152 Jahre lang versorgte die Hirsch-Apotheke am Ostenhellweg Dortmunderinnen und Dortmunder mit Medikamenten. Im vergangenen Herbst machte der Inhaber und Apotheker Kristian Reissig Schluss. Gründe dafür gab es mehrere. Dazu zählten stagnierende Einnahmen bei steigenden Kosten und ein immer größer werdender bürokratischer Aufwand.
Reissig, der auch die Delta-Apotheke in Eving betreibt, fand keinen Nachfolger für die Hirsch-Apotheke. Zwar hatte es einen Interessenten gegeben. Doch der habe laut Reissig nicht auf die Bedingungen des Vermieters eingehen wollen, so Reissig. Nun bleiben die Lichter in dem Ladenlokal an der Ecke zum Wall seit Ende Oktober 2023 dunkel.

Die Hirsch-Apotheke ist kein Einzelfall. „Das Apothekensterben in Dortmund geht verstärkt weiter“, sagt Dr. Felix Tenbieg, Dortmunds Sprecher der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Er ist Inhaber der Patroklus-Apotheke in Kirchhörde.
Seit rund 20 Jahren hätten Apotheken keine „substanzielle“ Honorar-Erhöhung mehr erhalten, sagt Felix Tenbieg. Zudem bekommen Apotheken seit Februar 2023 weniger Geld von den Krankenkassen. Für einen auf zwei Jahre befristeten Zeitraum müssen sie den Krankenkassen für jede Arzneimittelpackung, die sie an Patienten abgeben, einen erhöhten Rabatt einräumen.
Felix Tenbieg hat für diese Entwicklung kein Verständnis. „Überall steigen die Kosten und unser prozentualer Ertrag wird immer geringer“, klagt er – auch im Namen von Kolleginnen und Kollegen.
In Gesprächen mit anderen Apothekerinnen und Apothekern aus Dortmund bemerkt Felix Tenbieg „viele Sorgen und eine große Unzufriedenheit“. Dortmunds Sprecher der Apothekerkammer berichtet von Zukunftsängsten seiner Kolleginnen und Kollegen: „Sie stöhnen und sagen: ,Ich weiß nicht, wie es weitergeht‘.“
114 Apotheken in Dortmund
Wie es um den Rückgang der Zahl der Apotheken in Dortmund steht, weiß Sebastian Sokolowski von der Pressestelle der Apothekerkammer mit Sitz in Münster. „Dortmund hat wirklich viele Apotheken in den vergangenen 10 bis 15 Jahren verloren“, sagt Sokolowski.
Zum Jahresbeginn 2009 habe es 153 Apotheken in der Stadt gegeben. Aktuell seien es noch 114. Allein drei Apotheken hätten im vergangenen Jahr geschlossen. Laut Sokolowski gehört Dortmund damit zu den Negativ-Spitzenreitern im Landesteil Westfalen-Lippe. Bochum habe es allerdings noch heftiger getroffen - mit fünf Schließungen im Jahr 2023.
Allerdings ist eine der drei Dortmunder Apotheken-Schließungen nur vorübergehend vorgesehen. Die Apotheke Neue Evinger Mitte im alten Real-Gebäude ist seit Oktober 2023 dicht, soll aber nach dem Umbau wiedereröffnen. Eine Mitarbeiterin nennt Januar 2025 als voraussichtlichen Termin.
Sokolowskis Zahlen zufolge hat Dortmund in den vergangenen 15 Jahren ziemlich genau ein Viertel seiner Apotheken verloren - ein noch größerer Anteil als im Kammergebiet mit einem Rückgang von 23 Prozent.
Die beiden Dortmunder Apotheken, die 2023 für immer geschlossen wurden, waren die Märkische Apotheke an der Märkischen Straße 207 und die zuvor genannte Hirsch-Apotheke in der City.
Laut der Apothekerkammer Westfalen-Lippe gaben im vergangenen Jahr 52 Apotheken auf. Nur vier Betriebe eröffneten neu. Die Gründe für Schließungen seien stets wirtschaftlicher Natur, sagt Sokolowski. „Dass es nicht einmal einen Inflationsausgleich gab, ist für manche der Sargnagel.“
Erst im November 2023 hatte es einen großen Apothekerstreik gegeben. Hausärzte schlossen sich an. In der Dortmunder Innenstadt kam es zu einem Demonstrationszug mit Hunderten Teilnehmern. Sie forderten etwa eine verbesserte Vergütung. „Das war nicht nur Show“, verdeutlicht Felix Tenbieg, wie ernst die Lage aus seiner Sicht ist.
„Besorgniserregender Trend“: Apotheken-Sterben in Dortmund - mancherorts kann’s eng werden
Medikamentenmangel in Dortmund: „Es gibt immer viel zu wenig“
Großer Protest in Dortmund: Apotheker und Ärzte demonstrieren gemeinsam - und vermissen Respekt