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Dortmund lässt sich einen „Stadtbeschreiber“ über 21.000 Euro kosten – für sechs Monate
Literaturstipendium
Es brauchte zwei Anläufe, um diese Investition durch den Rat zu bringen: Ab nächstem Jahr leistet sich Dortmund einen „Stadtbeschreiber“, zahlt seine Wohnung im Kreuzviertel und Unterhalt.
Dortmund bekommt ab nächstem Jahr einen „Stadtbeschreiber“ oder eine „Stadtbeschreiberin“. Er oder sie soll in Dortmund über Dortmund schreiben. Keine leichte Aufgabe; denn nicht einfach eine Stadtchronik ist gefragt, sondern Dortmunds „Transformation des Urbanen“ soll literarisch beleuchtet werden.
Dazu zählen die Konflikte, kulturellen Muster und Veränderungen, die die Globalisierung und die Digitalisierung mit sich bringen und damit auch das persönliche Leben grundlegend verändern, kurz es geht darum, wie Dortmund und seine Bürger nach dem Niedergang der Montanindustrie das Beste aus ihrem Schicksal gemacht haben.
Bewerbung bis zum 30. September
Stadtschreiber gibt es in Deutschland bereits in mehr als 20 Städten. Man darf gespannt sein, wer sich in Dortmund bewirbt und wer den Zuschlag für das halbjährige Literaturstipendium bekommt, das die Stadt ab 2020 erstmals und dann jedes Jahr neu ausschreibt. Deutschsprachige Autoren können sich bis zum 30. September darum bewerben, im nächsten Jahr für sechs Monate in Dortmund zu leben und die Stadt zu beschreiben.
Dazu soll der Stadtbeschreiber oder die Stadtbeschreiberin von Mai bis Oktober in Dortmund residieren, in einem Quartier fußläufig zum Literaturhaus Dortmund. Das ist im Kreuzviertel am Neuen Graben beheimatet. Zum Stipendium gehören eine etwa 70 Quadratmeter große, möblierte Wohnung, ein monatliches Pauschalhonorar von 1800 Euro netto und die Möglichkeit, im Rahmen des Stipendiums zu drei Lesungen oder Literaturveranstaltungen Autoren eigener Wahl aus dem deutschsprachigen Raum nach Dortmund einzuladen. Eine engagierte Kontaktaufnahme in die lokale Literaturszene wird vorausgesetzt und unterstützt.
1500 Euro für Werbung und Versicherung
Alles zusammengenommen beläuft sich der finanzielle Aufwand für die Stadt auf 21.710 Euro, darunter 2000 Euro für die Jury und das vom Literaturhaus begleitete Programm sowie 1500 Euro für Werbung und Versicherung. Auch wegen der Kosten und des „unausgegorenen Modells“ schaffte es das Literaturstipendium erst im zweiten Anlauf durch den politischen Entscheidungsprozess. Nachdem sich im Juni 2018 keine Mehrheit dafür abzeichnete, zog Stadtdirektor und Kulturdezernent Jörg Stüdemann die entsprechende Vorlage zurück.
„Völlig überflüssig. Wir müssen nicht für Zusagen einstehen, die Herr Sierau irgendwo gemacht hat, ohne den Rat zu fragen“, wetterte damals der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Joachim Pohlmann. Das Geld könne man besser Vereinen geben. Die CDU blieb auch später bei ihrem Nein.
Idee wurde bei PEN-Tagung geboren
Die Idee eines Stadtbeschreibers für Dortmund war 2017 bei der Tagung des Internationalen Autorenverbands PEN im U-Turm geboren worden. Oberbürgermeister Ullrich Sierau war der Idee sehr zugeneigt. So kam die Vorlage in diesem Jahr mit erweiterten Richtlinien erneut in den Kulturausschuss und wurde abgenickt. „Wir haben ein Jahr eingebüßt“, sagt Kulturdezernent Stüdemann.
Nun ist es also soweit. Die Bewerber müssen allerdings eine Voraussetzung erfüllen: Sie müssen bereits eigene Werke in einem Publikumsverlag veröffentlicht haben. Eine Fachjury wird unter den Bewerbern die Auswahl treffen.
Wer es dann am Ende schafft, wird mit seinen literarischen Werken auch in Veranstaltungen der Volkshochschule sowie der Stadt- und Landesbibliothek der Öffentlichkeit vorgestellt und soll darüber hinaus in den schulischen Unterricht eingebunden werden.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
