DJ Bobo kommt mit einem Raumschiff in die Westfalenhalle

© Florian Ostermann

DJ Bobo kommt mit einem Raumschiff in die Westfalenhalle

rnKult-Star im Interview

Ein kleines Studio in Erftstadt nahe Köln. Mitten im Wohngebiet. Hier schreibt DJ Bobo an seinem neuen Album und probt für seine Tournee, mit der er auch nach Dortmund kommt. Ein Interview.

Dortmund

, 18.11.2018, 04:13 Uhr / Lesedauer: 8 min

Mit „KaleidoLuna“ kommt der Schweizer am 7. Juni 2019 in die Dortmunder Westfalenhalle. Uwe Becker hat mit ihm gesprochen.

Sie sind in diesem Jahr 50 geworden. Registriert man das, macht einem das als Musiker vielleicht sogar ein bisschen Angst?

Ein DJ Bobo wird nicht 50. Der ist in meiner Gefühlswelt ein ewig junges Wesen. Das geht mir wirklich so, obwohl es sich verrückt anhört. Wenn ich mich sehe oder arbeite, fühle ich mich wie ein ewig junger Geist. Körperlich habe ich schon vor vielen Jahren angefangen mich zurückzunehmen. Da kannst du neben den jungen Tänzerinnen und Tänzern einfach nicht bestehen. Diesen Kampf wollte ich auch gar nicht erst nicht führen. Aber mental bin ich noch voll dabei. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich mit 12 und 16 noch junge Kinder habe. Ich bin ja auch mit den neuen Medien voll vertraut, da habe ich nie den Anschluss verloren.

Ein später Vater also…

Meine Frau und ich wollten ja eigentlich keine Kinder. Und dann mit der Zeit haben wir gesagt, dass es doch nicht so schlecht wäre. Dann fanden wir die Idee super und dann mega. Plötzlich wussten wir, dass es uns vollkommen machen würde. Wir haben seitdem viel mit der ganzen Familie erlebt. Dazu beigetragen hat natürlich auch, dass sich die Großeltern haben frühpensionieren lassen, als das erste Kind kam. Sie wollten ihr Leben in den Dienst der Enkel stellen. Das war der magische Satz schlechthin, er zeigt eine unglaubliche Größe, weil diese Menschen bereits gewusst haben, worauf es im Leben ankommt. Meine Frau und ich waren damals noch nicht soweit. Mit Mitte 30 ist man halt noch schwer karriereorientiert. Weil die Großeltern diese wichtige Entscheidung getroffen haben, konnten wir die Kinder zum Beispiel immer auf Tour mitnehmen. Wir haben allerdings auch mal ein Jahr Auszeit genommen, als uns bewusst wurde, welchen Stellenwert die beiden bei uns inzwischen eingenommen haben.

Hört der Nachwuchs DJ Bobo?

Nein, beide nicht. Ich habe sie kürzlich noch gefragt, was sie denn hören, weil das viele Leute von mir wissen wollen. Die Zwölfjährige sagte: „Ich höre alles“, der 16-Jährige ist da differenzierter. Bei ihm sind es Tupac, Eminem und einige ausgewählte Deutschrapper. Aber nur ganz Ausgewählte.

Kommen wir nochmal kurz auf die 50 zurück, die wir dann auch verlassen wollen: Beatles oder Stones, wem gibt oder gab DJ Bobo den Vorzug?

Ich war immer Beatles-Fan. Ich war sogar noch Elvis-Fan. Die Platten habe ich, soweit ich weiß, von meiner Mutter bekommen. Bei mir war dann in der Pubertät aber sehr schnell auch Queen angesagt. „Live Killers“ hieß die erste Scheibe, die ich mir von denen gekauft habe. Ich habe damals Schlagzeug gespielt, und da gab es ein Solo, das ich unbedingt nachspielen wollte. Deshalb bin ich auch froh, dass es jetzt den Kinofilm gibt. Der ist unglaublich gut.

Aber eine wichtige Seite von Freddie Mercury wird da angeblich ausgespart: Seine Suche nach der sexuellen Richtung. Plötzlich hat er HIV.

Ich glaube, das kommt schon rüber. Dieses Drama, das er durchmacht, sowohl was Drogen als auch Beziehungen angeht. Er ist irgendwann völlig am Ende. Und der Film endet bei „Live Aid“, als er der Band kurz vorher sagt, dass er Aids hat und daran sterben wird. Und dann geht es auf die Bühne. Das ist großartig und bewegend gemacht. Du läufst aus dem Kino raus und sagst: Das war geil. Mehr Verfall muss man von ihm nicht sehen. Das Publikum übrigens bestand im Kino aus zwei Generationen: 15 bis 25 und 50 plus.

Eine Parallele zu den Konzerten von DJ Bobo?

Nicht ganz. Wir wissen sehr genau, wer meine Konzerte besucht. Haben wir gestern noch analysiert. Das Durchschnittsalter liegt bei 42 Jahren, es kommen 60 Prozent Freuen und 40 Prozent Männer, die Zielgruppen sind 25 bis 34 in der Hauptsache. Unter 25 wird es schwierig und über 60.

Der Tourneeort Dortmund hat für Sie eine besondere Bedeutung. Beim Hubschrauberabsturz 1996 waren zwei Freunde von Ihnen an Bord, einer hat als einziger der Insassen überlebt. Kommt man da mit gemischten Gefühlen in die Westfalenhalle?

Immer am 6. Juni denke ich sehr intensiv an diesen Tag zurück. Ich muss das Datum gar nicht wissen, es ist hier oben eingebrannt, plötzlich sind die Bilder präsent. Einer aus meinem Team ist gestorben, der andere hat überlebt. Mit ihm spiele ich heute noch Golf, wir haben den Kontakt nie verloren, obwohl er längst etwas anderes macht. Dortmund weckt deshalb nicht nur negative Erinnerungen. Es waren schlimme Stunden damals, weil wir lange nicht wussten, wer der Überlebende war. Man macht sich da völlig wirre Gedanken. Nein, ich verbinde nichts Negatives mit Dortmund und schon gar nicht mit der Westfalenhalle, weil diese Halle bei mir auch einen festen Platz in der Historie aus anderen Gründen hat. Ich war mal bei der Bravo-Supershow dabei, da waren backstage auf dem Boden die Namen der Künstler mit Hilfe von Schablonen auf den Boden gesprüht. Und auf dem Weg zur Bühne ist man über Prince, die Simple Minds und viele andere Superstars gestiegen. Und ich habe mir gesagt: Eines Tages spielst du vielleicht mal allein hier. Bleib einfach dran. Vielleicht steht dein Name auch mal da. Und jetzt spiele ich das elfte Mal dort.

Die Shows von DJ Bobo zeichnen sich durch opulente Technik aus. Hat man da nicht das Gefühl, dass der Künstler hinter der Technik zurücksteht?

Das ist einfach mein Steckenpferd. Da schließt sich der Kreis zu Queen und deren Bühnenshows und zu Michael Jackson, mit dem ich aufgetreten bin. Die hatten halt diese gigantischen Bühnenshows und wollten sich auch durch die Visualisierung von den Kollegen abheben. Bei Michael kam noch der Tanz hinzu. Für mich war klar, dass das meine Inspiration sein sollte. Man musste mich im Gegenteil aus wirtschaftlichen Gründen immer bremsen.

Was gibt es 2019 zu sehen?

Dieses Mal kommen wir mit einem Raumschiff. Wir haben die Technologie natürlich nochmal weiterentwickelt. Es wird eine Mischung aus dreidimensionalen Bauten und Videotechnologie. Und zwar nicht LED-Wände, wie es alle anderen machen, sondern wir setzen auf Videomapping. Das heißt, man bespielt helle Fronten, die dreidimensional aufgebaut sind und erweckt sie per Video zum Leben. Das ist sehr speziell und muss genau geplant werden, weil ja auch die Menschen auf der Bühne mit in diese Beleuchtung einbezogen werden. Übertreibst du da, schießt du dir die ganze Technik ab. Für uns ist das ein neuer Weg, den wir vor sechs Jahren mal angedacht haben. Inzwischen ist die Technik soweit, dass man sie gut einsetzen kann.

Es gibt inzwischen Künstler wie Ed Sheeran, die wieder puristischer unterwegs sind. Ist das auch für Sie vorstellbar?

Nein, so sehe ich mich nicht. Dafür bin ich nicht gut genug mit der Stimme. Ich bin auch der Produzent des ganzen und weiß sehr genau, wo meine Stärken und Schwächen liegen. Jemand, der das Glück hat wie ich und auch produzieren darf, holt sich immer die besten Leute. Und wenn du dich mit denen umgibst, merkst du sehr schnell, wo du selbst stehst. Fürs eigene Ego ist es natürlich manchmal etwas schwierig, aber da gehe ich durch. Ich möchte mich unplugged lieber nicht hören. So viel Ehrlichkeit muss sein. Da braucht es eine Stimme und Songs wie bei Ed Sheeran.

Wie sieht es mal wieder mit einem Duett aus?

Warum nicht? Aber so etwas ist schwer zu planen. Momentan habe ich keinen Kandidaten. Es muss matchen, wie bei Irene Cara damals und „What a Feeling“. Natürlich gibt es Duette, die rein marketingtechnisch zusammengestellt werden. Aber das funktioniert nur bis zu einem gewissen Grad. Das ist nicht meins.

Sie engagieren sich auch für das Welternährungsprogramm der UNO. Fällt es einem da schwer, trotz der immer wieder neuen humanitären Katastrophen am Ball zu bleiben und nicht aufzugeben?

Ich habe mich damals auf Äthiopien fokussiert und habe mich eine Woche vor der ersten Reise dorthin mit Bob Geldof und Peter Maffay getroffen und nach Tipps gefragt. Bob Geldof hat dann gesagt: „Schaue auf das große Bild.“ Ich habe das erst nicht verstanden. Er sagte dann, ich müsse lernen, den Menschen, der gerade neben mir verhungert, nicht als den einzigen Maßstab zu nehmen. Das sei das Härteste. Ich habe gedacht, das ist doch nicht der liebevolle, menschliche Bob, den ich kenne. Aber er hatte vollkommen recht. Man muss also lernen, das große Ganze zu sehen, auch wenn man Einzelnen nicht helfen kann oder darf. Ich war keine zehn Minuten in Äthiopien, als ich das gemerkt habe. Einzelnen zu helfen, kann nicht das System sein. Die UNO hat ein Schulspeisungsprogramm gemacht und wirklich das Essen nur an die Kinder ausgegeben, die zur Schule gingen. Dadurch haben sie es geschafft, dass Eltern ihre Kinder in die Schule geschickt haben, damit sie nicht verhungern. Das gilt auch für die Mädchen, die sonst noch weniger Chancen auf Bildung als die Jungen gehabt haben. So hat eine ganze Generation Rechnen und Schreiben gelernt, die das sonst nie gedurft hätte. Das große Ganze hat funktioniert, das ist das System dahinter. Da kommt kein Frust auf, wenn man das mitbekommt. Es muss kein Geld fließen, sondern man muss Möglichkeiten schaffen. Ein paar Säcke Reis helfen da nicht.

Zurück zur Musik. Wir sind in einem kleinen Studio in Erftstadt. Wie kann man da eine Produktion abliefern, die so opulent ist, wie man es von Ihnen gewöhnt ist?

Wir haben eingangs von einem Mischpult mit 64 Spuren gesprochen. Das ist heute lächerlich. Wir haben gerade einen Song fertiggestellt, der 381 Spuren hat. Das Gute ist: Du kannst ihn auf dem Computer mitnehmen, ihn an die Band verschicken und jeder gibt einen weiteren Teil dazu, entwickelt ihn weiter. Samt Chor und mit allem Drum und Dran. Durch diese Technik kann man sich mehr Zeit für einen Song lassen, weil man ein Studio nicht über lange Zeiträume mieten muss und kleine Aufkleber an die Regler machen muss, die signalisieren, bei welchem Song und an welcher Stelle er wie eingestellt sein muss. Das ist extrem komfortabel. Man kann mehrere Monate an einem Titel arbeiten. Du hast ihn immer bei dir.

Aber je mehr Möglichkeiten, je intensiver muss man sie nutzen.

Das kommt mir sehr entgegen. Ich bin Perfektionist. Die letzten 20 Prozent sind die härtesten bei einem Song. Auf einen gewissen Level kommen alle. Dann fängt es an, wehzutun. Das ist die wirklich wichtige Phase.

Wie wichtig sind Charterfolge für Sie?

Gar nicht mehr. Wirklich nicht. Klar würde ich mich über eine Nummer 1 in Deutschland freuen, weil ich die noch nicht hatte. Tonnenweise Top Ten, aber eben keine Nummer 1. Aber das ist wirklich Nebensache. Den Kampf mit den Charts verlierst du mit fortschreitendem Alter. Die Zielgruppe, die die Charts bestimmt, ist nicht mehr die Zielgruppe, die mich begleitet. Es sind die bis 25-Jährigen, die bei mir halt aktuell nicht stattfinden. Deshalb bin ich froh, dass ich diesen Kampf nicht mehr führen muss. Und das wird so bleiben, solange man mich noch sehen will.

Was überzeugt die über 25-Jährigen?

Ich weiß es wirklich nicht. Ich komme aus den 90ern, wo Eurodance für ein paar Jahre die Musik weltweit bestimmt hat. Davor und danach wurden wir von Amerika dominiert. Das war in den 90ern noch eine relativ entschleunigte Zeit. Vielleicht sehnt sich mancher wieder ein bisschen danach zurück, weil er etwas Positives damit verbindet. Ich habe kürzlich noch mit meinem Sohn „Jurassic Park 1“ geschaut. Das war schwierig, weil die Schnitte nicht so schnell waren wie heute. Man muss sich tatsächlich eine Zeit lang konzentrieren. Und vielleicht möchte der ein oder andere dahin wieder zurück.

Und ein Vier-Minuten-Lied am Stück erleben. Können sich Menschen heute tatsächlich noch so lange konzentrieren?

Uns hilft natürlich schon ein wenig die Technik. DJ Bobo darf Songs verändern, er muss viele Kostüme liefern, und er darf mit Technik spielen. Wir sind wirklich Vorreiter einer ganzen Live-Entertainment-Branche. Ich hänge irgendwo zwischen Cirque du Soleil und einem Pop-Konzert. Und die Leute freuen sich auf diese Mischung. Die wissen: Da, wo der ist, ist irgendwie auch vorne. Das weiß auch meine Crew: Die Kollegen kommen, um uns zuzuschauen, was wir da machen. So soll es bleiben. Und wir versuchen die Mischung zu finden aus Songs, bei denen man ruhig zuhören kann und solchen, bei denen wir das Tempo massiv anziehen. Das muss man über die Jahre auch erst lernen. Ich habe die Sicherheit, mit einer sehr guten Truppe zusammenarbeiten, die mein mittelmäßiges Können als Sänger und Tänzer kompensiert. Ich bin heute eher Trainer als Mitspieler. Aber so funktioniert eine gute Mannschaft.

Gab es nicht den Versuch, Sie und Ihre Musik mal neu zu erfinden?

Ja, und einmal habe ich drauf gehört. Da war ich unsicher. Das war ein Fehler. Mache ich nicht nochmal. Musik darf nie demokratisch sein. Der Chef bestimmt, wo es hingeht. Und der bin ich. Es ist ein bisschen eine Diktatur. Aber anders geht es nicht. Sonst hätten wir heute, um wieder zu Queen zu kommen, keinen Song wie „Bohemian Rhapsody“. Den wollte keiner haben. Aber die Band hat sich durchgesetzt.

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