Seit knapp zwei Jahren sorgt ein mutmaßlicher Exhibitionist in Dortmund für Unruhe in der Nachbarschaft. Mehrere Anwohner haben unserer Redaktion berichtet, dass ein junger Mann sich beinahe täglich am offenen Fenster selbstbefriedige.
„Er masturbiert fast jeden Tag, teilweise mehrfach, vor seinem offenen Fenster Richtung Straße, beugt sich hinaus oder schaut dabei in unsere Wohnungen“, berichtet Christina Pietrowski (34). „Wenn ich ihn entdecke, winkt er mir zu und grinst noch. Erst wenn ich meinen Mann hole oder mein Handy zücke, verschwindet er.“
Einschränkungen im Alltag
Ihr Alltag werde durch das Verhalten des Mannes maßgeblich eingeschränkt: „Es ist jedes Mal aufs Neue ein schlimmes Gefühl und total verstörend, das zu sehen“, sagt Pietrowski. „Ich will meinen Sohn auch nicht mehr zum Feuerwehrautos gucken ans Fenster heben, weil ich Angst habe, dass der Mann sich plötzlich wieder nackt zeigt.“ Mittlerweile bestimme die Situation ihren Alltag: Sie führe Protokoll von jeder Tat.
Christina Pietrowski habe den Mann bereits mehrmals angezeigt, das erste Mal Ende 2023. Das bestätigte uns auch ein Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund: „Wir haben drei Anklagen gegen den Mann erhoben, wegen exhibitionistischer Handlungen, wegen der Erregung öffentlichen Ärgernisses und wegen des Weiterleitens kinderpornografischer Materialien.“ Um was für Material es sich da gehandelt hat, sagt die Staatsanwaltschaft nicht.
Geändert habe sich laut Christina Pietrowski aber bisher nichts: „Ich habe das Gefühl, es passiert einfach nichts. Polizei und Staatsanwaltschaft wissen Bescheid und trotzdem steht er jeden Tag am Fenster und belästigt uns.“
Mehrere Nachbarn beschweren sich
Eine weitere Frau beklagt sich ebenfalls über den angeklagten Exhibitionisten. Sie möchte allerdings anonym bleiben, ihr Name liegt der Redaktion aber vor: „Jedes Mal, wenn ich in die Räume gehe, in denen er mich sehen könnte, gucke ich aus Reflex erst einmal, ob er da wieder steht.“ Ihre Gardinen habe sie in allen betroffenen Räumen immer zugezogen: „Ich bin ständig auf der Hut, dabei bin ich in meiner eigenen Wohnung.“
Eine der ersten Anzeigen stammt wohl von Aynur Topcu. Die 46-Jährige arbeitet in einer Bäckerei in der Nähe der Wohnung des Angeklagten. Von da aus sehe sie seine exhibitionistische Handlungen beinahe täglich: „Seit fast zwei Jahren geht das jetzt schon so, auch ich habe ihn mehrmals angezeigt.“
Auch die Gäste der Bäckerei würden regelmäßig unfreiwillig Zeuge der exhibitionistischen Handlungen, erzählt Aynur Topcu. Schüler einer nahegelegenen Schule, die in den Unterrichtspausen zum Frühstücken kämen, sähen den Mann auch am Fenster stehen.
Dass das Handeln der Behörden so lange dauert, können sich die betroffenen Anwohnenden nicht erklären: „Man fühlt sich einfach so machtlos, es ist wirklich eine Zumutung, für alle Menschen, die hier wohnen oder vorbeilaufen“, sagt Christina Pietrowski.
Passiert tatsächlich nichts?
Wie das Dortmunder Amtsgericht mitteilt, ist es allerdings nicht so, dass gar nichts passiere. Viel mehr halte man sich mit Informationen zurück, da es sich beim Tatverdächtigen um einen Minderjährigen handelt. „Gegen den Angeklagten sind vor dem Jugendschöffengericht derzeit mehrere Verfahren anhängig“, schreibt Christine Weber, Sprecherin und Richterin am Amtsgericht.
Im Verfahren habe es bereits einen Hauptverhandlungstermin gegeben. Dort habe sich aber weiterer Ermittlungsbedarf herausgestellt, wie die Sprecherin es formuliert. Dies habe einige Zeit in Anspruch genommen. „Nachdem die Ermittlungsergebnisse eingegangen sind, ist bereits wieder ein neuer Hauptverhandlungstermin anberaumt worden. Aufgrund des Alters des Angeklagten wird die Sitzung nicht öffentlich stattfinden.“