Der erste Todestag von Mouhamed Dramé hatte in Dortmund bereits viele Menschen bewegt. Am Samstag (12.8.) steigert sich dies nochmals: Bei mehreren Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen sind rund 1200 Menschen unterwegs.
Schon früh am Tag ist spürbar: Es ist eine besondere Demo-Situation. Dafür sorgt schon der Anlass des Protests. Der 16-Jährige Senegalese starb am 8. August 2022 durch Schüsse aus einer Polizeiwaffe.
Kritik an der Polizei
Kritik an der Polizei ist also Inhalt vieler Reden und Sprechchöre. Unter anderem fordern Teilnehmende eine Abschaffung der „rassistisch-motivierten Personenkontrollen durch die Polizei in der Dortmunder Nordstadt“ und die „Etablierung einer unabhängigen Beschwerde- und Kontrollinstanz gegenüber der Polizei“.
Zugleich sind die Beamten an diesem Tag dafür verantwortlich, den Demonstrationszug sicher durch die Stadt zu begleiten. An vielen Stellen in der Innenstadt sind auffällig viele Polizei-Fahrzeuge zu sehen.
Als mehrere Hundert Menschen den U-Turm passieren, rufen viele von ihnen den Satz: „Ganz Dortmund hasst die Polizei“. Polizisten sperren derweil die Kreuzung am U, damit die Demo durchkommt.
Route führt durch Innenstadt
Die Route führt teilweise über den Wall und auch ein Stück über den Westenhellweg. Mouhamed Dramés Gesicht ist auf Plakaten präsent an diesem Tag in Dortmund.
Dazu erklingt immer wieder der Ruf nach „Justice for Mouhamed“. Gerechtigkeit also. Das ist für viele der Demonstranten nur mit einem schnellen Start des Prozesses, einer lückenlosen Aufklärung einer raschen Verurteilung der beschuldigten Beamten und zu erreichen ist.
Eine gewisse Spannung ist phasenweise zu spüren. Es gibt Momente, in denen es knistert. Aber sie entlädt sich nicht vollständig.
Protest in der Nordstadt
„Die Demo ist sehr friedlich abgelaufen. Viele Menschen sind sogar europaweit angereist. Wir sind stolz auf diese Solidarität und darauf, dass das Thema Polizeigewalt Präsenz in ganz Europa bekommen hat“, sagt William Dountio vom „Solidaritätskreis Justice 4 Mouhamed“. Die Gruppe hatte die Großdemonstration angemeldet.
Am späteren Nachmittag führt eine zweite Protestveranstaltung durch Teile der Nordstadt – auch vorbei an der Polizeiwache Nord an der Münsterstraße.
Hier arbeiteten die durch die Staatsanwaltschaft beschuldigten Polizisten. Für viele Teilnehmende der Demo ist dieser Ort eng mit dem Vorfall und anderen negativen Erlebnissen verbunden.
„Es ist sehr emotional. Ich kenne sehr viele Freunde, die schon Gewalt in dieser Wache erlebt haben. Ich habe es auch schon selbst erleiden müssen“, sagt William Dountio vom Solidaritätskreis.
Auflagen für Demonstranten
Nur langsam geht es am Polizei-Gebäude vorbei, vor dem Absperrgitter aufgebaut sind. Teilnehmer beschimpfen die Polizisten jenseits der Absperrung und im Gebäude der Wache.
Vor der Polizeiwache Nord auf der Münsterstraße gerät der Protestzug immer wieder ins Stocken. Stehenbleiben, so lautet eine Auflage seitens der Polizei als Versammlungsbehörde, dürfen die Demonstrierenden nicht.

Für Unmut sorgt zwischenzeitlich die Information, dass sich Polizisten in zivil unter die Demonstrierenden gemischt hätten, ohne dies den Demo-Anmeldern anzuzeigen.
Dazu sagt ein Polizeisprecher am Abend auf Anfrage: „Zum Schutz der Versammlung und der Teilnehmenden setzen wir üblicherweise im Umfeld einer Demo auch Beamte in Zivil ein. Aufgrund der heutigen Wetterlage haben einzelne Beamte das Trockene gesucht. Dabei könnte der Eindruck eines kurzzeitigen Aufenthaltes im Versammlungsgeschehen entstanden sein.“
Weitere Demo in der Nordstadt
Am Kurz-Piehl-Platz an der Missundestraße stehen rund 100 Menschen zusammen. Hier versammelt sich der „Freundeskreis Mouhamed“, der sich aus unterschiedlichen Organisationen und Akteuren zusammensetzt.
Die Organisation hat ein eigenes Demo-Programm gestaltet. Am Kurt-Piehl-Platz gibt es verschiedene Redebeiträge, Musik und Aufrufe zu Spenden an die Familie des Getöteten im Senegal.
Streit zwischen Helfer-Gruppen
Hintergrund der getrennten Veranstaltungen: Im Freundeskreis sind neben Vertretern von Gewerkschaften und politische linken Organisationen auch Mitglieder der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) aktiv.
Der Solidaritätskreis als Veranstalter des Demonstrationszuges wollte sich von jeder politischen Vereinnahmung distanzieren und veranstaltete deshalb seine eigene Demo. In der Vergangenheit gab es bereits Konflikte im Verhältnis beider Gruppen.
Der „Solidaritätskreis Justice 4 Mouhamed“ spricht in einer Bilanz am Abend von 1500 teilnehmenden Personen. Eine offizielle Zahl der Polizei Dortmund lag am Samstag noch nicht vor.
Im November 2022 waren zu der ersten Großdemo anlässlich des Vorfalls rund 2000 Menschen gekommen.
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