Markenstratege über neue Marke der Stadt Dortmund „Viele haben ein sehr altes Bild im Kopf“

Dortmund soll neue Marke bekommen: „Viele haben ein altes Bild im Kopf“
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Dortmund will sich ein neues Image geben. Seit Mitte Januar ist das Ergebnis eines längeren Design-Prozesses für das neue Markenbild der Stadt öffentlich. Am 13. Februar soll der Rat über das Konzept abstimmen. Erstellt hat es die Hamburger Markenberatung „Dichter + Denker“. Deren Gründer, Johannes Christensen, hat uns im Interview exklusive Einblicke in die Gedanken hinter dem neuen Look für Dortmund gegeben.

Ihr Unternehmen sitzt in Hamburg. Welches Bild hatten Sie von Dortmund, bevor Sie sich mit dem neuen Markenbild befasst haben?

Ich bin selbst in Dortmund geboren, zur Schule gegangen, habe dort studiert und habe knapp 25 Jahre lang unheimlich gern in Dortmund gelebt. Ich glaube, dass Dortmund vor allem eine unterschätzte Stadt ist. Schon damals habe ich oft erlebt, dass Menschen überrascht waren, was Dortmund alles zu bieten hat. Wir hatten allerdings auch einen Lernprozess.

Wie lief dieser Lernprozess konkret ab?

Wir waren natürlich viel in Dortmund unterwegs, haben mit Menschen und verschiedenen Interessenvertretern gesprochen. Eigentlich waren wir die meiste Zeit des Design-Prozesses mit dem Team in Dortmund und haben auch eng mit der Verwaltung zusammengearbeitet. Und wir haben uns intensiv mit der Geschichte der Stadt beschäftigt und dazu viel Literatur gelesen: Also welche Symbole und Werte sind in Dortmund kulturell verankert?

Was sind Ihrer Ansicht nach die größten ungehobenen Potenziale in Dortmund?

Wir haben eine repräsentative, deutschlandweite Umfrage dazu gemacht, wie Dortmund eigentlich wahrgenommen wird, und haben gelernt: Die Menschen haben gar kein so schlechtes Bild von Dortmund, wie manche vielleicht befürchtet haben. Vielmehr ist es so, dass viele Menschen gar kein Bild oder ein sehr altes Bild von Dortmund im Kopf haben. Darin liegt ein großes Potenzial: Die Stadt über ihre Grenzen hinaus für das bekannt zu machen, was sie bereits ist. Die Menschen in Dortmund sollen zu Recht stolz auf ihre Stadt sein.

Mitte vergangenen Jahres wurde das Stadt-Narrativ „Die Einzige ihrer Art“ vorgestellt. Das Gedicht ist damals teilweise belächelt worden. Welche Rolle hat es für Ihren Design-Prozess noch gespielt?

„Die Einzige ihrer Art“ ist auch die Leitidee des neuen Markenbildes. Das Stadt-Narrativ dient dazu, zu erklären, warum Dortmund einzigartig ist. Wenn wir eine Marke für eine Stadt entwickeln, ist es wichtig, dass wir auf Sachen aufbauen, die bereits da sind. Jeder Teil im Stadt-Narrativ steht für ein Stück Dortmunder Stadtgeschichte.

Was sind denn konkret die Eigenschaften, für die Dortmund mit der neuen Marke wahrgenommen werden will?

In all den Gesprächen, die wir geführt haben, ist klar geworden, dass viele Menschen, wenn sie gefragt werden, warum sie gerne in Dortmund sind, zuerst die Menschen selbst nennen. Außerdem waren immer wieder die Kombination aus Urbanem und Grünem und die kulturelle Vielfalt der Stadt Thema.

Johannes Christensen
Johannes Christensen ist Gründer der Markenberatung "Dichter + Denker" © Dichter + Denker

Wir haben auch einen Vergleich mit anderen Städten angestellt: Da gibt es auf der einen Seite die Millionenstädte, die viele Vorteile, aber eben auch ihre Probleme haben – Staus, Mieten, Anonymität. Und auf der anderen Seite gibt es die vielen kleineren Städte, die diese Probleme nicht haben, aber dann zum Beispiel weniger divers sind oder weniger Möglichkeiten bieten. Dortmund liegt genau dazwischen und vereint aus unserer Sicht die Vorzüge von sehr großen und von kleineren Städten.

Gerade im Ruhrgebiet gibt es aber schon viele Städte, die Dortmund ähneln und auch ähnlich groß sind. Reicht das für Einzigartigkeit?

Das stimmt natürlich. Die Stärke eines solchen Slogans liegt aber auch nicht darin, dass man selbst der Einzige ist, der ihn für sich in Anspruch nehmen kann. Wenn Sie sich Nike anschauen, dann könnten ja auch viele andere Sportkonzerne „Just Do It“ als Slogan haben. Nike hat das aber für sich besetzt. Und ich denke, wenn Dortmund jetzt die Leitidee „Die Einzige ihrer Art“ für sich besetzt, bildet das ein solides Fundament für den Aufbau einer wirklich starken Marke.

In dem Konzeptpapier, über das der Rat abstimmen wird, kommen viele Dinge, für die Dortmund heute bereits bekannt ist, nicht vor: Fußball, Bier, Industriekultur – ist alles kein Thema. Warum?

Fußball ist aus Dortmund natürlich gar nicht wegzudenken und wahrscheinlich das prominenteste Aushängeschild der Stadt. Auch Industriekultur und Bier sind wichtige Themen. Aber die sind eben schon da. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, das Spektrum zu erweitern. Dortmund soll als eigenständige Marke wahrgenommen werden und ich denke, wenn wir uns zu sehr an den bekannten Dingen orientiert hätten, wäre das schwierig geworden.

Zwei Dinge sind mir bei dem Design-Konzept ins Auge gefallen: die prominente Schriftart und die ungewöhnlichen, bunten Farben. Was soll diese Auswahl vermitteln?

Wir haben verschiedene Werte für Dortmund definiert, die für unseren Creative Director Kilian Palis wichtig waren: schnörkellos, ehrlich und weltoffen zum Beispiel. Die Schrift und die Farben sollen vor allem Selbstbewusstsein ausstrahlen.

Zwei Plakatentwürfe
Zwei Entwürfe für Plakate im neuen Corporate Design für die Stadt Dortmund. © Dichter + Denker

Sie haben auch einen historischen Hintergrund: Wir haben in den Archiven auch Plakate und Drucksachen der Stadt aus den 70er und 80er Jahren gefunden. Das war eine durchaus schwierige Zeit für die Stadt. Damals sind aber trotzdem sehr starke Poster verwendet worden, mit Farben, die wirklich knallen. Und auch eine spannende Schrift haben wir dort entdeckt. Beides haben wir jetzt sozusagen wieder zum Leben erweckt.

Gibt es etwas, woran Sie den Erfolg des neuen Markenbildes konkret messen?

Dahinter steht ja die Frage: Warum ist es wichtig, dass eine Stadt positiv wahrgenommen wird? Das spielt zum Beispiel eine Rolle dabei, Talente zu gewinnen, also Fachkräfte, die in Dortmund arbeiten wollen. Auch mit solchen Menschen haben wir Gespräche geführt und dabei ist immer wieder klar geworden, dass es nicht nur auf die Attraktivität des Arbeitgebers, sondern auch des Wohnortes ankommt.

Ein zweiter Bereich ist der Tourismus. Warum sollte man Dortmund besuchen? Das hängt natürlich eng mit dem Angebot in der Stadt zusammen, aber eben auch mit dem Bild, das Dortmund nach außen vermittelt.

Man muss aber auch sagen, dass Veränderungen auf dieser Eben nicht unbedingt leicht zu messen und auf eine Ursache zurückzuverfolgen sind. Bei vielen unserer Kunden gehen wir so vor, dass wir mit zwei, drei Jahren Abstand noch einmal eine deutschlandweite Umfrage durchführen. Es muss sich aber noch zeigen, wie intensiv wir mit der Dortmunder Stadtverwaltung weiterarbeiten werden und wie viel diese auch selbst übernehmen wird.

Wo wird den Dortmundern und Dortmunderinnen das neue Markenbild denn in Zukunft begegnen?

Sofern sich der Rat für das neue Markenbild entscheidet, wird es kurzfristig auf der Website Briefen und Broschüren der Stadtverwaltung, auf deren Autos und auch auf Plakaten zu sehen sein. Das war auch eine wichtige Anforderung an das Design: dass es flexibel für verschiedene Layouts eingesetzt werden kann.

Mittelfristig entsteht aber eine starke Marke nur dann, wenn man ein gutes Design auch mit Erlebnissen verbindet. Dazu kann ich noch nicht allzu viel verraten. Ich denke aber, dass das eine Aufgabe nicht nur für die Verwaltung, sondern zum Beispiel auch für die Wirtschaft und die Hochschulen sein wird, solche Erlebnisse zu schaffen.

Und was erhoffen Sie sich persönlich für die Zukunft des Designs in Dortmund?

Ich wünsche mir, dass die Marke auch wirklich im öffentlichen Raum erlebbar wird. Und ich würde mich unheimlich freuen, wenn sie dazu beitragen kann, dass ein bisschen mehr Stolz auf die Stadt entsteht. Ich lebe zwar aktuell nicht in Dortmund, aber in meinem Herzen ist die Stadt immer noch meine Heimat.