Innenminister Herbert Reul hat am Donnerstag (13.4.) den neuen Verfassungsschutzbericht für Nordrhein-Westfalen vorgestellt. 49 Mal ist auf den knapp 400 Seiten Dortmund erwähnt.
Rechtsextremismus
Wie in den Vorjahren befasst sich etwa die Hälfte dieser Erwähnungen mit Rechtsextremisten aus der Stadt. Gerichtsurteile, die im vergangenen Jahr gegen Neonazis wegen früherer Taten ausgesprochen wurden, sind erwähnt, genau wie Demonstrationen, die in Dortmund stattgefunden haben oder an denen Dortmunder anderswo teilgenommen haben.

Neu ist im Bericht der Fokus „Rechtsextremistische Reaktionen auf den russischen Angriffskrieg“. Auch der Dortmunder Kreisverband der Partei Die Rechte habe die Position geäußert, den Krieg als solchen „zwischen den Supermächten“ umzudeuten. Dabei werde laut Verfassungsschutz „zumindest in Teilen“ das von Russlands Präsident Putin verbreitete „Narrativ“ verbreitet, wonach das Agieren der Nato zu einer Eskalation beigetragen habe.
In der Partei landesweit führend sei der Kreisverband Dortmund, „dem rund 80 mobilisierbare Anhänger angehören“. Der überwiegende Teil der Aktivitäten habe sich im vergangenen Jahr jedoch auf interne Veranstaltungen beschränkt.
Linksextremismus
Unter dem Stichwort Linksextremismus nennt der Verfassungsschutz eine Demonstration, die am 1. Mai in Dortmund stattgefunden hat. Am Rande einer Nazi-Demo habe es Auseinandersetzungen zwischen „autonom-anarchistischen Akteuren“ und der Polizei gegeben. Sitzblockaden, Beleidigungen und tätliche Angriffe gegen Polizisten sind genannt. Auf beiden Seiten hatte es damals Verletzte gegeben.
Nachmittags fand am selben Tag noch eine eigene linksgerichtete Demo mit mehr als 1000 Teilnehmenden unter dem Motto „Anarchistischer 1. Mai“ statt. Der Verfassungsschutz spricht von einer unerwartet hohen Anzahl und zitiert die Parole „Freiheit statt Patriarchat, Kapitalismus und Egoismus“.

Für das Jahr 2024 sei außerdem wieder ein großes Fest für Dortmund angekündigt, das der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) zugeordnet wird. Die Mitglieder, die laut Verfassungsschutz „die revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft“ anstrebten, hätten angekündigt, in den Revierpark Wischlingen einzuladen, wo die Großveranstaltung vor der Pandemie schon stattfand.
Auslandsbezogener Extremismus
Ein eigenes Kapitel widmet der Verfassungsschutz dem „nicht religiösen auslandsbezogenen Extremismus“. Dortmund wird dabei genannt als Sitz der „Föderation der demokratischen Aleviten“ (Feda). Diese Gruppe wird als PKK-nah bezeichnet, „ohne integraler Bestandteil der PKK zu sein“.
Die PKK ist die Arbeiterpartei Kurdistans. Seit 1993 gibt es für sie ein Betätigungsverbot in Deutschland. Seit 2002 steht sie auf einer EU-Terrorliste.
Islamismus
Dem religiös motivierten Islamismus werden mehrere Dortmunder Gruppen zugeordnet. Im März 2022 ist der in der Dortmunder Nordstadt ansässige Moscheeverein Nuralislam verboten worden. Es habe sich um ein „Zentrum extremistisch-salafistischer Propaganda mit einer jihadistischen Ausrichtung“ gehandelt, so der Verfassungsschutz. Der Moscheeverein sei „ein Rekrutierungszentrum für ein IS-nahes Netzwerk“ gewesen.

Außerdem beobachtet der Verfassungsschutz wieder zunehmende Aktivitäten der extremistisch-salafistischen Szene im öffentlichen Raum. Auch in Dortmund habe es Verteilaktionen an mobilen Ständen gegeben, etwa unter den Namen „Salam-Aufruf zum inneren Frieden“, „Einladung zum Islam“ oder „Was ist Islam?“
Gezielt würden junge Menschen angesprochen, die auf der Suche nach fester Struktur, Zusammenhalt und Gemeinschaft seien. Im Juni sind Fotos einer solchen Aktion vor der Reinoldikirche im Internet gepostet worden. Auch ein bundesweit bekannter extremistisch-salafistischer Prediger habe in einer Dortmunder Moschee gesprochen.
International bekannt ist die palästinensische Organisation Hamas. In Dortmund ist der Verein „Die Barmherzigen Hände“ gemeldet, der Bezüge zur Hamas habe und Spenden sammele. Die Hamas habe laut Verfassungsschutz das Ziel, Israel als eigenständigen Staat aufzulösen und steht ebenfalls auf der EU-Terrorliste.
Der Dortmunder Verein sammle Spenden und habe „ausgeprägte personelle Verbindungen“ zur „Palästinensischen Gemeinschaft in Deutschland“ (PGD), die laut Verfassungsschutz die „wichtigste Organisation von Anhängern der Hamas in Deutschland“ sei.
Weiterhin im Blickfeld der Ermittler ist auch die „Gemeinschaft Libanesischer Emigranten“ (GLE), die Bezüge zur Hisbollah habe. Bereits im Jahr 2020 hatte es in Lindenhorst eine Durchsuchung von Vereinsräumen gegeben, als die Hisbollah in Deutschland als Terror-Organisation verboten wurde. Der Dortmunder Verein bleibt hingegen erlaubt.

In Dortmund sehen die Ermittler auch einen Schwerpunkt der Islamischen Befreiungspartei Hizb ut-Tahrir. „Vorrangige Ziele der Organisation sind die Wiedereinführung des 1924 durch die Republik Türkei abgeschafften Kalifats und der Errichtung eines islamischen Staats.“ Islam und Demokratie seien für die HuT nicht vereinbar. Seit 2003 unterliegt sie in Deutschland einem Betätigungsverbot.
Neben Hamburg, Berlin und München gibt es in Dortmund den vierten deutschen Schwerpunkt der türkischen Furkan-Gemeinschaft. 2015 wurde hier ein Kultur- und Bildungszentrum gegründet. Der Verfassungsschutz sieht einen „beinahe sektenartigen Charakter“. Ein zentrales Ziel sei eine „Islamische Zivilisation“ und daraus resultierend die Ablehnung der Demokratie. Mehrmals hat die Gemeinschaft in Dortmund demonstriert.
1. Mai in Dortmund: Politisches Familienfest, Neonazi-Demo und Verletzte