40 Jahre lang hat Antonia S. (85) in ihrem Eigenheim gewohnt. Das Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung baute sie 1984 zusammen mit ihrem Mann. 180 Quadratmeter Wohnfläche, ein fast 500 Quadratmeter großer Garten. Das Ehepaar fühlte sich in den eigenen vier Wänden, umgeben von viel Grün, sehr wohl.
Doch als ihr schwerkranker Ehemann, den sie lange pflegte, 2023 starb, war die noch nicht ganz bezahlte Immobilie für die gelernte Köchin mehr Last als Freude. Schnell stellte sie fest: Auf Dauer kann sie das Haus nicht halten. „Es war viel zu groß für mich und auch zu teuer“, erinnert sich die Seniorin, die bis zum 76. Lebensjahr gearbeitet hat.
Bittere Erfahrung
Es dauerte aber noch einige Monate, bis sie bereit war, ihr geliebtes Haus gegen eine kleine Mietwohnung zu tauschen. Doch als sich die Witwe endlich zum Umzug durchgerungen hatte, stieß sie unvermittelt auf neue Probleme. Womit sie nicht gerechnet hatte: In einer durch und durch digitalisierten Welt hat sie – ein Mensch ohne Internet, Handy und E-Mail-Adresse – keine Chance, eine Mietwohnung zu finden. „Alten Menschen wird es sehr schwer gemacht“, sagt sie. Und sie musste noch eine weitere bittere Erfahrung machen: „An alte Menschen wird nicht gerne vermietet. Man will lieber langfristige Mieter und nicht solche, die schnell sterben könnten.“
Während andere Seniorinnen und Senioren in ähnlichen Lagen oftmals familiäre Hilfe und Unterstützung erfahren, konnte Antonia S. darauf nicht zurückgreifen. Wie also diese verzwickte Situation lösen? Eine Immobilienmaklerin, die sie kontaktierte und der sie von ihrem Dilemma berichtete, meldete sich nie wieder bei ihr. Bei der zweiten hatte sie mehr Glück. Denn mit dieser Maklerin konnte sie einen besonderen Deal aushandeln: Die junge Frau sollte ihr eine Wohnung nach ihren Vorstellungen suchen und alle Formalitäten erledigen, dafür dürfte sie anschließend ihr Haus verkaufen.

Asma Boufeljat, Inhaberin der „Immobilienliebe GmbH“ mit Sitz in Dortmund-Kirchlinde, stimmte zu und ließ sich die Absprache schriftlich bestätigen. Die 27-Jährige betont: „Ich habe für die Dienstleistung kein Geld genommen.“ Rund 25 Stunden habe sie für das unerwartete Projekt benötigt, von der Suche bis zum Abschluss des Mietvertrags.
Schnell habe auch sie erkannt, dass es für Menschen ohne Internetanschluss nahezu unmöglich ist, eine Wohnung, vor allem bei einem großen Wohnungsunternehmen, zu finden. Selbst für sie sei allein die Kontaktaufnahme zu einer deutschlandweit tätigen Immobilienfirma eine große Herausforderung gewesen. „Die war nur online möglich und es hat lange gedauert, bis ich eine Antwort bekommen habe.“ Anfangs sei man ihr misstrauisch begegnet, weil man gedacht habe, sie „dass ich Antonia abziehe und Geld für die Wohnungsvermittlung bekomme.“
Digitales Verfahren
Doch Asma Boufeljat ließ nicht locker, denn die 60 Quadratmeter große Wohnung in der ersten Etage eines Mehrfamilienhauses erfüllte alle Bedingungen der 85-Jährigen: Balkon, Aufzug, Hundehaltung erlaubt. Das komplette Verfahren lief digital ab, so die junge Immobilienmaklerin. So musste der Personalausweis beispielsweise online übermittelt oder der Mietvertrag digital unterschrieben werden. Die komplette Korrespondenz erfolgte per E-Mail. „Ohne Asma hätte ich das nicht geschafft“, sagt Antonia S.
Die 85-Jährige hielt Wort. Nachdem der Mietvertrag unterschrieben war, durfte Asma Boufeljat ihr Haus verkaufen. Eine junge Familie mit zwei kleinen Kindern wird dort in Kürze einziehen. „Sie sollen glücklich werden“, sagt Antonia S. Sie lächelt, aber ihr traurig blickenden Augen sprechen in diesem Moment eine andere Sprache. „Ja, ich bin wehmütig, es sind schwere Gefühle, wenn man aus seinem Haus auszieht“, sagt Antonia S. Asma Boufeljat nickt: „Nach dem Besuch beim Notar hat sie geweint.“ Dennoch: Die Entscheidung sei alternativlos gewesen, so die Seniorin.
Antonia S. ist absolut davon überzeugt, dass es richtig war, sich von ihrem großen, arbeits- und kostenintensiven Haus zu trennen. Ihre aktuellen Lebenshaltungskosten hätten sich dadurch halbiert. Seit zwei Monaten wohnt die 85-Jährige in ihrer kleinen Wohnung, ganz in der Nähe ihrer verkauften Immobilie. Noch seien nicht alle Kartons ausgeräumt, auch der Keller sei hoffnungslos überfüllt. „Ich muss mich noch von vielem trennen.“ Den größten Teil ihrer alten Möbel habe sie aus Platzgründen verschenkt oder zum Sperrmüll bringen lassen. „Hauptsache, meine Lilli ist bei mir.“ Lilli ist ihre kleine Hündin, eine Mischung aus Chihuahua und Jack Russell Terrier. „Tiere sind ganz wichtig für uns alte Menschen, sie nehmen einem die Sorgen“, sagt sie.
Barrierearm ist die neue Wohnung nur bedingt, was für die 85-Jährige aber kein Problem darstellt. „Ich will mich ohnehin nicht zu Hause pflegen lassen. Sobald der Fall eintritt, will ich ins Heim.“ Das Badezimmer würde sie gegebenenfalls auf eigene Kosten altengerecht umbauen lassen, sofern es der Vermieter erlauben würde.
„Besser mit Mitte 70 machen“
„Im Grunde sollte man diesen Schritt schon zehn Jahre früher machen, mit Mitte 70“, meint die Seniorin. Dann sei es sicherlich leichter, in einer neuen Umgebung Fuß zu fassen. Sie sei aber guter Dinge, denn die ersten sozialen Kontakte innerhalb der neuen Nachbarschaft habe sie bereits geknüpft. Mit den neuen Bekannten komme sie gut aus. „Sie waren auch damit einverstanden, dass ich den Eingangsbereich mit meinen bepflanzten Blumenkübeln dekoriert habe.“ Sie hofft, dass sie nun noch ein paar gute und gesunde Jahre in ihrem neuen Zuhause haben wird.
Nach ihrer Erfahrung mit Antonia S. möchte Asma Boufeljat jetzt bei Bedarf weiteren Senioren in der digitalen Wohnungswelt unter die Arme greifen – und zwar stets in dieser Reihenfolge: erst Wohnungs- oder Heimplatzsuche, dann Hausverkauf.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 7. April 2025.