Ja, ein Umzug des Stadtarchvis vom Hauptsitz im früheren Siemens-Gebäude an der Märkischen Straße in den 65 Meter hohen Kronen-Turm nebst Sudhaus und Wenkerkeller wäre umsetzbar. Das Vorhaben böte die Chance, das seit etlichen Jahren leerstehende Gebäudeensemble „prägnant in Szene zu setzen“. So lautet das Ergebnis einer 2020 von der Stadt vorgelegten Machbarkeits-Untersuchung.
Problem dabei: Schon damals war klar, dass die Sache einige Haken haben würde - und genau daran ist das Projekt inzwischen auch gescheitert. Die alten Brauerei-Gebäude bieten deutlich mehr Platz als das Stadtarchiv benötigt. Zwar habe die Stadt versucht, das Westfälische Wirtschaftsarchiv aus dem gegenüberliegenden IHK-Gebäude ebenfalls zu einem Umzug zu bewegen, wie Kultur- und Liegenschaftsdezernent Jörg Stüdemann auf Anfrage erklärt. „Wir haben auch überlegt, unser Bauaktenarchiv in Olfen aufzugeben und an die Märkische Straße zu verlegen“, erläutert Stüdemann.
Beide Ideen seien aber letztlich nicht realisiert worden. Was Stüdemann nicht sagt: Ebenso wenig erfolgreich sollen auch die Gespräche mit dem Eigentümer des früheren Kronen-Areals verlaufen sein – die finanziellen Vorstellungen beider Seiten über den Kaufpreis lagen wohl zu weit auseinander.
Den für 2021 angekündigten Beschlussvorschlag für den Rat in Sachen Kronen-Turm hat es nie gegeben. Dafür liegt den Gremien nun eine Alternative vor: Das Stadtarchiv soll und muss seine bisherigen Räume verlassen; dabei bleibt es. Wo künftig der neue Standort sein wird – das soll sich anhand eines europaweiten Vergabeverfahrens zeigen, das die Stadt nun auf den Weg bringen möchte. Kernpunkt: Sie sucht einen (privaten) Investor, der entweder einen Neubau hochzieht oder alternativ ein bereits bestehendes Gebäude auf seinem Grundstück fürs Stadtarchiv umbaut. Die Stadt selbst hat dafür keine geeigneten Flächen in der Hinterhand.
„Zerfall und Schimmelpilze“
Angestrebt wird dabei das Modell einer „Mietkaufoption“. Soll heißen: Die Stadt wird die Flächen zunächst mieten – bekommt aber die Option, die Einheiten später in ihr Eigentum zu übernehmen. Da es sich quasi um einen Bau handelt, den die Stadt „bestellt“, kommt die Verwaltung an einem Monate dauernden und europaweiten Vergabeverfahren nicht vorbei.

Dafür bekommt der Investor klare Vorgaben an die Hand: Der künftige Standort der „Kultur- und Bildungseinrichtung Stadtarchiv“ soll möglichst zentral liegen – am besten in der City. Dabei sollen der Lesesaal, die geschichtswissenschaftliche Bibliothek, die Magazine sowie die Vortragsräume eine logistische Einheit bilden „und ... für alle Bürger als Lern- und Vernstaltungsort erreichbar sein“, so die Stadt in ihrem Beschlussvorschlag für den Rat. 7.500 Quadratmeter (Nutzfläche) werden benötigt. Und das offenbar dringend.
Die hinterlassenen Archivalien wie besipielsweise Urkunden, Amtsbücher, Baupläne, Fotos und Plakate seien langfristig von einer „übermäßig schnellen Alterung“ sowie von „Zerfall und Schimmelpilzen“ bedroht, warnt die Verwaltung. Die alten Magazine seien meist unklimatisiert und reagierten stark auf die Außenwitterung.
So komme es immer wieder zum Anstieg von Innentemperatur und Luftfeuchtigkeit. „Papiere und Pergamente werden gestresst“, schreibt die Verwaltung. Der gesetzlichen Verpflichtung, das schriftliche Kulturgut vor Beschädigung und Vernichtung zu schützen, könne in den jetzigen Räumen „nicht mehr nachgekommen werden“, heißt es.
Bundesbank-Gebäude war im Fokus
Platzmangel besteht obendrein. Obwohl das Archiv neben dem Hauptsitz über eine Dependance im städtischen Gebäude Küpfer-/Löwenstraße verfügt, sind die Kapazitäten erschöpft. Die Lagerfläche in sämtlichen Magazinen sei ausgelastet, heißt es im Stadtarchiv. Zumal trotz Scan-Verfahren „in naher Zukunft“ weitere umfangreiche Bestände „von archivwürdigem Schriftgut aus der gesamten Stadtverwaltung“ erwartet würden.
Heißt: Das neue Domizil braucht nicht nur moderne Technik – unter anderem Klima- und Belüftungssysteme, eine Werkstatt für die Papier-Restaurierung und eine digitale Infrastuktur für den Lesesaal. Ebenso wichtig ist der Stadt, dass der künftige Standort auch Erweiterungsmöglichkeiten bietet.
Der Kronen-Turm war nicht das einzige Gebäude, das die Verwaltungs-Oberen der Stadt zwischenzeitlich in den Blick genommen hatten: Wie zu erfahren war, galt ihr Interesse auch der früheren Bundesbank-Filiale am Hiltropwall. Doch die ist (als Paket mit weiteren Ex-Bundesbank-Immobilien) inzwischen verkauft. Die Stadt Dortmund hatte sich mit anderen Städten zu einer Bietergemeinschaft zusammengeschlossen – war letztlich aber nicht zum Zuge gekommen.
Richten soll es nun die europaweite Ausschreibung. Kultur- und Liegenschaftsdezernent Jörg Stüdemann geht von einer Entscheidung „in der zweiten Hälfte 2024“ aus. Die Voraussetzung soll der Rat in seiner Sitzung am 21. September schaffen – und der Verwaltung freie Hand für das Vergabeverfahren geben.