Aufnahmestopp bei mehreren Tierarztpraxen in Dortmund Personalkampf mit der Pharmaindustrie

Aufnahmestopp bei Tierarztpraxen: Personalkampf mit Pharmaindustrie
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Etwa 30 Tierarztpraxen gibt es in Dortmund. Mindestens sechs von ihnen nehmen keine neuen Patienten mehr auf. Möglicherweise sind es sogar mehr - einige Praxen waren während dieser Recherche nicht zu erreichen. Tierärzte und -ärztinnen berichten von schwierigen Arbeitsbedingungen und dem Kampf ums Personal.

Die gute Nachricht zuerst: Laut der Tierärztekammer Westfalen-Lippe gibt es in Dortmund keine strukturelle Unterversorgung. Susanne Lözzer ist Tierärztin in Wambel und bei der Kammer für Dortmund zuständig. Sie sagt, die bestehenden Praxen seien flächendeckend verteilt und könnten die Dortmunder Tierhalter und -halterinnen insgesamt versorgen. Allerdings bekomme nicht unbedingt jeder seine Wunschpraxis. Und wer am Stadtrand wohne oder spezielle Tiere halte, müsse gegebenenfalls auch auf nahegelegene Praxen in den umliegenden Gemeinden ausweichen.

„Ich kenne das nicht anders“

Eine der Dortmunder Praxen, die einen Aufnahmestopp verhängt haben, ist die von Petra Dreikauss auf dem Höchsten. Auf unsere Anfrage hin meldet sie sich gegen halb neun Abends zurück. Das sei eine Zeit, zu der sie oft noch in der Praxis sei und Papierkram oder Telefonate erledige. „Ich wusste ja, worauf ich mich einlasse“, sagt Petra Dreikauss zu dieser Arbeitsbelastung.

Für den Aufnahmestopp habe sie sich entschieden, um Wartezeiten im angemessenen Rahmen zu halten und allen Patienten gerecht zu werden. „Das muss ja auch zu bewältigen sein.“ Grundsätzlich spreche sie, wenn sie neue Patienten ablehnen muss, Empfehlungen für Kollegen aus, die noch keinen Aufnahmestopp haben, sagt Petra Dreikauss. Und Notfälle würden in ihrer Praxis selbstverständlich immer behandelt.

Petra Dreikauss hört ein Pferd ab.
Tierärztin Petra Dreikauss kümmert sich von ihrer Praxis im Dortmunder Süden aus auch um Großtiere wie Pferde. © privat

Der tierärztliche Notdienst - außerhalb der oft schon langen regulären Praxiszeiten - muss in Dortmund ebenfalls von den niedergelassenen Tierärzten gestemmt werden. Das liegt daran, dass es in Dortmund, anders als zum Beispiel in Essen und Recklinghausen, keine große Tierklinik gibt. Das binde Mitarbeiter auch am Wochenende, die dann unter der Woche fehlen, sagt Petra Dreikauss. Beim ersten Notdienst, den ihre Praxis kürzlich geleistet habe, sei zudem nicht ein einziger Patient gekommen.

Wenig Selbstständige

Jeden Tag bis 23 Uhr bietet die Praxis von Moritz Ostermann und seinem Vater in Hörde einen Notdienst an. Dort gibt es zudem auch keinen Aufnahmestopp. Das gehe aber nur deshalb, weil sich das Personal der Praxis innerhalb von zwei Jahren verdoppelt habe und mittlerweile im Schichtbetrieb arbeite. „Das ging auch, weil wir für die Notdienste gut bezahlen“, sagt Moritz Ostermann.

Den Kampf um das tierärztliche Personal kämpften die Praxen unter anderem gegen die Pharmaindustrie. Auch dort seien Tierärzte gefragt - bei in der Regel kürzeren Arbeitszeiten und besserer Bezahlung. Der öffentliche Sektor sei ebenfalls ein gefragter Arbeitsplatz für Tierärzte. „In der Praxis gibt es eben nicht nur 9 to 5“, sagt Moritz Ostermann.

Portraitfoto Moritz Ostermann
Tierarzt Moritz Ostermann betreibt zusammen mit seinem Vater eine Praxis in Dortmund-Hörde. © privat

Neben dem Geld gebe es aber noch weitere Faktoren. Mittlerweile seien 90 Prozent der Absolventen und Absolventinnen der Veterinärmedizin Frauen, sagt Moritz Ostermann. „Es braucht eine bessere Vereinbarkeit mit Familie und Kindern als aktuell.“

Und: Viele Tierärzte wollen sich nicht mehr selbstständig machen, sondern sich, wenn überhaupt, einer bestehenden Praxis anschließen. Auch im Tierarzt-Studium spielen unternehmerische Aspekte keine Rolle. Gleichzeitig würden Investoren gerade vermehrt Tierarztpraxen kaufen und unter der eigenen Marke weiterbetreiben.

Wichtig sei es erstmal „den eigenen Laden so zu führen, dass einem die Leute nicht weglaufen“, sagt Moritz Ostermann. Um auch in Zukunft eine angemessene Versorgung sicherzustellen, seien aber auch Reformen nötig - vor allem zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie und bei der Gehaltskonkurrenz mit dem privaten Sektor.