Gleich zwei Streuobstwiesen hat Deusen, der kleine Stadtteil im Dortmunder Westen. Sie stehen unweit des Freibads Hardenberg, das immer wieder in die Schlagzeilen kommt, zuletzt mit der Frage, ob es dort in diesem Jahr überhaupt eine Freibadsaison geben wird.
Das treibt auch Reiner Schramowski um. Er ist Deusener, seit langem engagiert er sich in der Siedlergemeinschaft. Doch als wir uns mit ihm an einem nasskalten Februar-Tag am Dortmund-Ems-Kanal treffen, geht es einmal nicht um das Bad, sondern um die nahe gelegenen Streuobstwiesen.

Oft kommt Schramowski auf seiner Hunde-Runde an den Bäumen vorbei. Etwa 70 stehen hier. Kirsche, Birne, Apfel. Vor 15 Jahren sind die Wiesen laut Stadt angelegt – und immer wieder erweitert worden. Die jüngsten Bäume stehen gerade um die vier Jahre. 2020 wurde zum letzten Mal nachgepflanzt: dreimal Kirsche, zweimal Apfel, einmal Birne. Die Sorten haben klangvolle Namen wie Büttners Rote Knorpelkirsche, Dülmer Rosenapfel oder Pastorenbirne.
Bäume nicht in Ordnung
Doch das kann Reiner Schramowski nicht über seinen Ärger hinweghelfen. Fragt man ihn, was ihn so wurmt, kommt der 74-Jährige in Fahrt. Es geht rein in die Baumkunde: von keinem guten Pflanzschnitt ist die Rede, ein sogenannter „Erziehungsschnitt“ würde komplett fehlen. Der Veredlungsknoten der Bäume sei nicht richtig behandelt, nämlich zu tief eingepflanzt worden.
Rentner Schramowski hatte beruflich nichts mit Pflanzen und Bäumen zu tun, sein großes Wissen hat er sich privat angeeignet, beispielsweise bei Lehrgängen für den Verband Wohneigentum. Sein zentraler Vorwurf: „Die Bäume sind alle nicht in Ordnung.“ Sie hätten längst geschnitten, gepflegt werden müssen. So wie sie jetzt wachsen, würden sie vergreisen. Schramowski: „Manche sind schon so gut wie tot.“

Er deutet auf die Kronen der Bäume. Viel zu verästelt seien diese. Es gebe zu viele Triebe. „Dabei braucht es einen Leittrieb, der Rest muss untergeordnet sein“, erklärt Schramowski. Nur so könne sich der Saft, der von unten den Baum hinaufsteigt, vernünftig verteilen und der Baum gut wachsen. Außerdem seien manche Bäume schon von einem Pilz befallen.
Die Bäume fachkundig zu schneiden, sei das wichtigste, so Schramowski. Bei der Pflanzung müsse es einen Pflanzschnitt geben und danach am besten jedes Jahr einen weiteren Schnitt, den „Erziehungsschnitt“. Der Pflanzschnitt der Deusener Bäume sei, wenn überhaupt, nicht gut gemacht worden, so sein Vorwurf. Und schlimmer noch: „Danach ist überhaupt nichts mehr passiert.“
Auch in der Januar-Sitzung der Bezirksvertretung waren die Streuobstwiesen Thema. Die SPD stellte einen Antrag, diese aufzuforsten, da einige Bäume das letzte Jahr wohl nicht überstanden hätten. Die CDU warf ein, dass zunächst geklärt werden müsse, wer die vorhanden Bäume pflege.
Ernte ist nicht das Ziel
Wir fragen die Stadt, was sie zu den Vorwürfen sagt, die Bäume würden nicht ausreichend gepflegt. Und erhalten eine Antwort, die für manche sicher überraschend ist: „Die Bäume, die auf den Streuobstwiesen der Stadt Dortmund wachsen, werden nicht auf Fruchtertrag erzogen“, erklärt Stadtsprecherin Alexandra Schürmann. Ziel sei gar nicht, dass möglichst viel Birnen, Äpfel oder Kirschen geerntet werden können. Vielmehr sollten in den Bäumen Tiere leben und Nahrung finden. Die Natur soll die Möglichkeit haben, sich von „allein (weiter-) zu entwickeln“, der Nutzen fürs Ökosystem möglichst groß sein.
Daher unterscheide sich die Pflege von der „Art und Weise, wie Privatleute im eigenen Garten mit Obstbäumen umgehen (...)“, erklärt Schürmann. So soll eine „kompakte Kronenform“ entstehen, die dann von der Fauna genutzt werden könne.

Das hat zur Folge, dass auf regelmäßige Obstbaumschnitte bewusst verzichtet werde. Die Frage, wann genau die Bäume in Deusen zuletzt geschnitten worden sind, lässt die Stadt offen. Aber generell gelte: Gärtner rückten nur bei Bedarf an. „Es können (...) bis zu zehn Jahre vergehen, bis erneut zurückgeschnitten wird“, so die Stadt.
Auch ein „gewisser Totholzbestand“ sei völlig in Ordnung – er erfülle sogar einen Zweck: Pilze und Bakterien zersetzten das Totholz, das dann wieder in den Stoffkreislauf gelangen könne. Das Vergreisen sei zum Teil gewünscht. „Auch Obstbäume, die vielleicht einen ungepflegten optischen Eindruck machen, leisten einen enormen Beitrag“, heißt es.
Wenig erfahrene Mitarbeiter
Reiner Schramowski kann das alles nicht verstehen: „Wenn ich viel Geld für Bäume ausgebe, möchte ich doch, dass sie auch möglichst lange leben.“ Aber das werde bei den Bäumen in Deusen nicht passieren. Die seien teils so krank, da käme nicht mehr viel Zuwachs. Zudem findet er, es sei „Kokolores“, Obstbäume zu pflanzen, ohne dass man es auf Früchte abgesehen habe.

So unterschiedlich Grünflächenamt, Umweltamt und der Deusener auf die Bäume schauen – in einem Punkt gibt die Stadt Reiner Schramowski recht: Zuletzt waren beim Pflanzen und beim Pflanzschnitt möglicherweise nicht immer Profis im Einsatz.
„Richtig ist, dass in der Vergangenheit Baumpflanzungen auch von Mitarbeitern mit wenig Erfahrung im Garten- und Landschaftsbau durchgeführt wurden, zum Beispiel bei Berufsfördermaßnahmen“, so die Stadt. Die Verträge seien aber mittlerweile „überarbeitet“.