Da die Angebote wegen der Pandemie abgenommen haben, gibt es eine Zunahme der Straßen-Obdachlosigkeit in Dortmund.

© Dieter Menne (A)

Wie Corona die Armut auf Dortmunds Straßen sichtbarer macht

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Die Aufenthaltsräume von Einrichtungen wie dem Gast-Haus oder „Bodo“ bleiben wegen der Pandemie geschlossen. Das führt zu einer steigenden Straßen-Obdachlosigkeit.

Dortmund

, 27.08.2020, 11:45 Uhr / Lesedauer: 2 min

In der Wißstraße beschwerten sich Einzelhändler bereits lautstark über zunehmendes Betteln, schlafende Menschen und Müll vor ihren Läden. Aber nicht nur Gewerbetreibende, sondern auch Passanten äußern vermehrt den Eindruck, in der Innenstadt hielten sich seit einigen Monaten mehr Obdachlose auf und das Schnorren habe zugenommen.

Zahlreiche Beschwerden der Gewerbetreibenden

Nur ein subjektives Gefühl? „Nein“, sagt Bastian Pütter, Leiter des Straßenmagazins Bodo. „Auch wir bemerken eine deutliche Zunahme der Straßen-Obdachlosigkeit.“ Pütter, der täglich Kontakt zu Obdachlosen pflegt, weiß selbst von „zahlreichen Beschwerden von Gewerbetreibenden“.

„Die Lage der Menschen, die wir betreuen, hat sich drastisch verschlechtert“, sagt der Experte - und nennt sogleich den Grund dafür: „Die Angebote für sie sind aufgrund der Corona-Krise deutlich weniger geworden.“

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Das Gast-Haus, die Kana-Suppenküche oder auch die Bodo-Anlaufstelle - sie alle mussten ihre Aufenthaltsräume wegen der Pandemie dichtmachen. Zwar gibt es noch Lunchpaket-Ausgaben in Dortmund, aber die Option, sich tagsüber in einem Raum aufzuhalten und das Gespräch zu suchen, tendiert derzeit gegen Null.

Vor Corona in der Öffentlichkeit weniger sichtbar

„Wenn jemand sich früher tagsüber in den Räumlichkeiten solcher Einrichtungen aufgehalten hat, dann war er in der Öffentlichkeit nicht sichtbar“, sagt Pütter. Ein solcher Aufenthalt sei jetzt aber nicht mehr möglich, was sich logischerweise im Stadtbild widerspiegele.

Zudem falle eine Erholungsphase der Betroffenen nun weg, was sich negativ auf deren psychische Situation auswirke. „Es gibt viele Obdachlose, die eigentlich nicht im Stadtraum schlafen“, erläutert Pütter, „aber wenn sie merken, dass ihnen niemand hilft, legen sie sich irgendwo hin.“ Auch in der City. „Hinzu kommen Obdachlose aus Bochum, da das Angebot dort noch schlechter ist.“

Das Gast-Haus an der Rheinischen Straße zu Corona-Zeiten: Bedürftige stehen vor der Essensausgabe auf der Straße Schlange, da die Aufenthaltsräume geschlossen bleiben müssen.

Das Gast-Haus an der Rheinischen Straße zu Corona-Zeiten: Bedürftige stehen vor der Essensausgabe auf der Straße Schlange, da die Aufenthaltsräume geschlossen bleiben müssen. © Markus Mielek

Ins gleiche Horn stößt Katrin Lauterborn, Geschäftsführerin des Gast-Hauses: „Wegen des Wegfalls der Tagesaufenthalte sieht man die Armut nun im Stadtbild. Und das finden viele nicht so schön.“

Aufgrund der guten Zusammenarbeit mit der Stadt und den Wohlfahrtsverbänden habe man laut Lauterborn aber zumindest ein Hygienezentrum im ehemaligen Kreiswehrersatzamt an der Leuthardstraße ins Leben rufen können, das Mitarbeiter von Bodo, Gast-Haus und Wärmebus zusammen betreiben. Dort können Obdachlose duschen und erhalten bei Bedarf Kleidung.

Versorgungsstruktur gesichert, aber Gespräche fehlen

Dank dieses Zentrums und der Essensausgaben sei zwar die Versorgungsstruktur über den gesamten Zeitraum der Pandemie gesichert gewesen, fährt die Geschäftsführerin fort, „aber zwischenmenschliche Gespräche, zum Beispiel mit unseren Ehrenamtlichen, fehlen natürlich.“

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Trotz des Hygienezentrums reichten die sanitären Einrichtungen momentan nicht aus, sagt Bastian Pütter: „Das Zentrum ist sehr hilfreich, löst aber das Toilettenproblem nicht, das durch die geschlossenen Einrichtungen entstanden ist.“ Und auch sogenannte Dixi-Klos stellten keine Alternative dar, da sie nach jeder Benutzung desinfiziert werden müssten - faktisch nicht machbar. Die Folge: Die Betroffenen verrichten anderswo ihre Notdurft.

Alternative soll die Tagesstruktur zurückgeben

Da ein Ende der Pandemie nicht in Sicht ist, schwebt Pütter eine Lösung vor, die den Gästen der sozialen Einrichtungen eine gewisse Tagesstruktur zurückgibt: „Vielleicht ein Zelt oder eine Halle, wo sie sich aufhalten können. Der Knoten muss platzen, bevor sich die Stimmung weiter verschlechtert.“

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