Sein Abitur hat er am Mallinckrodt-Gymnasium gemacht, hat dann in Mannheim Betriebswirtschaftslehre studiert und nach dem Abschluss bei Start-ups und einer Unternehmensberatung in Berlin und Dortmund gearbeitet. 2020 war es völlig offen, wie das Bauunternehmen Derwald die Nachfolge regelt. Maximilian, der älteste Sohn der Familie, war weit weg und seine beiden jüngeren Brüder hatten ebenfalls noch nichts mit der 1955 von ihrem Urgroßvater gegründeten Firma im Sinn.
„Ich wollte eigentlich nicht in das Familienunternehmen einsteigen. Ich war mir der extremen Verantwortung bewusst und hatte natürlich auch mal Zweifel, ob ich das Vermächtnis meines Urgroßvaters, Großvaters und Vaters würde fortführen können. Mein Plan war aber immer, Unternehmer zu werden. Und mit den ersten beruflichen Erfahrungen wuchs das Selbstvertrauen. Dann brauchte es nur noch die Einladung meines Vaters zum richtigen Zeitpunkt und der Schritt ins Unternehmen war getan“, sagt der 28-jährige Maximilian Derwald.
Ab dem Moment war eins klar: Er muss die Ärmel hochkrempeln und anpacken. Nur dabei sein, reicht nicht. „Mein Opa Walter ist mit über 80 immer noch jeden Tag im Büro, mein Vater Falko wird das so fortsetzen. Ich habe beide, seit ich denken kann, immer als unermüdlich und voller Tatendrang erlebt. Sie haben Fleiß vorgelebt und hätten mich nie ins Unternehmen gelassen, um danebenzusitzen, während sie sich um die Firma kümmern.“
Freunde haben großen Respekt
Maximilian Derwald hat also mit Mitte 20 beschlossen, Unternehmer zu sein und mal die Nachfolge von seinem Opa und seinem Vater Falko, der jetzt 58 Jahre alt ist, anzutreten. „Ich möchte, dass es weitergeht - für unsere Familien und für die Kolleginnen und Kollegen im Betrieb, die uns alle ans Herz gewachsen sind“, sagt er.

Von seinen Freunden und Bekannten und in den sozialen Medien, wo er vor allem auf LinkedIn aktiv ist, wird er für seinen Schritt respektiert. „Viele sagen: ‚Gut, dass du dich das traust‘. Weil man, wenn man mich kennt, wahrscheinlich sehen kann, dass ich mit Herzblut dabei bin und Verantwortung tragen will. Als Bauingenieur kümmert sich mein Vater viel um die technischen Dinge. Wo es aber um interne Abläufe und Prozesse geht, da hat er mir schnell das Ruder überlassen. An der Projektakquise arbeiten wir Hand in Hand. Wenn ich von Beruf Sohn wäre, wäre ich schon rausgeflogen“, sagt Maximilian Derwald.

Er wirbt dafür, dass auch andere in seinem Alter den Schritt ins Unternehmertum wagen. „Bei der Unternehmensnachfolge haben wir ja ein riesiges Problem in Deutschland. Ich wünsche mir, dass eine Re-Priorisierung stattfindet und man mit Stolz ein Handwerks- oder mittelständisches Unternehmen führen kann und nicht unbedingt Akademiker sein und in einem Konzern arbeiten will“, so der Junior-Chef.
16.000 Betriebe vor Übergabe
Wie der Nachfolgereport der Industrie- und Handelskammer (IHK) zeigt, stehen in Dortmund und Umgebung mehr als 16.000 Betriebe vor der Übergabe. „Die Baby-Boomer gehen in Rente – der Generationenwechsel wird immer mehr zu einer Bewährungsprobe für die Wirtschaft“, sagt Simone Bergmann, Geschäftsführerin der IHK zu Dortmund und Leiterin des Bereichs Handel, Dienstleistungen und Existenzgründungen.

In Nordrhein-Westfalen stehen in den nächsten zehn Jahren 305.000 Familienbetriebe mit rund 1,8 Millionen Beschäftigten vor der Herausforderung, geeignete Nachfolgerinnen und Nachfolger für die Unternehmensspitze zu finden. Auf den Kammerbezirk der IHK zu Dortmund mit den Städten Dortmund, Hamm und den Kreis Unna heruntergebrochen sind das 16.500 Unternehmen mit 106.500 Beschäftigten, deren Inhaber oder Inhaberin älter als 55 Jahre ist.
Zahlreiche Firmen in NRW schaffen es nicht, über die zweite oder dritte Generation hinaus zu bestehen. Beim Bauunternehmen Derwald ist mit Maximilian die vierte Generation am Start. „Ich merke“, sagt der 28-Jährige, „wie herausfordernd es ist, die Firma für die Zukunft aufzustellen. Als ich eingestiegen bin, hatten wir noch ein halbes Jahr Niedrigzins und damit einen Bau- und Immobilienboom. Aber dann kam Putin. Die Zinsen stiegen und unser Geschäftsmodell musste überarbeitet werden. Man muss sich dann einen strategischen Weitblick aneignen und durchaus auch mit Risiko in ein Themenfeld der Zukunft investieren“, so Maximilian Derwald.
Nicht mehr selbstverständlich
Viele schrecken genau vor diesem eigenverantwortlichen Handeln zurück. Simone Bergmann von der IHK sagt: „Für die abgebende Generation wird es in den kommenden Jahren schwierig, das Unternehmen in gute Hände zu übergeben. Denn die klassischen Gründerjahrgänge der 25- bis 45-Jährigen schrumpfen und die frühere Selbstverständlichkeit einer familieninternen Übernahme durch Tochter oder Sohn existiert nicht mehr. Nur noch 40 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer planen, ihr Unternehmen innerhalb der Familie zu übergeben.“

„Wenn es leicht wäre, die Nachfolge in einem Familienunternehmen anzutreten“, sagt Maximilian Derwald, „dann würden es ja alle machen. Es gehört aber die richtige Einstellung und auch die nötige Eignung dazu. Sonst geht es schief.“ Er wünscht sich zudem aber auch dringend Hilfen von der Politik - etwa einen Bürokratieabbau und Maßnahmen zur Abfederung des Fachkräftemangels. Und an die Gesellschaft appelliert er, das Unternehmertum mehr anzuerkennen.
Simone Bergmann von der IHK stimmt da sofort zu. „Wertschöpfung braucht mehr Wertschätzung“, sagt sie und führt aus: „1.796 Unternehmerinnen und Unternehmer wurden für den neuen IHK-Nachfolgereport NRW befragt. In den Antworten wurde deutlich, dass der Nachfolgeprozess in der Regel nicht nur komplex ist, sondern auch störanfällig. Mehr als jeder zweite Abgebende sieht in einer stetig wachsenden Bürokratie den Hauptverzögerungsfaktor. Bei zwölf Prozent der Abgebenden ist fehlende Motivation ein Hauptgrund, warum sie ihr Unternehmen innerhalb der nächsten zwei Jahre übergeben möchten.“
Von fehlender Motivation kann bei Derwald nicht die Rede sein. „Wir haben uns erfolgreich auf Bauen im Bestand und auf Themen wie öffentlich geförderten Wohnungsbau konzentriert“, sagt der Junior-Chef und führt aus: „In Dortmund-Oespel beispielsweise entstehen aktuell 12 geförderte Wohnungen. Denn die 400.000 Wohnungen, die in Deutschland pro Jahr fehlen, braucht es nach wie vor. Gerade als Unternehmer ist man in der Verantwortung, Rahmenbedingungen, die natürlich besser sein könnten, zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen. Ich bin sehr optimistisch, dass wir mit der richtigen Einstellung hier im Land immer noch eine Menge bewegen können.“
Infos und Beratung bei der IHK
- Die IHKs in NRW unterstützen den Nachfolgeprozess mit Informationsangeboten über eine fachkundige Einzelberatung bis hin zur vertraulichen Vermittlung von potenziellen Nachfolgern durch den IHK-Nachfolgepool und der nexxt-change Unternehmensbörse.
- Eine zusätzliche Hilfe bietet die digitale Plattform Unternehmenswerkstatt NRW (UWD). Sie stellt Tools für die strukturierte Nachfolgeplanung bereit. Dabei vereint sie digitale Möglichkeiten mit individueller Betreuung der IHK-Nachfolgeexperten. Ziel der IHK ist es, den Unternehmensbestand und damit die Arbeitsplätze so weit wie möglich zu erhalten.
- Ansprechpartner bei der IHK zu Dortmund ist Dr. Martin Eisenmann, Referatsleitung Existenzgründungen | Unternehmensförderung. Er ist zu erreichen per E-Mail an m.eisenmann@dortmund.ihk.de oder unter Tel. (0231) 5417-158.