Es dauerte und dauerte. NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) auf dem Podium wollte gar nicht aufhören zu reden. Während Katrin Lögering unten im Kreis der Zuhörer immer nervöser und aufgeregter wurde. Die Minuten zerrannen, und der Zeitplan für den Grünen-Neujahrsempfang an der Hansastraße am Sonntag (9.2.) war längst aus den Fugen geraten, als sich die Veranstaltung im domicil an der Hansastraße schließlich ihrem Höhepunkt näherte - und ihre Parteifreunde aus dem Vorstand erklärten, worauf alle gewartet hatten: Katrin Lögering soll Grünen-Kandidatin für die OB-Wahl am 14. September werden! Begleitet vom Applaus der Zuhörer spurtete Lögering Richtung Podium und hielt eine kurze Rede.

Die Bewerbung ums höchste Amt der Stadt, die am Samstag (1.3.) von der Grünen-Mitgliederversammlung offiziell bestätigt werden dürfte, ist ein weiterer Meilenstein in der politischen Karriere der 35-Jährigen. „Ich habe mich mit dieser Frage immer beschäftigt, ob ich die richtige bin, wenn alle Stricke reißen", sagt sie über ihre Kandidatur. "Frauen müssen vor dem Schritt in die Öffentlichkeit viele Entscheidungen treffen, das hat mich sehr beschäftigt", sagt sie.
Lögering hätte es gern gesehen, wenn BVB-Akteur Jan Henrik Gruszecki, Leiter der Stabsstelle Strategie & Kultur bei Borussia Dortmund, für die Grünen angetreten wäre. Er und Lögering kennen sich gut. Seine OB-Kandidatur, am besten für Grüne und CDU zusammen, das wäre ihr „politischer Coup“ gewesen, den sie gern eingefädelt hätte. Doch die CDU wollte nicht, und später winkte auch Gruszecki ab. Nun steht Katrin Lögering für die Grünen selber auf dem Treppchen.
FDP als politische Heimat?
Ausgerechnet sie, die in der rund 10.000 Einwohner kleinen Gemeinde Twist bei Meppen im Emsland „in einem völlig unpolitischen Elternhaus aufgewachsen ist“, wie sie sagt. „Zuhause am Tisch drehte es sich höchstens um Themen wie etwa, ob der Nachbar den Rasen gemäht hat.“ Ihr Elternhaus war klassisches Arbeitermilieu, erzählt sie. Der Vater war Maurer, arbeitete sich zum Bauleiter hoch, die Mutter arbeitete im Einzelhandel.
„Ich weiß bis heute nicht, was meine Eltern wählen“, sagt Katrin Lögering. In Erinnerung geblieben sind ihr die ausgedehnten Spaziergänge mit ihrem Opa durch die Wälder. „Ich kann mehrere Vogelarten am Gesang erkennen und Bäume identifizieren“, sagt sie und schmunzelt etwas verlegen. Vom Politikbetrieb war sie da noch meilenweit entfernt. Aber als sie mit der Zeit sah, wie Bäume kahler und kahler wurden, die Biodiversität im Hochmoor weiter zurückging und immer häufiger der Keller ihrer Eltern wegen Hochwasser leergepumpt werden musste, da beschlich sie das unbestimmte Gefühl: "Da kommt ein Thema auf uns zu."
Dass der Weg zur politischen Selbstfindung mitunter Irrungen und Wirrungen bereithält, merkte sie ab 2009 nach ihrem Umzug nach Dortmund. Das Arbeiterkind Katrin Lögering, inzwischen Studentin der Chemischen Biologie an der Uni Dortmund, schloss sich nicht etwa der SPD an. Sondern der FDP. Dort merkte sie schnell, „dass vom links-liberalen Geist der FDP der 70er-Jahre mit dem Engagagement für Freiheits- und Bürgerrechte, wie ich sie mir vorgestellt hatte, wenig geblieben war." Und dann sie - als junge Frau in einer FDP, die, wie sie fand, „von Männern dominiert wurde“. Das passte nicht. Lögering trat wieder aus.
"Sie weiß, wo sie hinwill"
Es sollte 2018 werden, bis sie ihre politische Heimat bei den Dortmunder Grünen fand. Der Weg dorthin führte zuvor über ihre Arbeit in der studentischen Selbstverwaltung, dem Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta), in dem sich Lögering sowohl an der Dortmunder Uni als auch später an der Ruhr-Uni in Bochum als Geografie- und Chemiestudententin engagierte. Dort hatte sie intensiven Kontakt zur Grünen Landtagsfraktion, u.a. zu Matthias Bolte-Richter, dem damaligen hochschulpolitischen Sprecher der Grünen im NRW-Landtag. Schon 2016 war sie zur Koordinatorin aller Asten in NRW gewählt worden. Plötzlich ging es um Dinge wie beispielsweise ein neues Hochschulgesetz, Studiengebühren und eine mögliche Anwesenheitspflicht für Studierende. „In der Zeit wurde ich politisiert“, sagt sie rückblickend.

„Sie weiß, wo sie hinwill“, kommentiert Parteifreund und Grünen-Fraktionsmitglied Ulrich Langhorst. Bei der Kommunalwahl 2020 kam Lögering für die Grünen in den Dortmunder Rat. Schon im November 2023 wurde sie zur Sprecherin der Grünen Ratsfraktion gewählt. Fraktionskollegin Jenny Brunner, die zwischenzeitlich ebenfalls Interesse aufblitzen ließ, trat erst gar nicht an. „Das ging alles relativ schnell“, sagt Langhorst. „Katrin Lögering hat politischen Instinkt, ist nicht ideologisch verbrämt und für andere Sichtweisen offen. Auch, wenn sie mit ihren Ideen und mit ihrer Schnelligkeit für die Partei manchmal einen Tacken drüber ist“, wie Langhorst formuliert.

Rückschlag bei der NRW-Wahl
Lögering selbst sieht sich nicht als „typisch Grüne“. Das Fahrrad als Fortbewegungsmittel? Eher selten. „In der Regel nehm ich den ÖPNV oder gehe zu Fuß. Ich hab auch schon mal im Auto und Flugzeug gesessen.“ Fleisch essen? „Ich bin Vegetarierin, aber ich belehre niemanden“, sagt sie. SPD-OB Westphal? Ein politischer Gegner, sicher. Aber wenn sie im Kampf um den Erhalt des Amtes für Stadterneuerung Westphal im Rat mal heftiger attackiert, dann ist das nicht mit Feindschaft zu verwechseln. Lögering weiß, wie der Politikzirkus laufen muss, um draußen vom Bürger wahrgenommen zu werden. Im Grunde sagt sie, könne man „mit Westphal sehr gut streiten, das mag ich an ihm - er hat eben nicht immer die beste Beratung.“
Lebenslinien verlaufen nicht immer stringent. Auch das hat Lögering zu spüren bekommen. Schon als Studentin, als sie mit Lagerarbeit und in einem Call-Center ihr Geld verdiente, wie so viele andere neben ihr. „Meine Eltern konnten mich nie finanziell unterstützen. Etwas im Kühlschrank zu haben, war für mich immer relevanter als ein lückenloser Lebenslauf.“

Sie hat es zu spüren bekommen, als sie 2022 als Grüne für den NRW-Landtag kandidierte, um Bildungspolitik zu machen, sich am Wahlabend quasi schon durch sah – um am Ende tief enttäuscht festzustellen, dass eine Mitwerberbin haarscharf an ihr vorbeigezogen war. „Da ging es mir persönlich wirklich lange richtig schlecht“, sagt Lögering. Sie hat es längst weggesteckt. Inzwischen leitet sie neben ihrer Arbeit als Fraktionssprecherin der Rathaus-Grünen das Regionalbüro Ruhr der EU-Abgeordneten Terry Reintke in Gelsenkirchen.
"Machtmensch im besten Sinne"
Parteifreundin Daniela Schneckenburger, Dezernentin beim Deutschen Städtetag und selbst dreimal Dortmunder OB-Kandidatin, bescheinigt Lögering nicht ohne Erstaunen, ihr sei es „gelungen, sich innerhalb kürzester Zeit einen Namen zu machen“. Katrin Lögering habe ein Auftreten, mit dem sie Menschen gewinne. „Sie geht pragmatisch vor und ist bereit, sich auf Situationen einzulassen“, so Schneckenburger. Katrin Lögering sei „Machtmensch im besten Sinne“. Dabei gehe es ihr immer um die Sache, sagt Schneckenburger über ihre Parteifreundin. „Sie weiß, dass ohne eine gewisse Macht Dinge nicht durchzusetzen sind.“
Wohlwollend, aber auch mit einer kleinen Spitze, reagiert CDU-Fraktionschef Jendrik Suck auf Lögerings Kandidatur. Sie sei „eine durch und durch politische Persönlichkeit“. Spannend aber sei, ob sie die Herausforderungen, vor denen die Stadt stehe, in Gänze verinnerlicht habe und im Wahlkampf berücksichtige, so Suck. Lögering ahnt, was als OB-Kandidatin auf sie zukommt: Sie wird nicht nur nach ihren persönlichen „Herzensthemen Bildung, Chancengerechtigkeit und Klima und Umwelt“ befragt werden. Sie wird den ganz großen Bogen der Stadtpolitik schlagen müssen: von Wirtschaftsflächen über Stadtentwicklung bis zur Drogen- und Obdachlosenproblematik in der City. „Wir kennen Frau Lögering in ihrer Emotionalität“, lässt sich CDU-Parteichef Sascha Mader schon vielsagend vernehmen.

Lögering mag das innerlich ärgern, aber sie lässt es an sich abgleiten. Seit zehn Jahren lebt sie mit ihrem Freund zusammen, den sie „meinen Lebenskomplizen“ nennt. Erst in der Nordstadt, seit 2 Jahren fernab der Dortmunder Grünen-Hochburgen in Mengede. Vor den Toren der Großstadt leben, aber nicht mitten in der Großstadt – das war immer ihr Traum, jetzt sei sie genau am richtigen Ort angekommen, sagt sie. Wenn sie zwischendurch Erholung sucht, eine Atempause braucht, lässt sie ihr Handy Handy sein und taucht ab. Dann geht sie an der Emscher entlang oder streift tief durch den Wald. Ganz so wie früher, ganz wie in ihrer Kindheit in Twist in Niedersachsen.