Digitale Karte soll Geflüchteten das Ankommen leichter machen

© Annette Bathen

Digitale Karte soll Geflüchteten das Ankommen leichter machen

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Gemeinsam mit dem Dortmunder Netzwerk für Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe hat die Uni Siegen eine digitale Karte entwickelt um Geflüchteten die Ankunft in Dortmund zu erleichtern.

von Kevin Kallenbach

Dortmund

, 01.11.2018, 05:10 Uhr / Lesedauer: 3 min

„Es ist schwer hier Anschluss zu finden“, berichtet Kedane, der aus Eritrea geflohen ist. In seiner Heimat sei man ganz von selbst auf der Straße oder in einem Café mit Anderen ins Gespräch gekommen. Hier würden die meisten Leute ihn nur schräg anschauen, wenn er sie etwa in der Bahn ansprechen würde. Deshalb besucht Kedane einen Sprachtreff für Geflüchtete.

Jeden Donnerstag trifft er sich in der Heinrichstraße mit ungefähr zehn weiteren Menschen – Geflüchteten verschiedener Nationalitäten und Ehrenamtlichen. Sie unterhalten und diskutieren über verschiedene Themen, planen zusammen Unternehmungen und helfen sich gegenseitig. Alle wissen, wie es ist neu in Dortmund zu sein, was die Sprachbarriere für Probleme verursachen kann, wie allein man mitunter ist. „Am Anfang wusste ich nicht, was ich machen soll, wenn ich einen Brief vom Amt bekam“, erinnert sich einer der Geflüchteten. Er hätte sich irgendwie Hilfe gewünscht.

Eine Karte, die Fragen beantwortet

Ein Dilemma, dem sich die Gruppe angenommen hat: Im Zuge des Projekts „Nett-Werkzeug“ der Universität Siegen haben sie eine interaktive Karte entwickelt, die Hilfe beim Ankommen bietet. „Das Problem mit herkömmlichen digitalen Karten, wie Google Maps, ist, dass man in gewisser Weise schon einen Plan haben muss, was man überhaupt suchen will“, meint ein Mitarbeiter des Projekts. Nur sei genau das die Schwierigkeit wenn man komplett neu in einem Land sei. Man müsse erst wissen, dass man etwa mit Briefen von den Ämtern zu einer der zahlreichen Dortmunder Flüchtlingsorganisationen gehen kann und einem dort geholfen wird, bevor man nach einer Adresse suchen kann. Mit generellen Fragestellungen seien die herkömmlichen digitalen Karten komplett überfordert.

Deswegen kann man der Dortmund-Karte der Uni Siegen auch Fragen stellen. Aus einem Katalog vorgefertigter Fragen wählt der User einfach die für in passende aus oder gibt ein Schlagwort ein. Anschließend werden im gesamten Stadtgebiet entsprechende Orte angezeigt. Und das alles ist in acht verschiedenen Sprachen möglich.

Dabei war es den Projektverantwortlichen von Anfang an wichtig, nicht nur bürokratische Fragen zu beantworten. Auch Fragen, die das alltägliche Leben betreffen, haben Eingang in die Karte gefunden. So gibt es etwa auch die Auswahlmöglichkeiten „Wo können meine Kinder Freunde finden?“ oder „Ich möchte Fahrrad fahren lernen.“ „Letztendlich fängt Ankommen im Alltag an. Um sich integrieren zu können, muss man überhaupt erst wissen, dass es Angebote gibt“, meint ein Projektmitarbeiter.

Gemeinsame Arbeit mit den Geflüchteten

Von Anfang an war es den Verantwortlichen wichtig Ehrenamtliche und Geflüchtete am Projekt „Nett-Werkzeug“ zu beteiligen. Bereits bei der Entwicklung der Fragen wurden sie hinzuzugezogen. „Schließlich wissen die Betroffenen selbst am Besten, welche Fragen sie durch unsere Karte beantwortet haben wollen“ sagt ein Mitarbeiter.

Gerade bei der Umsetzung der Karte in verschiedene Sprachen, sei die Hilfe der Geflüchteten unerlässlich gewesen. „Die englische und französische Version konnten wir noch selber stemmen. Aber bei der arabischen wären wir ohne die Hilfe der Geflüchteten verloren gewesen“, meint eine andere Projektmitarbeiterin.

Auch das Know-How der Dortmunder Ehrenämtler wäre unersetzlich für die Seite gewesen, insbesondere was die Bereiche Rechtsberatung und Ämter angehe.

Ein Werkzeugkasten für die Flüchtlingsarbeit

Neben der interaktiven Karte hat die Uni Siegen in Zusammenarbeit mit den Dortmunder Netzwerk für Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe und den Flüchtlingen auch einen personalisierten Sprachkursfinder entwickelt. Und die kreativen Köpfe des Projekts, egal ob Ehrenämtler, Geflüchtete oder Uni-Angestellte, arbeiten auch schon an weiteren digitalen Werkzeugen: Als nächstes soll ein Programm entwickelt werden, dass Artzgespräche für beide Seiten erleichtern soll. Mit der Stadt Siegen gibt es auch bereits den ersten Interessenten an den entwickelten Tools.

Generell übernehmen die Mitarbeiter der Universität Siegen das technische Know-How, entwickeln Prototypen und stehen in Kontakt mit einer Düsseldorfer Programmierfirma, die die endgültigen Versionen entwickelt. Die Ehrenamtlichen und Geflüchteten sind für die Pflege der Datenbank verantwortlich, sammeln Orte für die Karte und schreiben kurze Beschreibungen. Die Ideen für weitere Programme werden gemeinsam entwickelt.

Von Dortmund aus, möchte man ganz Deutschland erreichen

Der Ausgangspunkt Dortmund sei eher zufällig gewählt worden, erklärt eine Projektmitarbeiterin: „Wir waren schon im Rahmen eines anderen Projekts seit mehreren Jahren in Dortmund vernetzt. So haben wir 2015 unmittelbar miterlebt, welche Herausforderungen mit der Ankunft der geflüchteten Menschen verbunden war. Wir hatten ein Projekt mit Geflüchteten schon länger im Hinterkopf. Da kam eins mit dem anderen zusammen.“

Doch Dortmund soll für das Projekt Nett-Werkzeug auch nur die erste Station sein. Die mit EU-Geldern entwickelten digitalen Tools können eins zu eins auf andere Städte übertragen werden – das eigentliche Projektziel.

Parallel sind auch die Arbeiten an der Karte noch lange nicht vollendet. So werden immer noch Daten gesammelt. Daher sind interessierte Ehrenämtler mit und ohne Fluchthintergrund immer willkommen zu helfen. Die Gruppe trifft sich jeden Donnerstag um 18:30 in der Heinrichstraße 1.