Das historische Gebäude hat schon bessere Tage gesehen, ein Neuanstrich wäre schon lange überfällig. Doch die Frage ist, wie lange die alte Kreuz-Grundschule überhaupt noch steht. Denn die Stadt Dortmund plant den Abriss. Es gibt aber auch eine Initiative, die für den Erhalt des 113 Jahre alten Schulgebäudes kämpft.
Die Diskussion um die Grundschule gehört zu den generellen Erweiterungsplänen für das Schulzentrum an der Kreuzstraße. Wegen steigender Schülerzahlen sollen sowohl das Leibniz-Gymnasium als auch die benachbarte Wilhelm-Röntgen-Realschule und die Kreuz-Grundschule erweitert werden. Für die Grundschule plant die Stadt einen Neubau. Das alte Gebäude direkt an der Kreuzstraße soll dafür weichen.

Nachdem im Grundsatz schon vor Jahren über die Umbaupläne für das Schulzentrum entschieden wurde, wurde in der Politik die Frage aufgeworfen, ob Abriss und Neubau oder ein Umbau des Schulgebäudes vor allem unter Klimaaspekten zeitgemäß sei. Erstmals untersucht wurde die Frage in einer Machbarkeitsstudie im Jahr 2020.
Das Ergebnis: Das alte Grundschulgebäude, gebaut von 1913 bis 1915, wurde „abgängig“ eingestuft. Sowohl mit Blick auf Wärmeschutz der Gebäudehülle, als auch auf Fenster, Türen und Gebäudetechnik sei der Zustand abgenutzt, ein Neubau sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch mit Blick auf die CO2-Bilanz im Betrieb günstiger.
Studie zur CO2-Bilanz
Allerdings: Was noch nicht berücksichtigt wurde, ist die CO2-Bilanz von Abriss und Neubau. Die Frage lautet: Ist es mit Blick auf nötige CO2-Reduzierung noch zeitgemäß, bestehende massive Bausubstanz zu vernichten und gleichzeitig Energie für einen Neubau aufzuwenden?
Jetzt gibt es ein neues Gutachten im Auftrag der städtischen Immobilienwirtschaft. Das kommt zu dem Schluss, dass die Gesamtbilanz für Erhalt und Neubau unter Einbeziehung der Herstellungsenergie ausgeglichen werde, im Betrieb sei die CO2-Bilanz beim Neubau günstiger.
Wenn man allein die Lebenszyklus-Kosten betrachte, sei die Variante, das Gebäude zu erhalten und durch einen Neubau zu ergänzen, günstiger, erklären die Gutachter. Mit Blick auf die Flächeneffizienz eines Neubaus seien die Kosten pro Quadratmeter Nutzfläche allerdings bei einem Neubau um etwa 14,2 Prozent niedriger.
Für die Variante Erhalt des Gebäudes plus Anbau beziffert die städtische Immobilienwirtschaft die Baukosten auf 23,1 Million und die Energiekosten für 50 Jahre auf 3,18 Millionen Euro. Ein reiner Neubau wäre mit 26,7 Millionen Euro Baukosten und 3,46 Millionen Euro Energiekosten für 50 Jahre teurer.
Flächenzuschnitt schwierig
Ein gewichtiges Argument aus Sicht der Verwaltung: Die nach der Schulbauleitlinie nötigen Nutzflächen etwa für die Klassenräume seien durch die vorhandenen Grundrisse und Tragstrukturen des bestehenden Gebäudes nicht zu realisieren.
Kritisch merken die Experten der Immobilienwirtschaft an, dass das historische Schulgebäude in der Nachbarschaft zur Wohnbebauung an der Kreisstraße heute überdimensioniert wirke. Die Qualität der alten Architektur sei kaum noch erkennbar und wirtschaftlich auch nicht wieder herstellbar. Ein Neubau könnte dagegen harmonisch in die Umgebung eingefügt werden.
Das Fazit der Immobilienwirtschaft: Die Vorteile bei Nutzung und Nutzflächenangebot eines Neubaus würden den höheren Ressourcenverbrauch und die um etwa 15 Prozent höheren Investitionskosten rechtfertigen. Über den gesamten Lebenszyklus ergebe sich durch eine Sanierung des bestehenden Gebäudes kein Vorteil mit Blick auf Wirtschaftlichkeit und CO2-Bilanz. „Die aktuelle Planung für den Neubau wird daher, wie bisher vorgesehen, fortgeführt“, erklärt Baudezernent Arnulf Rybicki in einem Schreiben an die Politik.
Schreiben an Politiker
Post für die Politik gibt es aber auch von einer Initiative von Bauexperten um den Bund Deutscher Architekten (BDA), der Initiative „Architects 4 Future“ und TU-Professor Wolfgang Sonne.
Sie machen sich für den Erhalt des alten Schulgebäudes und die Ergänzung durch einen Anbau stark, sehen die alte Kreuz-Grundschule als „kommunales Monument“ und identitätsprägend für das Kreuzviertel. Für Generationen von Menschen sei das Schulgebäude „ein prägnanter Bezugspunkt ihres Lebens“. „Einen solchen Bau wegzureißen heißt auch, einen Erinnerungsort zu zerstören“, heißt es in der Stellungnahme.
Ganz anders als die städtische Immobilienwirtschaft bewertet die Initiative die Bausubstanz, die bereits über 100 Jahre gehalten habe und „ohne Veränderung problemlos weiter 100 Jahre und mehr halten wird“. Ein solch solider Bau aus massiven Wänden sei heute kaum noch herstell- und finanzierbar.

Die Bauweise, die für einen Neubau vorgesehen ist, halten die Kritiker der Abrisspläne für keine gute Alternative. Das sei so, als werfe man sein Tafelsilber weg und schaffe sich stattdessen Plastikbesteck an, erklärt Prof. Wolfgang Sonne, der auch wissenschaftlicher Leiter des NRW-Baukunstarchivs ist, sarkastisch.
Nicht zuletzt sei es unter den Anforderungen des Klimaschutz widersinnig, bestehende und funktionierende Bausubstanz abzureißen und stattdessen neu zu bauen. Erhalt und Umbau statt Neubau sei mit Blick auf die CO2-Bilanz das Gebot der Stunde. „Und der Erhalt und die Renovierung der Kreuz-Grundschule sind mit Abstand klimafreundlicher als Abriss und Neubau“, sagt Sonne.
Natürliches Lüften bevorzugt
Das Argument für einen Neubau, dass der Altbau die Standardgrößen von 70 Quadratmetern für Klassenräume nicht ermögliche, halten die Vertreterinnen und Vertreter der Initiative für nicht stichhaltig. Die Vorgabe gelte allein für Neubauten, letztlich müsste man sonst alle alten bestehenden Schulgebäude in Dortmund abreißen, nur weil eine abstrakte Zahl auf dem Papier stehe. Außerdem ließen sich auch im Altbau neue Raumzuschnitte schaffen.
„Die Kreuz-Grundschule bietet großzügige Klassenräume von 50 bis 60 Quadratmetern, die für viele Generationen bestens funktioniert haben und auch weiterhin funktionieren werden“, erklärt Sonne. Es sei „ökologisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich unverantwortlich, Bauten mit einer Haltbarkeit von mehreren 100 Jahren für pädagogische Konzepte, die alle zehn Jahre wechseln, zu opfern“.
Anders als die Immobilienwirtschaft halten die Experten der Initiative auch die Integration künstlicher Belüftungstechnik in den Altbau für durchaus möglich, aber eigentlich für unnötig und nicht mehr zeitgemäß. „Heute in gut durch Fenster zu belüftende Räume kostspielige und energieaufwändige Lüftungsanlagen zu installieren, ist eine Hypothek für die Zukunft“, heißt es. Im Zeichen von Klimawandel und Energiewende sei eine natürliche Belüftung sinnvoller.
Fünf Seiten lang ist die Stellungnahme, die die Initiative an die zuständigen Mitglieder der zuständigen Ausschüsse geschickt haben. Die Politik entscheidet letztlich über den Erhalt oder den Abriss der Kreuz-Grundschule. Der Ausschuss für Umwelt und Stadtentwicklung berät über die vorliegenden Stellungnahmen und die Pläne der Immobilienwirtschaft am Mittwoch (31.5.).
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