Das Aufatmen war groß, als nach einer langen Zitterpartie das Karstadt-Haus in Dortmund im Mai vorigen Jahres doch noch von der Streichliste des schwer angeschlagenen Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof genommen wurde. Jetzt ist klar: allen, die es gut mit Karstadt meinen, war nur eine kurze Verschnaufpause gegönnt. Nach übereinstimmenden Medienberichten meldet die Kaufhauskette am Dienstag, 9.1., erneut Insolvenz an.
Galeria Karstadt Kaufhof gehört zur angeschlagenen Signa-Firmengruppe des österreichischen Immobilien-Investors René Benko und war in den vergangenen zwei Jahren schon zweimal zahlungsunfähig. Nun braucht es eine erneute Rettung.
Als wir den Dortmunder Betriebsratschef am frühen Montagnachmittag (8.1.) erreichen, ringt der noch nach Worten. „Ich habe erst vor einer Dreiviertelstunde aus den Medien von einer bevorstehenden Insolvenzanmeldung erfahren. Ich habe keine Ahnung, wo die Reise jetzt hingehen soll. Und warum ich davon aus der Presse erfahren muss, weiß ich auch nicht. Das ist keine schöne Situation“, sagt Joffrey Kallweit.
„Ein großer Tanker“
Er ist in diesem Jahr den ersten Tag wieder im Betrieb - und muss dann gleich mit so einer Hiobsbotschaft starten. Dabei schien vor Weihnachten noch alles auf einem guten Weg, auch wenn es natürlich die Meldungen zu den Turbulenzen im Firmenimperium von René Benko schon gab. „Aber“, sagt Joffrey Kallweit, „wir hatten ein gutes Weihnachtsgeschäft und haben auch gute Gespräche mit der Unternehmensleitung über anstehende Veränderungen gehabt. Nur, so ein Konzern ist ein ein großer Tanker. Um den zu bewegen, braucht man mal Ruhe. Die gibt es offensichtlich einfach nicht.“

Auch für Dortmunds Wirtschaftsförderin Heike Marzen kommt die bevorstehende Zahlungsunfähigkeit bei Galeria Karstadt Kaufhof etwas überraschend. „Ich habe vor Weihnachten noch an der vom Deutschen Städtetag organisierten Videokonferenz mit dem Konzernchef Olivier Van den Bossche teilgenommen. Da hieß es zur aktuellen Situation, dass man operativ an fast allen Standorten mehr oder weniger profitabel sei. Und es wurde gesagt, dass man eine gute Zukunftsperspektive sehe“, berichtet Heike Marzen.
Die harte Realität sieht momentan anders aus. Laut Heike Marzen gibt es wohl innerhalb des Konzerns zwei Gedanken, wie man den Warenhausbetrieb retten kann: „Entweder man beteiligt einen Finanzinvestor oder man lässt Galeria Karstadt Kaufhof in einer anderen Warenhausgesellschaft aufgehen.“
Schwere Investorensuche?
Beides dürfte allerdings schwierig werden, so die Einschätzung von Thomas Schäfer, Geschäftsführer des Handelsverbandes Westfalen-Münsterland in Dortmund. „In der jetzigen, krisenbehafteten Zeit einen Investor zu finden, ist schwer“, sagt er.
Bis vor wenigen Tagen hat er sich noch keine großen Sorgen um Karstadt in Dortmund gemacht. Das Haus war schließlich gerade erst von einer Streichliste genommen worden und gehört nach wie vor zu den wohl profitabelsten Karstadt-Häusern in Deutschland. „Man hat gedacht“, so Thomas Schäfer, „es kommt in ruhigeres Fahrwasser und es werden die angedachten Veränderungen beim Sortiment oder zum Thema Erlebnis-Einkauf umgesetzt. Jetzt, mit einer Insolvenzbeantragung für den ganzen Konzern, ist die Lage ernster als man es sich hat vorstellen können.“

Schwer enttäuscht reagiert Cityring-Vorsitzender Tobias Heitmann. „Es ist ja nix passiert bei Karstadt. Es sind keine großartigen Änderungen vorgenommen worden und jetzt kommt mit den Turbulenzen rund um Signa und René Benko einiges zusammen“, sagt der Chef der Interessenvertretung der Dortmunder Innenstadt-Kaufleute und fügt an: „Knapp 700 Millionen Euro an Steuergeldern, die in den vergangenen Jahren zur Rettung an Galeria Karstadt Kaufhof geflossen sind, werden wohl weg sein. Diesmal ist zu befürchten, dass Karstadt in Dortmund wohl endgültig nicht mehr zu retten ist.“
„Wichtig für Dortmund“
Ähnlich besorgt äußert sich Thier-Galerie-Chef Torben Seifert, der neben Tobias Heitmann auch Vorstandsmitglied im Cityring ist. „Das Haus ist wichtig für Dortmund. Es bleibt nur, die Daumen für Karstadt zu drücken. Aber es muss sich auch im Management des Konzerns etwas ändern“, sagt Torben Seifert. Und hilft das Daumendrücken am Ende nichts, dann, so Tobias Heitmann, „bedeutet das für Dortmund einen deutlichen Frequenz- und Attraktivitätsverlust.“
In dem Falle müsse es schnell zu einer Nachnutzung des riesigen Warenhauses im Herzen der City kommen. Es sei an der Zeit einen Plan B zu entwickeln. Dazu sagt die Wirtschaftsförderin der Stadt, Heike Marzen: „Plan A ist der Erhalt von Karstadt. Ich weiß, dass der Eigentümer der Karstadt-Immobilie interessiert ist an einem weiteren Warenhausbetrieb. Wenn es nötig wird, muss er sich Gedanken um die Zukunft der Immobilie machen - und wir sind dann gerne mit am Tisch.“
Als Betriebsratschef von Karstadt in Dortmund ist Joffrey Kallweit jetzt gespannt, wie und wann er offiziell über die Insolvenzbeantragung informiert wird. Mit Interesse verfolgt hat er den Weg der großen Düsseldorfer Modehauskette P&C, die eine Insolvenz in diesem Jahr erfolgreich abwenden konnte. „P&C setzt jetzt verstärkt auf den stationären Handel“, sagt Joffrey Kallweit, „und damit könnte Karstadt auch punkten. Ich bin überzeugt, wenn man ein Warenhaus mit Liebe und Verstand führt und es regional besser aufstellt, dann kann es funktionieren.“
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