Dieser Dortmund-Tatort ist eine einzige Trauerbewältigung Der erste Fall ohne Anna Schudt

Der nächste Dortmund-Tatort ist eine einzige Trauerbewältigung
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Hauptkommissarin Martina Bönisch (Anna Schudt) spielt zwar nur noch eine kleine Gastrolle im nächsten Dortmund-Tatort, doch nach ihrem gewaltsamen Tod in der letzten Episode „Liebe mich“ ist die Trauer um sie allgegenwärtig. Dieser 22. Tatort aus Dortmund, der am 15. Januar im Ersten ausgestrahlt wird, ist eine einzige Trauerbewältigung – nicht nur für Hauptkommissar Peter Faber (Jörg Hartmann).

Faber kann nicht schon wieder arbeiten, er ist krankgeschrieben und lebt im Wald in seinem Manta. Er steht wieder wie vor zehn Jahren am Abgrund. Mit wirrem Haar, Wuschelbart und nackt springt er zwar nicht vom Hochhausdach, aber von der Staumauer des RWE-Pumpspeicherbeckens in Herdecke.

Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) ist nach dem Tod seiner Kollegin Martina Bönisch wie vor zehn Jahren ein psychisches Wrack. An der Staumauer eines Pumpspeicherwerks macht ihn Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) ausfindig.
Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) ist nach dem Tod seiner Kollegin Martina Bönisch wie vor zehn Jahren ein psychisches Wrack. An der Staumauer eines Pumpspeicherwerks macht ihn Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) ausfindig. © WDR/Bavaria Fiction GmbH/Kost

„Du bleibst hier – versprochen“, waren die letzten Worte der sterbenden Martina Bönisch in den Armen von Faber. „Du bleibst hier – versprochen, wie soll das gehen?“, fragt Faber sich jetzt tief verzweifelt. So viel sei schon verraten: Es geht. Der Weg führt über ein emotionales Vater-Sohn-Drama, in dem Faber neben der Trauer um seine Kollegin und Geliebte ein Trauma aus seiner Kindheit bewältigt.

Ein Fall ohne Leiche

Mit dem omnipräsenten Verlustschmerz verwoben, aber nur in der zweiten Reihe ist der eigentliche Kriminalfall. Ein Fall zunächst ohne Leiche. Im Dortmunder Westpark stehen die beiden Ermittler Jan Pawlak (Rick Okon) und Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) vor einer großen Blutlache. „Keine Leiche, mindestens zwei Liter Blut. Das überlebt keiner“, sagt die Gerichtsmedizinerin.

Gleichzeitig wird Andreas Richter, der Chef einer Dortmunder Immobilienfirma, vermisst. Mit seinem Geschäftsmodell hat er sich in den vergangenen Jahren in Dortmund etliche Gegner gemacht. Er kauft Immobilien im Kreuzviertel auf und verwandelt Mietwohnungen in begehrte Luxusobjekte.

Peter Faber (Jörg Hartmann) schaut sich in der Wohnung seines Vaters um.
Peter Faber (Jörg Hartmann) schaut sich in der Wohnung seines Vaters um. Das weckt Kindheitserinnerungen in ihm. © WDR/Bavaria Fiction GmbH/Kost

Angestaubter Friseursalon

Bei ihren Ermittlungen stoßen Rosa Herzog und Jan Pawlak zufällig auf den Vater von Peter Faber, der plötzlich im möglichen Zusammenhang zum Verschwinden des Immobilienmaklers steht. Er und Faber hatten offenbar seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr. Der Verdacht gegen den Vater bringt Faber zurück ins Geschehen und in seine Kindheit.

Die führt ihn nicht nur in sein altes Kinderzimmer, sondern zuerst in den alten Friseursalon Engel. Martin Engel ist ein Freund seines Vaters. In Engels Salon und der Wohnung von Jupp Faber scheint die Zeit in den 60er-, 70er-Jahren stehengeblieben zu sein. Aus dem Radio ertönt der Depri-Stimmung entsprechend „Song, song blue“ von Neil Diamond. „Hier ist alles noch wie immer, selbst der Geruch“, stellt Faber fest. Solch einen Salon wird man im heutigen Dortmund wohl nicht mehr finden.

Peter Faber (Jörg Hartmann) trifft im Salon Engel auf Inge (Andrea Badey) und Frau Glatter (Beate Abraham, v.l.), die ihn noch von früher kennen.
Peter Faber (Jörg Hartmann) trifft im Salon Engel auf Inge (Andrea Badey) und Frau Glatter (Beate Abraham, v.l.), die ihn noch von früher kennen. © WDR/Bavaria Fiction GmbH/Kost

Die toupierten Dauerwelle-Kundinnen sprechen Ruhrpott, aber so, wie man es in Dortmund nicht hört. Für Dortmunder klingt das so fremd, wie der angestaubte, dunkle Friseursalon aussieht. Nostalgie-Kitsch gut und schön, er setzt hier aber nur einen unpassenden, komödiantischen Akzent.

Viel von Dortmund zu sehen

Ansonsten bekommen die Zuschauer dieses Mal sehr viel von Dortmund zu sehen, vor allem vom Kreuz- und vom Klinikviertel. Jörg Hartmann, der aus Herdecke stammt, hat erstmals das Drehbuch geschrieben, das von Stammautor Jürgen Werner überarbeitet wurde.

Besonders schön ist die Szene in der Liebfrauenkirche, der Grabeskirche neben dem Johannes-Hospital. Hier hat Martina Bönisch ihre letzte Ruhestätte gefunden.

„Du bleibst hier, wie hast du dir das vorgestellt, du bleibst hier? Zur Strafe kriegst du den zurück“, sagt er im Zwiegespräch und stellt ihr den Kaktus auf den Grabstein, den sie ihm mal geschenkt hatte. Er blüht.

Und Faber hört sie aus dem Jenseits antworten: „Jetzt mal nicht sentimental werden. Herrgott, lach‘ doch mal, ist gut gegen Hängebacken.“ Hier passt die heitere Note.

Fabern klappt nicht

Rosa Herzog und Jan Pawlak trauern ebenfalls um Martina Bönisch und geben sich gemeinsam mit Faber die Kante. Darüber hinaus haben sie ihre eigenen privaten Probleme. Rosa wird vom LKA vernommen, weil ihre Mutter einer RAF-Terroristen-Gruppe angehören soll, die Überfälle auf Geldtransporter organisiert, und Jan Pawlak träumt weiterhin von einer gemeinsamen Zukunft mit seiner Tochter Mia und seiner drogenabhängigen Frau Ella, die bald aus der Haft entlassen wird.

Die beiden Nachwuchskommissare versuchen auch – wie früher Faber und Bönisch – das Verbrechen nachzustellen. Doch die Methode klappt bei ihnen nicht. Fragen bleiben unbeantwortet. „Zieh den Parka an, dann weißt du‘s“, sagt Herzog zu Pawlak.

Faber taucht derweil buchstäblich in die Unterwelt Dortmunds ab. Der Sprung ins Pumpspeicherbecken hatte es metaphorisch vorweggenommen: ein Abstieg ins Unterbewusstsein, in das, was er all‘ die Jahre verdrängt hatte.

Gucken lohnt sich

In den 90 Tatort-Minuten häutet er sich. Erst verliert er die wilde Mähne, ganz zum Schluss kommt der mächtige Vollbart ab. Darunter kommt der abgeklärte Faber der vorangegangenen Folgen zum Vorschein.

„Bleibst du noch ein bisken?“, fragt sein Vater zum Schluss. „Keine Sorge, Papa,“ sagt Faber, „ich bleib’ hier. Das habe ich Martina versprochen.“

„Du bleibst hier“ ist nicht der beste Tatort aus Dortmund, aber gucken lohnt sich, schon wegen der tollen Schauspieler.

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