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Der 8. Mai, Tag des Kriegsendes, bleibt unsere Verpflichtung
Kolumne: Gott und die Welt
Auch in Corona-Zeiten ist es wichtig, den 8. Mai als Gedenktag zum Kriegsende vor 75 Jahren zu würdigen, meint unser Autor Friedrich Stiller. Physisch und virtuell.
Als der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker im Jahr 1985 davon sprach, der 8. Mai sei ein Tag der Befreiung gewesen, war ich sehr überrascht über die Reaktionen. Mit meinen 24 Jahren hatte ich das Gefühl, dass er etwas Selbstverständliches aussprach. Aber viele wollten auch 40 Jahre nach der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft davon nichts wissen. Es war offensichtlich sehr wichtig, dass er die Interpretation des 8. Mai als Befreiungstat im politischen Bewusstsein des Landes verankerte.
Ich hätte mir damals allerdings nicht träumen lassen, dass die Diskussion auch 35 Jahre später nicht beendet ist. In den letzten Tagen hat tatsächlich ein in den Bundestag gewählter Politiker bestritten, dass der 8. Mai 1945 ein Glückstag für Deutschland war. Es sei ein „Tag der absoluten Niederlage“ und bestenfalls die Insassen von KZs hätten Befreiung erlebt.
Ausstellung jetzt im Internet
Das zeigt, wie wichtig es ist, diesen Gedenktag auch 75 Jahre nach dem Geschehen zu würdigen, auch in Coronazeiten. Darum hat der Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus einen Kranz an der Friedenssäule auf dem Friedensplatz niedergelegt, gemeinsam mit dem Rabbiner.
Damit auch alle anderen teilhaben können, haben wir zudem eine Ausstellung gezeigt, die jetzt auch alle im Internet anschauen können. Sie illustriert das Ergebnis von 12 Jahren Naziherrschaft hier in Dortmund in Bild und Wort.
Versöhnungsgebet von Coventry
Teil der Ausstellung ist auch das Versöhnungsgebet von Coventry. Es wurde 1958 formuliert und ist durch die Worte „Vater vergib“ bestimmt. Diese beiden Worte hatte nämlich der Domprobst von Coventry 1940 in die Mauerreste der Kathedrale meißeln lassen, nachdem sie weitgehend durch deutsche Bomben zerstört worden war.
Seitdem wird das besondere Gebet jeden Freitagmittag in Coventry und an vielen anderen Orten gebetet, auch hier im Ruhrgebiet. Darin heißt es zum Beispiel: „Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse, Vater, vergib. / Das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr eigen ist, Vater, vergib. / Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge, Vater, vergib. / Die Gier, die Frauen, Männer und Kinder entwürdigt und an Leib und Seele missbraucht, Vater, vergib. / Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott, Vater, vergib. Amen.
Pfarrer Friedrich Stiller leitet das Referat für Gesellschaftliche Verantwortung im Ev. Kirchenkreis Dortmund. Kontakt per Mail: rgv@ekkdo.de