In einem edlen Einfamilienhaus am Rande von Schüren eröffnete 2000 der Bungalow-Club. Gefeiert wurde dort nur kurz – aber heftig. Das berühmt-berüchtigte Studio 54 diente als Vorbild.

Dortmund

, 15.09.2018, 04:27 Uhr / Lesedauer: 4 min

Es gibt Clubs und Diskos, die prägen das Nachtleben einer Stadt über Jahre und Jahrzehnte. Dortmund hat oder hatte eine ganze Menge davon. Solche, wo die Eltern feiern waren und dann später die Kinder.

Und es gibt Clubs, die eröffnen und verschwinden bald darauf wieder, ohne dass sie für großes Aufsehen gesorgt hätten. Es lief dann einfach nicht.

Auf den Bungalow-Club trifft keines von beidem zu. Denn es gab ihn nicht lange. Gerade einmal ein knappes Jahr. Aber geprägt hat er das Dortmunder Nachtleben trotzdem sehr. Wer einmal da war, der hat es nicht wieder vergessen. Jeder, der über den Bungalow spricht, spricht von legendären Partys und einer besonderen Atmosphäre. Ein Club, den es davor und danach in Dortmund so nie wieder gegeben habe.

Warum Der Wolf in einem House-Club aufgelegt hat

Jens Albert ist in Dortmund vor allem als Rapper und DJ unter dem Namen Der Wolf bekannt. 1997 hatte er mit dem Lied „Oh shit – Frau Schmidt“ einen großen Hit. Vor allem im Hip-Hop-Bereich hat er sich über die vielen Jahre einen Namen gemacht. Was viele nicht wissen: Jens Albert hat auch elektronische Musik aufgelegt.

Der Wolf arbeitet seit vielen Jahren erfolgreich als DJ und Rapper.

Der Wolf arbeitet seit vielen Jahren erfolgreich als DJ und Rapper. © Eva-Marlene Etzel

Eine Freundin von ihm kannte den Chef des Bungalows, Michael Nehring, und empfahl ihn. Nehring gefiel, was Jens Albert so machte. Und so kam es, dass er Resident-DJ in einem Club für House-Musik wurde.

„Es war eine tolle Zeit“, sagt Jens Albert. Dann macht er eine kurze Pause und schweift mit seinen Gedanken, fast 20 Jahre zurück in die Vergangenheit. Man spürt, wie er die Partys von damals noch einmal erlebt, die vibrierenden Beats von damals durchs Ohr rauschen hört. Dann sagt er: „Dieser Laden war legendär.“

Ein Club in einem Luxus-Bungalow

Es war ein moderner Luxus-Bungalow im Stadtteil Schüren, der dem Bungalow Club seinen Namen und sein Zuhause gab. „Es war, als wäre jemand hastig ausgezogen und irgendwer hätte dann gesagt: Komm, wir machen eine Party“, sagt Jens Albert.

Im Badezimmer hätten am allerersten Abend noch volle Parfümflacons gestanden – mit der Zeit seien sie dann verschwunden. Eingesackt, von irgendwem, der hier gefeiert hatte. In dem großen Garten, der zum Haus gehörte, stand ein Himmelbett zum Relaxen, erinnert sich Jacqueline Rennert, die dort einige Mal feiern war.

Der Mann für den Keller

Es habe sich mehr nach Hausparty als nach Disko angefühlt, sagt Jens Albert. Das Haus habe drei etwa gleich große Bereiche gehabt. In jedem Bereich habe ein DJ aufgelegt. Er war der Mann für den Keller. Aber es war kein schmuddeliger Keller mit tiefen Decken. Es war schließlich ein edles Haus.

Im Keller gab es ein Schwimmbad mit Sauna. Und der DJ hatte sein Pult auf einer kleinen Insel mitten im Pool. „Da habe ich aufgelegt. Um mich herum nur Wasser. Das war super abgefahren“, sagt Jens Albert.

Jessica Sauer kann sich noch gut an den Pool erinnern. Schwimmen durfte darin keiner, aber drumherum feiern. „Die Musik, dieser Funky-House, war einfach super“, sagt die Hagenerin, die gerne im Bungalow feiern ging. Der Club sei sehr authentisch gewesen, sagt sie. „Wie das Studio 54“.

„Was machst du denn hier?“

Am Anfang sei er sicherlich jeden Abend – der Club hatte immer samstags auf – fünfmal gefragt worden: „Was machst du denn hier?“, erzählt der Wolf. Mit solcher Musik hätten ihn die Leute damals nicht verbunden. Meistens habe er eine Mischung aus elektronischer Musik, Disco und Funk aufgelegt. „Es war sehr speziell“, sagt er.

Oft habe er eine Sängerin dabei gehabt. Und einmal habe er achteinhalb Stunden am Stück aufgelegt. „Das ist definitiv mein Auflege-Rekord“, sagt er. In den anderen Bereichen liefen Tech-House und grooviger House.

Hören Sie in den Bungalow-Soundtrack von Der Wolf rein:

Der Club kam sozusagen aus dem Nichts. Von Heute auf Morgen war er das Angesagteste, was Dortmund zu bieten hatte. „Es war der Place to be“, sagt Jens Albert. Die Gäste kamen nicht nur aus der Stadt, sondern aus ganz NRW. „Hier gaben sich alsbald die Reichen und Schönen die Klinke in die Hand“, schrieben die Ruhr Nachrichten. „Es war immer rappelvoll“, sagt Jacqueline Rennert. „Man musste ewig draußen anstehen, bis man reinkam.“

Und das, obwohl der Club alles andere als zentral lag, am Rande eines Gewerbegebietes im tiefen Dortmunder Süden. „Es war am Arsch der Welt“, sagt Jens Albert. Er schmunzelt. Die Leute seien trotzdem gekommen.

Die Türpolitik sei streng gewesen, erinnert sich Jens Albert. Es habe eine Frau gegeben, die nur dafür da war, zu entscheiden, ob ein Gast reinkommt oder nicht, erzählt Jens Albert. „Ich glaube es war recht willkürlich.“ Turnschuhe seien erlaubt gewesen, aber nur bestimmte Marken. Auf einem Flyer habe oft der Dresscode gestanden. Es war ein sportlich-eleganter Look, den die Gäste trugen, erinnert sich Jessica Sauer.

Das gewisse Flair

Wer drin war, habe eine andere Welt betreten. „Es herrschte ein gewisses Flair“, sagt Jens Albert. Der Bungalow-Club habe sich das berühmte Studio 54 aus New York zum Vorbild genommen. Drogen spielten eine Rolle, genauso wie Sex.

Die Stimmung war ausgelassen, die Gäste waren freizügig, sagt Albert. Die Leute hätten sich hier durchaus vergnügt. Nicht mitten im Raum, aber auch nicht so, dass man es nicht mitbekommen hätte.

Eine der alten Platten, die Der Wolf im Bungalow aufgelegt hat.

Eine der alten Platten, die Der Wolf im Bungalow aufgelegt hat. © Jens Albert

Weil sich der Club schnell einen Namen machte, legten hier auch einige große Namen der House- und Techno-Szene auf. Der bekannteste: Boy George. Das Pop-Idol aus Großbritannien wurde als Sänger berühmt, begann in den 90ern aber auch vermehrt als House-DJ aufzulegen. Der Abend mit ihm im Bungalow sei ein großes Highlight gewesen, sagt Jens Albert.

Der Chef betrieb einen riesigen Aufwand

Betreiber des Bungalow-Club war Michael Nehring gemeinsam mit seiner damaligen Frau Constanze. Später sollte sich Michael Nehring als Party-König des Ruhrgebiets einen Namen machen.

Nach dem Bungalow hatte er seine Finger noch bei einigen weiteren nicht weniger legendären Clubs im Spiel, unter anderem dem Apartment 45 in Bochum und dem Rossi-Club in Essen. Dann stand er mehrmals vor Gericht, unter anderem wegen Steuerhinterziehung und Versicherungsbetrug, und saß in Haft.

„Nehring war ein sehr speziellen Typ“, sagt Jens Albert – nicht ohne Anerkennung in der Stimme. Der Bungalow-Betreiber habe einen unfassbaren Aufwand betrieben. Das Team, das zum Club gehörte, sei riesig gewesen, er habe viel Geld in die Promotion gesteckt. „Es war ein anderer Club“, sagt Albert.

Das schnelle Ende

Doch mit dem Erfolg kam auch schnell Ärger. Anwohner beschwerten sich über den Lärm und Wildparker. Das Ordnungsamt kam regelmäßig vorbei. Es habe ständig etwas zu beanstanden gegeben, mehrfach sei im Club umgebaut worden, erzählt Jens Albert. Irgendwann habe eine Verschwörungstheorie die Runde gemacht: Es hieß, dass ein Club-Konkurrent aus der Stadt das Ordnungsamt angestachelt habe, um den mächtigen Konkurrenten in Schüren auszuschalten.

Es nützte aber alles nichts: Nach einem guten Jahr musste der Bungalow-Club in Dortmund schließen.

Nehring eröffnete ihn dann wenig später noch einmal neu – in Mülheim. Er habe dort auch noch eine Weile aufgelegt, sagt Jens Albert, aber es sei nicht mehr das gleiche gewesen. „Ich vermisse den Laden“, sagt er heute. Aber vielleicht sei es auch gut so gewesen. Kurz, aber heftig. „Sonst hätte der Club sich vielleicht von ganz allein verflüchtigt.“ So aber bliebe er für immer eine Legende.