Erstmals in der über 20-jährigen Geschichte des „Café Kick“ gab es 2024 mehr als 100.000 Konsumvorgänge im Dortmunder Drogenkonsumraum - und zwar weit mehr: 139.013 Mal wurden vergangenes Jahr Drogen in der Drogenhilfeeinrichtung in der City geraucht, gespritzt oder auf andere Weise zu sich genommen.
Das geht aus dem Jahresbericht der Aidshilfe hervor, der diese Woche veröffentlicht wurde. Die Aidshilfe betreibt das „Café Kick“.
Die Nutzungszahlen des mit 23 Konsumplätzen größten Konsumraums Deutschlands sind in den vergangenen Jahren geradezu explodiert. Im Vergleich zum Jahr 2022 verdreifachten sie sich fast, gegenüber 2021 stiegen sie sogar um 430 Prozent.
Auch im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit liegen die aktuellen Zahlen in einer anderen Dimension. 2019 gab es rund 85.000 Konsumvorgänge weniger als 2024 (54.000 gegenüber 139.000).
Ein wichtiger Grund für den steilen Anstieg der Nutzungszahlen ist die Crack-Krise, die seit etwa 2019/2020 in vielen deutschen Großstädten wütet. Sie trieb die Zahlen bereits 2023 auf ein Allzeit-Hoch von über 80.000 Konsumvorgängen.
Weiter befeuert wurden die Nutzungszahlen durch eine Änderung bei den Öffnungszeiten des „Café Kick“. Diese wurden im November 2023 deutlich ausgedehnt, um den offenen Drogenkonsum von den Straßen der Innenstadt noch stärker in die kontrollierte Umgebung des Drogenkonsumraums zu verlagern.
Dies brachte laut Stadt unmittelbar einen Anstieg von rund 260 auf 400 Konsumvorgänge pro Tag. Seitdem bewegten sich die Zahlen auf einem „konstanten Niveau“, schrieb die Stadt Ende 2024 in einer Stellungnahme an den Sozialausschuss des Stadtrats.

Die steigende Zahl der Konsumvorgänge ist ein Erfolg für das Drogenhilfesystem der Stadt. Denn jede Crackpfeife und jede Heroinspritze, die im „Café Kick“ geraucht oder gespritzt wird, wird nicht im öffentlichen Raum konsumiert. Den Mitarbeitenden gibt es außerdem die Möglichkeit, Kontakt mit den suchtkranken Menschen zu suchen und aufzubauen - und ihnen in Notlagen schnellstmöglich zu helfen.
So konnten Café-Kick-Mitarbeitende vergangenes Jahr 126 Menschen im Konsumraum und in seinem direkten Umfeld in Notfallsituationen helfen, die ansonsten schwere gesundheitliche Konsequenzen oder sogar den Tod der Betroffenen zur Folge gehabt hätten.
Die Aidshilfe dokumentierte über 21.000 sozialarbeiterische Gespräche mit Drogensüchtigen, darunter fast 1300 Vermittlungen in weiterführende Einrichtungen, vornehmlich in Entzug- oder Substitutionsbehandlung. Im „Café Kick“ wurden 2024 zudem fast 350.000 benutze Spritzen und Kanülen entsorgt und getauscht.
Genutzt wurden die Angebote des Café Kick im vergangenen Jahr von 1297 Menschen - ein deutlicher Anstieg von rund 250 Nutzerinnen und Nutzern gegenüber 2023. Auch hier ist ein Zusammenhang mit den erweiterten Öffnungszeiten wahrscheinlich.
Eine relevante Sogwirkung - dass das „Café Kick“ also in größerer Zahl Drogenabhängige von außerhalb angezogen habe - kann die Stadt nicht feststellen. Ende 2024 teilte sie mit, dass lediglich 15 der durchschnittlich 180 täglichen Nutzer außerhalb Dortmunds gemeldet und nicht schon vorher fester Teil der Dortmunder Drogenszene waren - ihr Anteil lag bei lediglich 8 Prozent.
Stadt schätzt Zahl der Drogenabhängigen auf 5000
Die Zahl der Café-Kick-Nutzer ist nicht gleichzusetzen mit der Drogenszene in Dortmund. Unter ihnen können auch Menschen sein, die sich nur vorübergehend in Dortmund aufhalten - genauso gibt es Abhängige in der Stadt, die ihre Drogen nicht im Drogenkonsumraum konsumieren und deshalb nicht erfasst werden.
Die Stadt Dortmund schätzt die Zahl der Drogenabhängigen in Dortmund auf rund 5000 Menschen, davon 1400, „die einen problematischen Konsum mit illegalen Drogen haben“ (die restlichen sind 1600 Substituierte und 2000 Cannabis-Abhängige).
Eine Studie von Frankfurter Wissenschaftlern, welche die Zusammensetzung der Drogenszene und ihr Konsumverhalten genauer untersucht, soll im Sommer fertig werden.