Claudiu (34), Sascha (39), Dennis (30), Hassan (29), Matthias (57) und Wolfgang (54, von links) führen Gruppen durch die Anne-Frank-Ausstellung in der JVA Dortmund. © Bastian Pietsch
Besondere Ausstellung
Diese Ausstellungs-Führer sind alle Häftlinge der JVA Dortmund
Eine Ausstellung in der JVA beschäftigt sich mit dem Leben der Anne Frank. Das besondere: Die Führungen geben ausschließlich Strafgefangene.
Thematisch geht es um das Leben der Anne Frank, besonders macht eine neue Ausstellung in Dortmund aber etwas anderes: Zum einen, dass sie im Gefängnis zu sehen ist. Zum anderen, dass Strafgefangene die Führungen veranstalten.
Sechs Inhaftierte wurden für das Projekt ausgewählt und an zwei Workshop-Tagen vom Anne-Frank-Zentrum zu „Peer Guides“ ausgebildet. Sie führen seit Mittwoch (11.12.) zum Beispiel Schülergruppen durch die Ausstellung in der Kapelle der JVA Dortmund.
Eine zweite Chance
Einer von ihnen ist Dennis (30). „Ich habe mich schon immer für Geschichte interessiert“, sagt er. „Als Anne Frank in der Schule dran war, habe ich das aber leider verpasst. Da war ich im Krankenhaus wegen Krebs.“
Was ihm damals wegen tragischer Umstände entgangen ist, kann Dennis jetzt nachholen - weil er eine Freiheitsstrafe absitzt. Manchmal geht das Leben eben seltsame Wege.
Im Tagebuch gelesen
Offenbar hat Dennis diese Gelegenheit genutzt. Er beantwortet Fragen auf - nach nur zwei Tagen Workshop - durchaus beeindruckend kompetente Art und Weise.
Die „Peer Guides“ haben alle ein eigenes Exemplar des Tagebuches von Anne Frank bekommen, das sie behalten dürfen. Darin hat Dennis, so erzählt er, „von vorn schon 50 Seiten gelesen und ein bisschen was weiter hinten im Buch.“ Er wolle das Tagebuch auf jeden Fall zu Ende lesen.
Gesetze sind gut
Matthias (57) ist ebenfalls Insasse der JVA und „Peer Guide“ in der Ausstellung. Danach gefragt sagt er, es gebe schon ein paar Parallelen zwischen Anne Frank, die in ihrem Versteck gefangen war, und dem Leben im Gefängnis. Er erkennt aber auch klar die Unterschiede.
„Das war schon ganz anders und viel schlimmer, was damals auch in den Konzentrationslagern passiert ist. Da ist es gut, dass wir heute Gesetze und Menschenrechte haben, die uns schützen.“ Das sei ihm während des Workshops bewusst geworden.
Ob er nervös ist, Gäste von außerhalb durch die Ausstellung zu führen: „Ja, ein bisschen schon“, sagt er.
Erste Erfahrungen
Ein wenig habe man diese Nervosität auch bei der ersten Besuchergruppe noch gemerkt, berichtet JVA-Leiter Ralf Bothge. „Die Gefangenen waren zuerst im persönlichem Umgang etwas verunsichert.“ Das habe sich aber schon bei der zweiten Gruppe gelegt.
Natürlich ist das Thema der Ausstellung selbst auch für die JVA relevant. Dort sitzen auch Straftäter aus der rechtsextremen Szene - aber eben auch Menschen aus über 40 Staaten. Die Anstalt setzt sich auch im Kampf gegen Rassismus, Extremismus und Diskriminierung ein.
Noch Anmeldungen möglich
Die Ausstellung in der JVA läuft vom 11. Dezember bis zum 3. Januar. 16 Gruppen haben sich bisher angemeldet, sagt JVA-Leiter Ralf Bothge. „Das ist schon ziemlich gut, wir nehmen aber durchaus auch noch Anmeldungen an.“
Gruppen, die Interesse haben, können sich mit der JVA in Verbindung setzen. Einzelpersonen können die Ausstellung aus logistischen Gründen leider nicht besuchen. Auch Insassen der JVA bekämen Gelegenheit, die Ausstellung zu besuchen, so Ralf Bothge.
Eins muss man sich, hört man den „Peer Guides“ zu, bewusst vergegenwärtigen: Alle sechs sind verurteilte Straftäter. Alle sechs sind eben nicht nur als Museumsführer in der JVA. Dieser Umstand tritt durch die Ausstellung zumindest zeitweise in den Hintergrund.
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