Wie Brigit Oechsli Frauen in schweren Lagen hilft, gute Mütter zu werden

© Christin Mols

Wie Brigit Oechsli Frauen in schweren Lagen hilft, gute Mütter zu werden

rnSchwangerschaftsberatung

Schwanger zu sein ist für viele Frauen und Paare ein Grund zur Freude. Die Herausforderung kann in verzwickten Lebenssituationen aber auch zu groß erscheinen. Familienhebammen helfen.

Dortmund

, 22.08.2019, 06:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Das kleine Mädchen in seiner Karre quiekt vergnügt. Mit seinem süßen Lachen und den großen Augen bringt es alle um sich herum zum Strahlen. Nur die junge Mutter kämpft mit den Tränen. Scham, Schuldgefühle, Dankbarkeit, Freude. Es sind viele Gefühle, die hier zusammenkommen.

Hier. Das ist die Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle „donum vitae“. Gegenüber der Reinoldikirche, am Friedhof 4, in der dritten Etage sitzt die Dortmunderin in einem Beratungszimmer und streichelt den Fuß ihrer Tochter. Als ihre Frauenärztin ihr den Tipp mit der Beratungsstelle gab, war sie in der 16. Schwangerschaftswoche. Das ist bald eineinhalb Jahre her. Lange hatte sie nicht gezögert. „Die Angst, dass ich es nicht hinbekomme, war groß, ich war offen für Hilfe“, sagt die junge Frau, die unerkannt bleiben möchte.

Hilfe bei sozialer und gesundheitlicher Belastetung

Sie hat Depressionen, leidet unter einer Persönlichkeitsstörung. Auch während der Schwangerschaft nahm sie starke Medikamente. Im Gespräch mit der Beraterin bei „donum vitae“ wurde bald klar, dass es in diesem Fall einen besonderen Unterstützungsbedarf gibt. Schon wenige Wochen später stellte sich Brigit Oechsli vor.

Die Schweizerin ist seit Mitte August 2013 als ausgebildete Familienhebamme im Team der Beratungsstelle. Sie bringt fast 30 Jahre Erfahrung als Hebamme mit und unterstützt Familien in sozial und gesundheitlich belasteten Lebenssituationen.

Um die Bindung zwischen Eltern und Kind zu einem frühen Zeitpunkt zu stärken, sei es sinnvoll, die Betreuung in der Schwangerschaft zu beginnen. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass die ersten Schwellen bereits geglättet werden können und der Start der kleinen Familie mit wesentlich weniger Hindernissen beginnen kann“, so die Familienhebamme. Bis maximal zum Ende des ersten Lebensjahres des Kindes besucht Brigit Oechsli die Familien alle ein bis zwei Wochen.

Der Bedarf an Familienhebammen sei groß

„Sie ist wie ein Auffangnetz für mich“, sagt die junge Mutter. „Wenn ich einen schlechten Tag habe, ich unsicher bin oder einfach eine Frage habe, ist sie als Ansprechpartnerin für mich da.“ Im Mittelpunkt der Arbeit der Familienhebamme können neben der Bindungsarbeit unter anderem Säuglingspflege oder Ernährung stehen. Oft ist auch die Veränderung im Familiensystem und die damit verbundene Umstellung, zum Beispiel der Paardynamik, Thema. Familienhebammen unterliegen der Schweigepflicht.

2018 hat Brigit Oechsli in Dortmund 26 Familien betreut, das macht 266 Hausbesuche. In 2019 waren bis Ende Juni 18 Familien und 151 Hausbesuche. Der Bedarf sei groß. Als Familienhebamme ist Brigit Oechsli in Dortmund Teil eines achtköpfigen Teams von staatlich examinierten Fachkräften mit Zusatzausbildung, die beim Gesundheitsamt und den vier örtlichen Schwangerschaftsberatungsstellen arbeiten. Das Angebot ist gratis.

Die Finanzierung ihrer 50-Prozent-Stelle ist durch die Stadt Dortmund über Mittel der Bundesinitiative „Frühe Hilfen“ bis Ende 2021 gesichert. „Das Geld dürfte gern etwas mehr sein“, sagt Brigit Oechsli. Seit sechs Jahren werde das gleiche Gehalt bezahlt. „Und selbst, wenn ich mehr arbeiten wollte, wäre kein zusätzliches Geld da. Leider.“

Mit der Zeit entstehe eine enge Bindung

Schon bald wird ihre Arbeit bei der alleinerziehenden Mutter, die an diesem Tag zu Besuch in die „donum vitae“-Beratungsstelle gekommen ist, enden. „Der Abschied fällt mir oftmals sehr schwer“, sagt Brigit Oechsli, denn mit der Zeit entstehe eine sehr vertrauensvolle und enge Bindung zu den Klienten.

„Wenn ich mir deine Tochter anschaue und sehe, wie offen und fröhlich sie ist, dann sehe ich, dass hier sehr viel richtig läuft“, tröstet sie die junge Frau, die ihre Tränen getrocknet hat und inzwischen wieder lächelt. Für Brigit Oechsli ist Familienhebamme ein Traumjob.

Zur Sache

  • „donum vitae“, Friedhof 4, ist eine staatlich anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle.
  • Frauen und Männer können sich mit allen Fragen rund um Schwangerschaft an die Beratungsstelle wenden. Die Beratung ist kostenlos, vertraulich und unabhängig von Nationalität oder Religionszugehörigkeit.
  • Die Beraterinnen unterliegen der Schweigepflicht. Eine Beratung kann auch anonym erfolgen.
  • Das Beratungsangebot können Hilfesuchende vor und während einer Schwangerschaft und bis zum 3. Lebensjahr ihres Kindes nutzen. Auf Wunsch wird der Kontakt zur Familienhebamme hergestellt, die Familien im ersten Lebensjahr weiter begleiten kann.
  • Weitere Informationen unter Tel. (0231) 17 63 874 oder www.donumvitae-paderborn.de
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