Er gehörte zum Wald wie die Bäume Horst Wulfhorst (†95) ist 2024 gestorben: „Er war eine Institution“

Er gehörte zum Dorney wie die Bäume: Trauer um Horst Wulfhorst (†)
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Jeden Tag war der Dortmunder Horst Wulfhorst mit seinem Klapprad, das nicht ganz so alt war wie er, im Wald unterwegs. Bei jedem Wetter, manchmal schon in kurzer Hose und ohne Socken, wenn andere ihre Sommerkleidung im Kleiderschrank noch gar nicht nach vorne geräumt hatten.

Drei bis vier Stunden täglich radelte der Senior, der bekannt war wie der berühmte bunte Hund, über viele Jahre durch den Dorney in Dortmund-Oespel und -Kley. Hockte sich zwischendurch auf seine Lieblingsbänke am Denkmal oder Sportplatz und löste Kreuzworträtsel. Oder er machte das, was er am meisten liebte: mit den Menschen im Wald reden, mit ihnen lachen, diskutieren, Eis essen. Eis, das er für sie mitgebracht hatte.

„Ich habe immer gesagt, wenn Horst irgendwann nicht mehr mit seinem Fahrrad durch den Dorney fährt, dann wird etwas fehlen“, sagt Kerstin Bremkamp aus Oespel. Genau dieser Fall ist eingetreten. Am 25. Januar 2024 ist Horst Wulfhorst mit 95 Jahren gestorben. „Er hinterlässt eine Lücke.“ Das sagt nicht nur Kerstin Bremkamp. So empfinden es viele.

Der Wald war für den Witwer aus Kley das zweite Zuhause, die Waldgemeinschaft gerade in den vergangenen Jahren wie eine Familie. Vor allem seit dem Tod seiner Frau im Jahr 2012. Mit den täglichen Waldbesuchen ist der Verstorbene der Einsamkeit entflohen und dabei ein Teil des Waldes geworden. Wenn Bäume trauern könnten, sie würden es tun. Hier war er glücklich, hier machte er andere glücklich.

„Horst war sehr charmant“

Denn wenn sich Horst Wulfhorst mit seinem Kult-Rad auf den Weg Richtung Dorney gemacht hat, dann war sein Korb hinten auf dem Gepäckträger niemals leer. „Irgendwas hatte er immer dabei, um uns zu überraschen“, sagen Ruth Stock und Ulla Schröder aus Oespel, die wohl engsten Freundinnen des Witwers. Mal habe er Eis dabei gehabt, mal Kuchen, mal Pralinen.

„Er war sehr charmant, ohne aber aufdringlich zu sein, einfach nur liebenswert“, erinnert sich Kerstin Bremkamp. Es sei ihm immer nur darum gegangen, anderen eine Freude zu machen. Am Muttertag oder Weltfrauentag habe er die Frauen im Wald mit Rosen bedacht, an Weihnachten und Ostern habe er Schokolade verteilt.

Drei Spaziergängerinnen stehen auf einem Waldweg im Dorney in Dortmund-Oespel.
Ruth Stock, Ulla Schneider und Rosi Lachmann (v.l.) haben den verstorbenen Horst Wulfhorst aus Dortmund-Kley sehr geschätzt. Gerne waren sie für ihn ein Teil seiner Ersatzfamilie im Dorney. © Beate Dönnewald

Manchmal habe sie sich bei ihm mit selbstgemachten Kartoffel- oder Nudelsalat revanchiert, sagt Ulla Schröder. Denn Horst sei auch für sie wie ein Familienmitglied gewesen. Wenn er sie und Ruth Stock im Wald verpasst hat, habe er sie gesucht und bei einer von beiden am Fenster geklopft. „Dann habe ich ihm schon mal ein Bütterchen gemacht, Horst war immer so dünn“, sagt Ruth Stock.

Doch nicht nur wegen seiner Großzügigkeit war der Verstorbene so beliebt und geschätzt. „Horst war immer freundlich und zufrieden, er hat nie über irgendetwas geklagt, Schmerzen hat er nie erwähnt“, sagen Rosi Lachmann und Claudia Bora, die ihn ebenfalls oft im Wald getroffen haben. Gerne hätten sie ihm zugehört, wenn er von seinen Kanada-Reisen erzählt hat. „Dort wohnte einer seiner drei Brüder.“ Auch witzig und humorvoll sei er gewesen.

„Dorney war die zweite Heimat“

„Er war immer total interessiert, zum Beispiel an unseren Hobbys. Er hat uns Löcher in den Bauch gefragt, er konnte sehr gut zuhören“, sagt Kerstin Bremkamp. Sie habe auch die hilfsbereite und mitfühlende Seite von Horst Wulfhorst geschätzt. „Als eine Bekannte einen Schlaganfall erlitten hatte, hat er sich wahnsinnig toll um sie gekümmert. Sie konnte nur ganz langsam mit ihrem Rollator laufen, er hat sie immer begleitet.“ Horst sagt sie, sei schon so etwas wie eine Institution im Dorney gewesen. Und ein Unikat sowieso.

Für seinen Sohn Gerhard, der in Salzgitter wohnt, war es beruhigend zu wissen, dass sein Vater im Dorneywald eine Art Ersatzfamilie gefunden hat. „Der Wald war seine Heimat.“ Zu seiner Beerdigung auf dem Friedhof in Oespel seien viele Menschen gekommen, die er nicht kannte. „Und das, obwohl das Wetter ganz mies war, alles stand unter Wasser.“ Das habe ihn sehr berührt und gefreut, sagt Gerhard Wulfhorst.

An einem Baum im Dorney in Dortmund-Oespel hängt ein Foto.
Ein Baum im Dorney wurde zur Erinnerungsstätte für den Dortmunder Horst Wulfhorst: Dort hängt ein Foto, wo man Blumen hinterlassen kann. © Beate Dönnewald

Das letzte halbe Jahr musste der Senior aus Kley sein Klapprad stehen lassen. Die Fitness und Gesundheit hatten nachgelassen, einige Mal war er mit dem Rad gestürzt. Doch die Waldbesuche ließ er sich deshalb noch lange nicht nehmen. Statt mit dem Rad kam er mit dem Rollator – nur kurz vor seinem Tod ging auch das nicht mehr.

„Er fehlt uns“, sagen Ruth Stock und Ulla Schröder. „Immer, wenn wir an seiner Bank am Denkmal vorbeikommen, sehen wir Horst dort sitzen.“ Sogar Hund Don würde um ihn trauern. „Er bleibt jedes Mal an der Bank stehen und hält nach ihm Ausschau.“

Auch viele, die nicht so eng mit Horst Wulfhorst befreundet waren, vermissen ihn. „Dieser kleine, nette Plausch mit ihm, der fehlt mir und meinem Mann einfach“, sagt Kerstin Bremkamp. Genauso wie die schlauen Fragen, die er ihnen immer für seine Kreuzworträtsel gestellt hat. „Und auf die wir keine Antworten wussten.“

Der Dortmunder Horst Wulfhorst und sein Bruder sitzen auf einer Bank in Kanada.
Der Dortmund Horst Wulfhorst (r.) mit seinem „kleinen“ Bruder in Kanada vor zehn Jahren. Alle drei Brüder verstarben innerhalb eines Jahres. Horst, obwohl der Älteste, starb als Letzter. Damit endet eine fast 100-jährige Geschichte. © Wulfhorst

Rosi Lachmann tröstet sich mit dem Foto, das an einem Baum in der Nähe des Sportplatzes hängt. Geschützt mit einer Klarsichtfolie, geschmückt mit Blumen. „Unvergessen“ und „In stillem Gedenken“ ist darauf zu lesen. Wer die liebevolle Erinnerung dort platziert hat, ist nicht bekannt.

Rosi Lachmann sagt: „Früher habe ich ,Hallo‘ oder ,Guten Morgen‘ zu Horst auf dem Fahrrad gesagt, jetzt sage ich das, wenn ich sein Foto sehe.“ Jeden Tag ginge sie daran vorbei. „Ich hoffe, dass das Bild noch lange hängen wird.“

Hinweis der Redaktion: Der Artikel erschien erstmals am 10. März 2024. Nun haben wir ihn neu veröffentlicht.