„Hamsterkäufe“ bei Paracetamol und Co. Apothekerin Carolin Schmid stört „egoistische Haltung“

Fehlende Medikamente: „Hamsterkäufe“ bei Paracetamol und Co.
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Corona-, Grippe- und RS-Viren sorgen derzeit für eine regelrechte Krankheitswelle - auch in Dortmund. Betroffen sind sowohl Erwachsene als auch Kinder. Viele Kinderärzte und Kliniken sind überlastet. Und grade jetzt seien nicht nur viele verschreibungspflichtige Medikamente schwer zu bekommen. Gleiches gelte auch für frei verkäufliche Mittel, sagt Carolin Schmid, Inhaberin der Bienen-Apotheke an der Husener Straße 50 in Husen.

Dr. Felix Tenbieg, Sprecher der Dortmunder Apotheken, nennt eine Hausnummer, wie viele Preparate bei ihm in der Kirchörder Patroklus-Apotheke fehlen (Stand 9.12.): „Wir haben eine Liste von derzeit 428 Medikamenten, die wir gerne hätten, aber nicht bekommen. Diese Zahl wird seit Wochen immer größer.“

Dr. Felix Tenbieg ist Sprecher der Dortmunder Apotheken.
Dr. Felix Tenbieg ist Sprecher der Dortmunder Apotheken. © dpa/Barz (Montage: Albers)

Schmid führt aus, welche Auswirkungen das auf die Kundschaft hat. „Es kann durchaus sein, dass man eine Reihe von Apotheken abfragen muss, um das gewünschte Medikament zu bekommen“, sagt Schmid. Schwierigkeiten gebe es vor allem bei Erkältungsklassikern. Unter anderem bei ACC-Brausetabletten, Dolo-Dobendan-Tabletten gegen Halsschmerzen und Paracetamol-Kinderzäpfchen.

Lieferungen kommen „kleckerweise“

Die Apothekerin erklärt den Hintergrund: „Die Medikamente werden kontingentiert.“ Das bedeutet, dass die vorhandenen Vorräte möglichst gerecht an die Apotheken geliefert werden. Das führe dazu, dass die Apotheken „kleckerweise“ Lieferungen bekämen.

Die Probleme würden bei den Herstellern, bzw. bei den Zulieferern liegen. So argumentiere beispielsweise Ratiopharm - ein Hersteller für günstiges Paracetamol - mit Personalknappheit beim Verpacken der Medikamente, so Schmid. Auch Lieferschwierigkeiten bei Verpackungsmaterialien seien ein weiterer Grund. Zudem sei die Gewinnmage bei solchen günstigen Mitteln so gering, dass die Herstellung für viele Firmen kaum noch lukrativ sei. Apothekensprecher Tenbieg teilt diese Ansicht.

Eine zusätzliche Belastung, besonders für Eltern: Die Preise für Kinder-Antibiotika-Säfte steigen. Darauf macht der Apothekerverband Westfalen-Lippe aufmerksam. Viele Hersteller hätten ihre Preise erhöht, um wirtschaftlich zu arbeiten. Und da die Krankenkassen nur bis zu einer bestimmten Grenze die Kosten für Medikamente übernehmen, müssten Eltern nun die Differenz zahlen.

Für Schmid und ihr Husener Team bedeutet das, kreativ zu denken und zu improvisieren. So bekämen die Kundinnen und Kunden doch noch Mittel, die helfen. Vielleicht von einem anderen Hersteller. Vielleicht in einer anderen Dosierung, sodass Tabletten zerteilt werden müssen. Vielleicht nicht als Saft oder Zäpfchen, sondern als zermahlene Tabletten. „Meist finden wir eine Lösung“, sagt Schmid.

Apothekerin stört egoistische Haltung

Das sei zwar anstrengend, eine andere Sache störe die Husener Apothekerin aber viel mehr: „Die egoistische Haltung und die Beinahe-Panik von manchen jungen Eltern.“ Schmid berichtet von „Hamsterkäufen“, beispielsweise bei Paracetamol. So habe es Kundinnen und Kunden geben, die eine größere Menge dieser Medikamente kaufen wollten - „einfach um sie zu haben.“ In einigen solcher Fälle habe sie gefragt, wie alt das Kind sei und ob es wirklich Fieber habe. Daraufhin sei es in Ausnahmefällen dazu zu ruppigen Antworten gekommen.

Schmid stellt aber klar, dass die Bienen-Apotheke sehr unkomplizierte Kundinnen und Kunden habe. In Kirchhörde glaubt Tenbieg, dass die Kunden verstanden hätten, „dass es nicht an uns - den Apotheken - liegt, wenn Medikamente fehlen.“ Stattdessen habe er auch viel Dankbarkeit erlebt, wenn eine Medikation, beispielsweise durch eine eigens hergestellte Rezeptur oder Improvisation, trotz des Mangels möglich ist.

Ob sich die Situation auf dem Medikamentenmarkt demnächst entspannt? Schmid ist skeptisch. Viele Hersteller würden auf das nächste Frühjahr vertrösten. Sie sagt: „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sich die Lage 2023 verbessert.“

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