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Marode Brücke: Kuriositäten und Verärgern helfen den Anwohnern nicht
Dortmund-Ems-Kanal
Die denkmalgeschützte Schwieringhauser Brücke ist nicht mehr zu retten. Die Straßenverbindung bleibt gekappt. Es gibt keine klaren Perspektiven – dafür aber Ärger und Kuriositäten.
von Uwe von Schirp
Schwieringhausen, Holthausen, Brambauer
, 28.11.2020, 09:00 Uhr / Lesedauer: 3 minDas Schicksal der Schwieringhauser Brücke ist besiegelt. Die Substanz ist so marode, dass nie wieder ein Auto über das denkmalgeschützte Bauwerk den Dortmund-Ems-Kanal queren wird. So viel ist seit gut zehn Tagen klar. Viel mehr aber auch nicht. Das sorgt für Verärgerung und fördert Kuriositäten zutage.
Am 17. November 2020 informiert das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Duisburg-Meiderich in einer Pressemitteilung über die irreparablen Schäden an der Stahl-Fachwerk-Brücke. Gleichzeitig kündigt die Bundesbehörde ein Ersatzbauwerk und eine zwischenzeitliche Behelfslösung an.
Die könne womöglich in Modulbauweise auf den Widerlagern der bestehenden Brücke errichtet werden, konkretisiert der zuständige Sachbereichsleiter beim WSA auf Nachfrage dieser Redaktion tags darauf (18.11.). Oliver Jaswetz verweist auf ausstehende Gespräche mit Fach-Unternehmen.
Klar sei ein Behelfsbauwerk damit aber noch nicht. Offen sei, ob die Fertigbauteile solch einer Modulbrücke überhaupt in ein Maß zwischen den beiden Brückenköpfen passen. Offen sei auch, ob die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt als übergeordnete Behörde die Kosten übernehme.
Bezirksvertretung lädt Schifffahrtsamt ein
Am gleichen Nachmittag (18.11.) treffen sich die Fraktionsspitzen in der Bezirksvertretung Mengede zu einer interfraktionellen Sitzung. Thema auch dort: die Schwieringhauser Brücke. Gemeinsamer Beschluss: Die BV bittet das Wasser- und Schifffahrtsamt, zeitnah in einer Sitzung Bericht zu erstatten.
Der Einladung fügt die BV zur Vorbereitung gleich einen Fragenkatalog bei. Die Fraktionen fragen konkret nach einer verlässlichen zeitlichen Perspektive, nach den Auswirkungen des Denkmalschutzes. Und auch: ob – statt in Parallellage – nicht gleich die neue Brücke an gleicher Stelle errichtet werden kann.
Am Montag (23.11.) sagt das WSA eine mündliche Berichterstattung aus Gründen des Corona-Schutzes ab. Am Dienstag (24.11.) erhalten die Bezirksvertreter stattdessen schriftlich Antworten auf ihre Fragen.
Keine konkreten Antworten
Konkret wird das Amt in der E-Mail nicht. Wann über den Kanal wieder motorisierter Verkehr fließt – offen. Zum Denkmalschutz verweist das WSA auf den seit Mai 2019 bekannten Widerspruch: Für den Neubau gebe es eine rechtsgültige Planfeststellung. Der Eintrag in die Denkmalliste sei erst später erfolgt.

Risse in tragenden Bauteilen verbieten einen motorisierten Verkehr über die Schwieringhauser Brücke. © Uwe von Schirp
Baurecht gebe es für einen Neubau in Parallellage – und nicht für einen Ersatz an gleicher Stelle. „Hierzu müsste ein gesondertes Planänderungsverfahren oder gegebenenfalls Planfeststellungsverfahren eröffnet werden“, schreibt die Abteilungsleiterin. Das ist ebenso neu wie im Ergebnis kurios.
Und es ist nur ein Aspekt, der Jürgen Utecht verärgert. „Das ist doch Irrsinn, eine neue Brücke daneben zu bauen“, sagt der Fraktionssprecher der Grünen im Gespräch mit dieser Redaktion. „Wenn die alte Brücke kaputt ist, kann ich doch dort auch eine neue bauen, ohne in die Natur einzugreifen. Das muss doch dann eigentlich sogar schneller gehen und den Neubau preiswerter machen.“
Utecht kritisiert zudem die vagen Perspektiven. „Das WSA soll zumindest absehbare Zeiten nennen“, moniert der Lokalpolitiker. „So können wir das den Anwohnern nicht vermitteln.“
Problematische Personalsituation
Gegenüber unserer Redaktion wie auch in der E-Mail an die BV verweist das WSA auf seine „problematische Personalsituation“. Jaswetz nennt zudem weitere Brücken, deren Erneuerung oder Sanierung in der Priorität weiter vorne stehen. Die Schwieringhauser wird das kaum trösten.

Nina Lamhaouch hat mit ihrer Schwester einen Brandbrief an das Wasser- und Schifffahrtstraßenamt geschrieben. © Uwe von Schirp
Das Bild des WSA im gut 50 Kilometer entfernten Duisburg von Schwieringhausen und seinen Einwohnern wirft Fragen auf. Es mag Zufall sein, dass das WSA seine Presseinformation just einen Tag nach einem Brandbrief von sechs Schwieringhauser Familien herausgegeben hat.
Oliver Jaswetz weist zwar einen Zusammenhang im Gespräch mit unserer Redaktion von sich. Er merkt aber auch an, dass viel mehr Menschen ja nicht in Schwieringhausen wohnen. Tatsächlich waren 2019 laut statistischem Atlas der Stadt Dortmund 170 Einwohner in dem ländlichen Stadtteil gemeldet.
Nicht nur Anwohner betroffen
Und es sind nicht nur die Schwieringhauser, die bisher und bis auf Weiteres weite Umwege in Kauf nehmen müssen: zur Schule, zum Arbeitsplatz und zum Einkaufen. Nina Lamhaouch hat den Brandbrief an das WSA verfasst. Sie verweist im Gespräch darauf, dass von der Sperrung auch Handwerksbetriebe betroffen sind. Davon hat sich eine ganze Reihe auf den ehemaligen Bauernhöfen angesiedelt.
Ebenso betroffen: Holthausener und Brechtener, die über Schwieringhausen zur Autobahn fahren. Die Vielzahl der Fahrzeuge, die hier vor der Sperrung den Kanal überquert haben, dokumentiert die Bedeutung der Brücke – so ländlich das Gebiet auch ist.

Werner Locker möchte einen Neubau beschleunigen. Mit einem einsamen ersten Spatenstich will der Schwieringhauser dafür beim WSA Druck machen. © privat
Jaswetz erklärt zudem gegenüber dieser Redaktion, er stünde im Austausch mit einem Schwieringhauser Lokalpolitiker. Auf Nachfrage nennt er Werner Locker. Dass Locker vor sechs Jahren aus der Bezirksvertretung ausgeschieden ist und sich in der Öffentlichkeit gern nur noch als Privatmann bezeichnet, weiß er nicht.
Werner Locker setzt sich indes auf ureigene Art ein. Am 13. November schickt er ein Bild an die Redaktion. Es zeigt ihn allein an der Kanalböschung mit Schüppe. „Schwieringhauser Bürger machen den ersten Spatenstich für das neue Brückenbauwerk, damit sie wieder, ohne die Umwelt übermäßig zu belasten, in Mengede einkaufen können und die Kinder zu ihren Lernorten gelangen“, schreibt er.
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
