Aus Brieffreundschaft wurde Liebe Wie ein Zufall Melina und Thomas zusammenbrachte

Brieffreundschaft machte aus Melina und Thomas ein Liebespaar
Lesezeit

Thomas und Melina wühlen sich gern durch die Postkarten in der Dortmunder Papeterie Bellini auf der Kaiserstraße. Sicher auch deshalb, weil eine Postkarte dafür gesorgt hat, dass die Dortmunderin und der Schweizer die große Liebe entdecken.

Dass die beiden sich gefunden haben, ist entweder Zufall oder Schicksal - je nachdem, woran man glaubt. „Wir haben uns umgekehrt kennengelernt“, sagt Thomas lachend. Was er damit meint: Das erste Mal getroffen haben sich die beiden, als sie sich durch eine anderthalbjährige intensive Brieffreundschaft schon in- und auswendig kannten.

Inhaber Jörg Großmann steht in der Papeterie Bellini in Dortmund mit Melina Struwe und Thomas Streit an einem Postkartenständer.
Ein Paradies für Postkarten-Liebhaber: Das Bellini auf der Kaiserstraße, ein Geschäft für Papeterie und Kunst. Inhaber Jörg Großmann (links) berät Interessenten von Postcrossing wie Melina. © Julia Segantini

Ohne ihr großes Hobby - das Postcrossing - hätten die beiden vermutlich niemals zusammengefunden. Beim Postcrossing registrieren sich Interessierte aus der ganzen Welt auf einem Online-Portal.

Per Zufallsprinzip bekommt man dann eine Adresse zugeteilt, der man eine Postkarte schreiben kann. Das Portal spuckte Thomas willkürlich Melinas Profil aus. Seine Nachricht verzauberte die damals einsame 49-Jährige. Anderthalb Jahre nach der ersten Postkarte sind Thomas und Melina ein glückliches Paar mit großen Plänen.

Thomas ist „schockverliebt“

Seine erste Postkarte an die damals völlig unbekannte Dortmunderin schreibt er mitten in der Nacht. Was er mit dieser Karte auslöst, ahnt der IT-Ingenieur für die Schweizer Post aus Spiez bei Bern nicht.

Ihr interessantes Profil habe „dazu geführt, dass ich ‚schockverliebt‘ diese Karte schreibe“, heißt es in seiner ersten Postkarte am 28. April 2023 an sie. Thomas weiß genau: „Am 2. Mai, fünf Tage und 537 Kilometer später kam die Karte bei Melina an.“ Thomas ist IT-Mann durch und durch, Zahlen und Daten hat er immer parat.

Thomas Streit und Melina Struwe vor einem Kartenständer in der Dortmunder Papeterie Bellini
Thomas und Melina können Stunden mit dem Durchsehen, Getsalten und Verschicken von Postkarten verbringen. In der Papeterie Bellini werden sie immer fündig. © Julia Segantini

Doch seine sensible Art, die sich in der sorgfältig gestalteten Postkarte mit Glitzerschrift und buntem Klebeband zeigt, ist es, die Melina beeindruckt. Ihr gefällt das so gut, dass sie dem Fremden mit der schönen Schrift kurz darauf antwortet. „Seine Schrift war das erste, was ich attraktiv fand“, sagt Melina. Thomas schreibt sehr ordentlich, fast wie gedruckt.

Der begrenzte Platz auf der Postkarte reicht bald nicht mehr. Melina und Thomas tauschen E-Mail-Adressen aus, telefonieren, verabreden sich zu Videoanrufen.

„Eine Umarmung im Briefkasten“

Gleichzeitig stecken weiterhin bunte Karten, seitenlange Briefe und Geschenke im Briefkasten. „Zuhause habe ich einen ganzen Postkartenständer voll nur mit Briefen von Thomas“, sagt Melina und wirft ihrem Partner einen verliebten Blick zu.

Das aufrechtzuerhalten, sei beiden wichtig gewesen. Viel mehr Wert als die schnelle WhatsApp-Nachricht hat bei den beiden das Blatt Papier, das der andere in der Hand gehalten hat.

Die Dortmunderin Melina Struwe und der Schweizer Thomas Streit wühlen sich in der Papeterie Bellini durch einen Postkartenständer.
Manchmal ist es nur ein netter Gruß, manchmal die berührende Geschichte einer fremden Person, die den Postcrossern Melina und Thomas ein Lächeln ins Gesicht zaubert. © Julia Segantini

Melina und Thomas haben zahllose Postkarten von Fremden, in denen ein kurzer netter Gruß steht, aber auch solche, in denen die Menschen ihr Herz ausschütten, weil es manchmal einfacher ist, sich einer fremden Person anzuvertrauen. „Man fühlt sich wirklich mit den Leuten verbunden. Es ist wie eine Umarmung im Briefkasten“, beschreibt Melina. Das führt offenbar nicht nur zu unerwarteten Liebesgeschichten, sondern auch zu verrückten Erlebnissen.

Pornohefte und Kriegs-Postkarten

Melina hat einige unglaubliche Geschichten durch das Postcrossing erlebt. Kurz vor dem Angriff auf die Ukraine schickte sie eine Postkarte an eine Familie. Als dann der Krieg ausbrach, war sie sich sicher, nie wieder von der Familie zu hören. Monate später meldete sich die Familie dann doch.

„Sie sind geflohen und sind dann zu ihrem zerbombten Haus zurück, um zu schauen, was noch da ist. Meine Karte lag noch heile im Briefkasten. Sie haben sich so gefreut, vor allem die Kinder, weil ich für sie etwas gemalt hatte.“ Plötzlich war sie nah dran am Schicksal der Ukrainer. Eine ganze Woche sei sie „kaum zurechnungsfähig“ gewesen, weil diese Geschichte sie „schlicht umgehauen“ hatte und es bis heute tut.

Über eine andere Geschichte schmunzelt sie heute noch. Da fand sie sich plötzlich in einem Sex-Shop wieder, weil ein Mann aus Asien sie bat, schwule Pornohefte für ihn zu besorgen, weil sie in seinem Land verboten seien. Also zahlte Melina 50 Euro Porto dafür, dem Mann seinen Wunsch zu erfüllen. „Man erlebt Dinge, die man sonst wahrscheinlich nie erlebt hätte“, sagt Melina lachend. Mit einer Brieffreundin aus den USA verstand sie sich so gut, dass sie mit ihr den kompletten Südwesten der USA bereiste. Alles nur wegen einer zufälligen Adresse und einer netten Postkarte.

Melina ist sich sicher: „Man schreibt ganz anders. Und es kommen ganz andere und tiefgründigere Themen auf den Tisch, wenn man mit dem Füller schreibt.“ Genau diese Themen sind es schließlich, die Thomas und Melina zusammenführen.

Melina wird zum „Rockstar“

Mit jedem Brief entdecken sie neue Parallelen, vor allem aus der Kindheit. „Das hatte für mich eine ganz besondere Energie. Das hatte ich vorher noch nie mit einem Mann, dass man sich durch die Kindheit so verbunden gefühlt hat“, sagt Melina. Eins ihrer Lieblingsbücher als Kind: „Das Kartengeheimnis“ - der weniger bekannte Roman von Sofies Welt-Autor Jostein Gaarder.

Darin spielt die Joker-Karte eine wichtige Rolle. Ausgerechnet so eine Karte trägt Thomas in seinem Portemonnaie herum, seit er das Buch vor Jahrzehnten das erste Mal gelesen hat. „Wir dachten: Das kann kein Zufall sein“, sagt Thomas. „Zufälle“ wie diese hätten sich derart gehäuft, dass die beiden mittlerweile eher an eine Fügung glauben.

Ein privates Selfie zeigt Thomas und Dortmunderin Melina lächelnd von den Schweizer Alpen
Verschneite Berge sind die Kulisse von Thomas‘ Wohnort in der Schweiz. Melina musste nicht lange überlegen, wo das gemeinsame Zuhause der beiden sein soll. © privat

Spätestens nach dem ersten Anruf war es um die Dortmunderin geschehen. „Das hat ganz viel in mir ausgelöst. Da wusste ich: Wow, diesen Mann muss ich näher kennenlernen.“ Der IT-Ingenieur mit deutlichem Schweizer Akzent erobert ihr Herz mit vielen kleinen Aufmerksamkeiten. Als Melina über Weihnachten in die Reha muss, schreibt er ihr jeden Tag. „Ich war der Rockstar, alle waren neidisch, dass ich so viel schöne und lustige Post bekomme.“

Der 53-Jährige tritt zu einem Zeitpunkt in Melinas Leben, als sie die Hoffnung auf die große Liebe fast aufgegeben hatte. „Ich war lange single und fühlte mich einsam. Ich hatte viele schlechte Erfahrungen mit Beziehungen und war sehr vorsichtig geworden. Und dann kam Thomas.“

Bis zu diesem Zeitpunkt sei sie gegen Kitsch geradezu allergisch gewesen. „Als Single fand ich so Pärchen-Kram doof, vor allem sowas wie Valentinstag. Diesen Valentinstag wollte ich es dann so kitschig wie möglich haben.“ Klar, dass Thomas sie da zu einem romantischen Dinner ausführt.

Das erste Date dauert mehrere Tage

Nach dem ersten Video-Anruf steht fest: Die beiden müssen sich persönlich treffen. Darauf habe sie etwas gedrängt, gibt Melina zu. Sie will nicht länger als unbedingt nötig warten. Im Oktober vergangenen Jahres treffen sich die beiden schließlich in einem Hotel in Nürnberg - in etwa auf der geographischen Weghälfte zwischen Dortmund und Spiez.

Melina erzählt, wie sie zuvor Kosmetiktermine bucht und sich neu einkleidet, um Thomas zu beeindrucken. Melina muss lachen, wenn sie sich daran erinnert. Mit fast 50 Jahren bekommt sie plötzlich wieder Schmetterlinge im Bauch. „Auf einmal fühlt man sich wieder wie ein Teenager.“

Ein privates Selfie zeigt Thomas und Melina auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt
Melina und Thomas auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt. So oft der Job es zulässt, besuchen sich die beiden. © privat

Auch Thomas ist vor dem Date „super nervös“, aus Angst, man könnte sich wortwörtlich nicht riechen. Für den Fall der Fälle buchen die beiden zwei getrennte Zimmer - „auch wenn wir am Ende keine zwei gebraucht haben.“ Nach diesem mehrtägigen Treffen ist klar, was beide schon lange ahnen: Thomas und Melina wollen zusammen sein, obwohl mehr als 500 Kilometer sie trennen.

„Magische“ Momente

Der Schweizer ist sich sicher: „Melina ist meine Seelenverwandte.“ Was er an der 49-Jährigen besonders liebt? „Sie hat eine einmalige emotionale Intelligenz.“ Auf Ausflügen käme sie immer gleich mit fremden Menschen in Kontakt „und die können gar nicht anders, als sie sofort zu lieben.“ Viele Momente mit Melina hätten etwas „Magisches“ an sich.

Es sind die vielen Parallelen aus ihren Kindheiten, die eine Vertrautheit zwischen den beiden geschaffen haben. Beide haben eine starke Verbindung zu ihrem kindlichen Ich, lieben Lego und alles, was sonst noch bunt und fröhlich ist. Das merkt man besonders bei Thomas. In seinen Augen spiegelt sich eine kindliche Verspieltheit, die eine ansteckende Leichtigkeit ausstrahlt.

Umzug in die Schweiz

Die Unterschiede sind es dann, die das Paar zusammenhalten. Wenn in Melinas Kopf mal wieder Chaos herrscht, wirkt Thomas wie ein Anker auf sie, der sie auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Melinas Herzlichkeit, Kreativität und tiefe Wertschätzung sind es wiederum, die den IT-Ingenieur in den Bann ziehen.

So sehr, dass die beiden aktuell nach einem gemeinsamen Zuhause in den Schweizer Alpen suchen. Thomas hat in Spiez ein malerisches Zuhause, eingebettet zwischen Weinbergen, direkt am Thunersee. Es sieht aus wie auf einer Postkarte.

Aus dem beliebten Skigebiet dauert es mit dem Zug nur eine Stunde bis nach Italien. Aus Spiez kann man bequem morgens mit dem Motorrad losfahren, mittags in Chamonix in den französischen Alpen speisen, den Mont Blanc bewundern und abends wieder zurückfahren. Als Thomas das schildert, schaut Melina mit einem Blick, der sagt: „Wer könnte da widerstehen?“ Melina musste jedenfalls nicht lange überlegen.

Zum Thema

Papeterie & Kunst Bellini

Adresse: Kaiserstraße 76

Öffnungszeiten: Mo-Fr 10-18.30 Uhr, Sa 10-14.30 Uhr

Homepage: www.qualitaetsroute-dortmund.de

Instagram: bellinidortmund

Facebook: bellinidortmund