das Original und das Zwickel beständig nachproduziert werden, kann es durchaus vorkommen, dass die Saisonbiere ausverkauft sind. Wenn die Menge leergetrunken ist, müssen die Hövels-Fans ein Jahr auf die Neuauflage warten. Denn dann sind die Brauer schon mit dem nächsten Saisonbier beschäftigt. Handarbeit eben.
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