Fahrplan-Chaos bei der Bahn zwischen Dortmund und Castrop-Rauxel Diese Baustelle ist der Grund

Behinderungen im Bahnverkehr: Baustelle wurde nicht rechtzeitig fertig
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Mittwochmittag (3.7.) unterwegs im Dortmunder Westen. Von mehreren Terminen in Mengede soll es mit der Bahn in Richtung Hauptbahnhof gehen. Die Nachricht, dass der Regionalexpress (RE) 3 weitere fünf Wochen nicht in Mengede und Castrop-Rauxel Hauptbahnhof hält, ist gerade einen Tag alt.

Ein Blick in die VRR-App: Die S2 hat zehn Minuten Verspätung. Die Regionalbahn (RB) 32, eigentlich um diese Zeit im Plan, zeigt die App erst gar nicht an. Also noch schnell einen Kaffee vom Kiosk und ab auf den Bahnsteig. Eine Stimme verkündet die Verspätung der S-Bahn aus dem Lautsprecher: „Grund ist ein vorausfahrender Zug.“

In dem Moment leuchten die Scheinwerfer eines gelb-weißen Triebwagens am Bahnsteigende. Unschwer zu erkennen: die Eurobahn. Der RE3 fährt indes nicht, wie schon seit April und in der Baustellenmeldung tags zuvor noch einmal angekündigt, über eine Umleitungsstrecke, sondern über Mengede. Und hält. Womöglich eine Ausnahme. Egal, jede Verbindung zählt.

Der Regionalexpress fährt an diesem Mittag über die S-Bahn-Strecke. Nette/Oestrich, Westerfilde, Huckarde, Wischlingen, Dorstfeld. Während der gut zwölfminütigen Fahrt kommen in kurzer Abfolge Personen- und Güterzüge auf dem S-Bahn-Gleis entgegen. Welch ein Verkehr.

Brückenschaden aus dem Jahr 2021

Kein Wunder: Die Köln-Mindener-Strecke steht ja weiterhin nicht zur Verfügung – der Mobilitätspartnerschaft der Bahn zur Fußball-EM zum Trotz. Welche Brücken- und Oberleitungsarbeiten finden da eigentlich statt? Auf mehrmaliges Nachfragen entschuldigt ein Bahnsprecher am Dienstag (9.7.) die Verzögerungen beim Bau und in seiner Antwort.

Noch bis zum 2. August arbeite die Deutsche Bahn (DB) an einem Kreuzungsbauwerk in Dortmund-Huckarde. Fachexperten bauen eine nicht mehr genutzte Eisenbahnbrücke zurück. Das ist eine Brücke über die schon lange nicht mehr genutzten Gütergleise zum ehemaligen Güterbahnhof Huckarde-Nord. Im November 2021 hatte die Bahn bei einer Routineprüfung Schäden an der Brücke festgestellt. Züge fuhren seitdem auf einer Strecke von 200 Metern maximal 40 km/h.

Während des Bauzeitraums im Mai und Juni 2024 sei bereits der Oberbau mit Schiene, Schotter und Schwellen zurückgebaut worden, schreibt der Bahnsprecher. „Das Bauteam hat außerdem weitere notwendige Arbeiten an Kabeln sowie am Bahndamm umgesetzt.“

Wegen umfangreicher Kampfmittelsondierungen hätten die geplanten Arbeiten an der Oberleitungsanlage und im Baugrund nicht mehr im vorgesehenen Zeitraum umgesetzt werden können. Für die Unannehmlichkeiten bitte die DB die Fahrgäste und Anwohner um Entschuldigung.

Neuer Bahndamm in Huckarde Nord zwischen Hansa-Brückenzug und Container-Terminal.
Nördlich vom künftigen ICE-Werk und westlich des Container-Terminals führte die Köln-Mindener Eisenbahnstrecke über eine zweigleisige Brücke. Die Bahn baute sie zurück und ersetzte sie durch einen Damm. Die Bauarbeiten verzögerten sich. © Jürgen Utecht

So fahren die Züge bis Anfang August weiter die Umleitungen. Der RE3 Richtung Hamm hält an besagtem Mittwoch im Dortmunder Hauptbahnhof an Gleis 8. Minuten später fährt die RB32 aus Duisburg auf dem Gleis 6 ein. Zu diesem Zeitpunkt würde dort regulär die S2 stehen und die Fahrtrichtung wechseln. Von ihr ist jedoch noch nichts zu sehen. Kurz nachdem die RB32 wieder in Richtung Duisburg gestartet ist, warten am Gleis 5 Fahrgäste auf ihre Bahn nach Witten.

Per Durchsage erfahren sie, dass ihre S5 heute von Gleis 6 fahren soll. Die Passagiere machen sich auf den Weg vom Kopf-Bahnsteig zum benachbarten S-Bahnsteig. Kurz bevor sie die Treppe nach unten erreichen, rollt die S5 mit Richtungsanzeiger Witten an ihnen vorbei. Über eine Weiche wechselt sie auf Gleis 5 und hält am Ende des planmäßigen Bahnsteiges.

Also, auf zurück. Die ersten Fahrgäste schimpfen, andere schütteln verständnislos den Kopf. Am Zielanzeiger auf dem Bahnsteig bleibt es noch bei der Gleisänderung. Und auch die Stimme im Lautsprecher wiederholt zum dritten Mal die Durchsage – aller Realität zum Trotz. Leicht verunsichert bleiben Reisende noch in der Tür der S-Bahn stehen.

Der Zielanzeiger beugt sich dann doch den Fakten und auch die Stimme im Lautsprecher spricht nun von der Abfahrt der S5 auf Gleis 5. Währenddessen rollt auf angestammten Gleis 6 nun auch die verspätete S2 ein. „Neues Netz für Deutschland“, bewirbt ein Plakat am Fahrgastunterstand „das große Investitionsprogramm für Mobilität und Klimawende“. Es klingt wie ein Heilsversprechen für die Zukunft. Termin noch offen. An diesem Mittwoch herrscht Chaos pur, so scheint es.

Plakat zu den Invesitionsmaßnahmen der Deutschen Bahn an einer Glasscheibe auf dem Bahnsteig in Dortmund. Im Hintergrund eine rote Regionalbahn.
Der Aushang am Fahrgastunterstand an Gleis 4/5 des Dortmunder Hauptbahnhofs lässt auf zukünftig bessere Bedingungen hoffen. © Uwe von Schirp

Wir haben auch dazu eine Anfrage an die Deutsche Bahn gestellt. „Dort, wo Züge über die hochausgelasteten Strecken, zum Beispiel im Ruhrgebiet und Rheinland, fahren und angebunden sind, führen ohnehin schon kleinste Verzögerungen zu Stau auf der Schiene – und damit zu Verspätungen im Fahrplan“, heißt es im Statement einer Bahnsprecherin. „Deshalb fließen so viele Mittel wie noch nie in die starke Schiene, also in die Modernisierung und den Ausbau der Infrastruktur.“

Während der Fußball-Europameisterschaft (EM) 2024 reduziere die Deutsche Bahn (DB) die Bauarbeiten sowohl an ihrer bundesweiten Infrastruktur als auch in den S-Bahn-Netzen der Metropolregionen auf ein Minimum, damit Fans und Mannschaften mit dem Zug zu den Spielen und den Fanzonen anreisen können. Die allermeisten Bauprojekte enden vor oder starten nach der Europameisterschaft in Deutschland.

Das Streckennetz sei hochbeansprucht. Gerade zur EM sei alles, was rollen kann, auf der Schiene. Die Züge fahren dicht getaktet hintereinander. „Da können auch regionale Zwischenfälle – wie etwa Personen im Gleis – schnell zu einer Kette von Verspätungen führen.“

Gleise und Gleistrassen, Hansa-Brückenzug und Container-Terminal in Huckarde Nord.
Der Rückbau der beschädigten zweigleisigen Brücke zwischen Container-Terminal, Hansa-Brückenzug und der Franziusstraße ist Grund für die Behinderungen im Bahnverkehr auf der Köln-Mindener Bahnstrecke. Das Bild zeigt die Brücke im Jahr 2022. © RVR 2022

Generell gelte: Verschiedene Ursachen können zu betrieblichen Einschränkungen „im System Bahn“ führen. Das können externe Faktoren wie zum Beispiel Unwetter sein. Oder Einflüsse durch Dritte. Als Beispiele nennt die Bahnsprecherin unbefugtes Betreten der Gleisanlagen oder Vandalismus.

Auch technische Störungen an Zügen der DB oder anderen Verkehrsunternehmen sowie an der Infrastruktur (zum Beispiel an Bahnübergängen oder Stellwerken) können sich betrieblich auswirken.

Letztlich heißt es in dem Statement: „Gleichzeitig sorgen auch Baustellen dafür, dass es auf der Schiene noch enger wird und die Pünktlichkeit leidet.“ Die Arbeiten an der zweigleisigen Strecke in Huckarde zählen gewiss dazu. Und so müssen Fahrgäste auch nach der EM noch bis zum 2. August (Freitag) mit Einschränkungen und Verspätungen rechnen.