Demos gegen Rechtextremismus Warum ist die Resonanz in Dortmund so gering?

Demokratie-Demos: Warum gingen in Dortmund nur 4.000 auf die Straße?
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Am Donnerstagabend (20.2) leuchtet der Platz vor der Petrikirche Dortmund im Licht tausender Handy-Taschenlampen. Menschen haben Kerzen mitgebracht, kommen mit Kindern und Großeltern, um nur drei Tage vor der Bundestagswahl ein Zeichen für Solidarität mit Flüchtlingen und gegen Rechtsextremismus zu setzen.

Vertreter aller großen Parteien jenseits des rechten Randes sind dabei, von der Linken über Grüne und SPD bis zur CDU genauso wie jene von Gewerkschaften, Kirchen, Studenten- und Wohlfahrtsorganisationen. Der Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus, der viele dieser Organisationen unter sich vereint, hatte mit 1.000 Teilnehmern an der Kundgebung gerechnet, gekommen sind 4.000.

Weniger Teilnehmer als in Nachbarstädten

Zur Wahrheit gehört aber auch: Noch vor etwas mehr als einem Jahr waren in Dortmund 30.000 Menschen auf die Straße gegangen. Damals hatte, wie in diesem Jahr auch, der Deutsche Gewerkschaftsbund maßgeblich mobilisiert, der in diesem Jahr allerdings durch den Tod der Vorsitzenden Jutta Reiter geschwächt war. Und auch im Vergleich zu Demos der vergangenen Wochen in anderen Städten stand Dortmund eher schwach da: In Wuppertal kamen 10.000, in Düsseldorf 13.000, in Essen und Bochum 14.000.

„Dortmund enttäuscht mich“, sagt eine 38-Jährige, die am Donnerstagabend mit einer „Kein Bock auf Nazis“-Fahne vor der Petrikirche steht. Sie sei in den vergangenen Wochen auf vielen Demos in den Nachbarstädten gewesen. „Hier in Dortmund gibt es keinen Zusammenschluss, jeder macht sein eigenes Ding“, meint sie.

Foto der Menschenmenge, im Vordergrund wird ein großes Transparent mit der Aufschrift "Dortmund bunt statt braun" hochgehalten.
Rund 4.000 Menschen kamen mit bunten Transparenten und Plakaten zur Kundgebung von Kirchen, Gewerkschaften, und Parteien. © Stephan Schütze

Tatsächlich ist das „Lichtermeer“ bereits die dritte Dortmunder Demo gegen Rechts in diesem Jahr. Aufgerufen hatten immer andere Gruppierungen:

Der Demozug bewegt sich durch die Innenstadt.
Die größte Demo im bisherigen Jahr war die spontane Demo nach dem Bundestagsbeschluss der CDU. 4.700 Menschen kamen Ende Januar zusammen. © Oliver Schaper

Am 30. Januar, am Tag nach dem Bundestagsbeschluss der CDU mit Stimmen der AfD, hatte die Antifa spontan 4.700 Menschen zusammenbekommen. Ungewöhnlich viele für eine Antifa-Demo, findet der Politikwissenschaftler Dierk Borstel. An dem Donnerstagabend seien Bedarf und Angebot zusammengekommen: „Vor allem junge Menschen suchten eine schnelle und relativ spontane Möglichkeit, ihre Sorgen auf die Straße zu tragen.“

„Würden niemals auf eine Antifa-Demo gehen“

Bei der zweiten Demo eine Woche später kamen trotz Wochenendes nur noch 2.900 Menschen. Speziell für diese Demo hatte sich das Bündnis „Dortmund solidarisch“ gegründet. Unter Leitung der Naturfreunde Dortmund-Nord sammeln sich dort eher linke Gruppierungen wie Fridays for Future, Jusos oder das Feministische Kollektiv, aber auch die IG Metall ist dabei. Eine zweite Demo plant das Bündnis für den Abend der Bundestagswahl.

Hinter dem Lichtermeer an der Petrikirche stand indes der breit aufgestellte Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus mit Awo, Diakonie, Kirchenkreis, Studierendengemeinde, SPD, CDU, Grüne und anderen.

Blick von oben auf den Friedensplatz, auf dem viele Menschen stehen
Zur zweiten Demo kamen rund 2.900 Menschen auf den Friedensplatz. © Karsten Wickern

Auch wenn bei allen Demos Menschen unterschiedlichster Couleur dabei waren - die Teilnehmer unterschieden sich. Die 82- und 83-jährigen Uwe und Inge Hörmeyer finden: „Wir müssen mit allen Leuten sprechen, egal wie sie politisch stehen.“ Der 65-jährige Norbert Horrion meint: Es sei wichtig, dass die Mitte der Gesellschaft zu einer Demo aufrufe. „Selbst wenn meine eigene Partei aufrufen würde, hätte das für mich nicht dieselbe Relevanz wie eine Demo aus der gesellschaftlichen Mitte.“

Foto von dem 65-jährigen Norbert Horrion auf dem Rollator und seinen beiden etwa gleichaltrigen Geschwistern und der Schwägerin
Norbert Horrion (links) ist mit seinen beiden Geschwistern und seiner Schwägerin zum Dortmunder Lichtermeer gekommen.

„Wir würden niemals auf eine Antifa-Demo gehen“, sagen die 63- und 64-jährigen Anja und Thomas K., die zum Lichtermeer gekommen sind, weil der Kirchenkreis aufgerufen hatte. Die 38-Jährige mit „Kein Bock auf Nazis“-Fahne berichtet, sie sei bei der Antifa-Demo nach einer halben Stunde wieder gegangen, weil die Redner zu sehr gegen die Polizei ausgeteilt hätten. „Extremismus hat aus keiner Richtung etwas zu suchen“, sagt sie.

Porträt von Inge und Uwe Hörmeyer aus Dortmund auf der Demo
Inge und Uwe Hörmeyer ist es wichtig, mit allen Leuten zu sprechen, und die Motivationen hinter ihrer Einstellung zu verstehen. Dass auf manchen Demos nur herumgeschrien wird, stehe entgegen des menschlichen Anstands, finden sie.

„CDU ist hier nicht willkommen“

Die 32-jährige Sarah war auch dabei und nahm auch Parolen wie „Ganz Dortmund hasst die CDU“ wahr. „Ich konnte diese Wut aber nachvollziehen, ich war ja auch wütend“, sagt sie. Dass die CDU beim Lichtermeer nun dabei ist, finde sie gut.

Nora (43) und Johannes (34) sehen das anders: „Die CDU ist Auslöser des ganzen, die sind hier nicht willkommen“, sagen sie. Die vorigen Demos hätten eine klarere Position bezogen. „Wir haben Sorge, dass immer mehr Leute glauben, dass rechte Positionen okay seien.“

Der CDU-Parteivorsitzende Sascha Mader war beim Lichtermeer dabei, „und zwar so lange, bis es Beschimpfungen auf die CDU gibt“, hatte er vorher angekündigt. Dazu kam es nicht, abgesehen von einigen Union-kritischen Plakaten. DGB-Sekretär und Arbeitskreis-Sprecher Klaus Waschulewski erklärte dagegen von der Bühne: „Es ist falsch, wenn die CDU mit Nazis und Faschisten gleichgesetzt wird.“ Der Applaus fiel verhalten aus, vereinzelt gab es auch Buh-Rufe.

Ein Mann in der Menge hält ein Plakat hoch, auf dem steht: "Friedlich gegen Friedrich - Kein Merz im Februar!"
Dass viele Leute der CDU momemtan kritisch gegenüber stehen, drückten sie auf Plakaten aus. © Stephan Schütze

„Schauen genau, welche Gruppen aufrufen“

Zum Lichtermeer aufgerufen hatten viele der meist linken Organisationen hinter den beiden ersten Demos nicht erneut.

Im Umkehrschluss waren viele Gruppen, die zum „Lichtermeer“ aufgerufen hatten, nicht als Unterstützer einer der ersten beiden Demos wahrnehmbar gewesen - auch der Arbeitskreis selbst nicht.

„Wir sind nicht gefragt worden“, sagt Arbeitskreis-Sprecher und Pfarrer Friedrich Stiller dazu, zudem sei das Lichtermeer damals bereits in der Planung gewesen. Das Bündnis „Dortmund solidarisch“ widerspricht: Man habe mit einem breiten E-Mail-Verteiler um Unterstützung geworben.

„Wir schauen immer genau, welche Gruppen wozu oder wogegen aufrufen“, erklärt Cordula von Koenen von der Arbeiterwohlfahrt. „Denn wir wollen die Menschen nicht kirre machen mit ständigen Demos.“ Als festes Mitglied im Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus orientiere sich die Awo meist daran, wofür der Arbeitskreis aufrufe - und wofür nicht.

„Abstimmung klappt mit Antifa besser“

In den Arbeitskreis versuchen die „Omas gegen Rechts“, die es seit April 2024 auch in Dortmund gibt, schon seit ihrer Gründung einzutreten. Sie würden aber immer wieder hingehalten - so formuliert es Brigitte Christiansen, die für die Öffentlichkeitsarbeit der Omas zuständig ist. „Es ist schade, dass es eine Großstadt wie Dortmund nicht schafft, die Kräfte zu bündeln. Es wird einfach nicht in Gänze aufgerufen.“ Und ein Grund dafür sei auch der Arbeitskreis, findet sie. „Das hört sich jetzt blöd an, aber die Abstimmungen mit der Antifa klappen besser.“

Foto von einigen Leuten auf der Bühne, großteils von den "Omas gegen Rechts". Ganz rechts wird ein Transparent gehalten.
Für die "Omas gegen Rechts" sprach Brigitte Kalthoff. Brigitte Christiansen (rechts als Halterin des Plakats) fand es schade, dass erneut nur rund 4.000 Menschen zusammen kamen. Sie wünsche sich eine bündnis-übergreifende Demo. © privat

Dass es in Dortmund zwei Lager gibt, die zu Demos aufrufen, hält Klaus Waschulewski, einer der beiden Sprecher des Arbeitskreises gegen Rechtsextremismus und Organisationssekretär beim Deutschen Gewerkschaftsbund, für möglich. „Ich empfinde das aber nicht als Konkurrenz, denn wenn wir uns in der Sache einig sind, ist mir erstmal egal, wer aufruft.“

Klaus Waschulewski mit MIkrofon
DGB-Gewerkschafter Klaus Waschulewski ist einer der beiden Sprecher des "Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus", der hinter der Kundgebung stand. © Stephan Schütze

Sein Bündnis spreche aber möglicherweise andere Menschen an als das eher linke Bündnis „Dortmund solidarisch“. Auch er habe wahrgenommen, dass es zumindest bei der ersten Demo häufig auch „krasse Aussagen gegen die CDU“ gegeben habe. „Die Kritik an den Demos hatte deshalb ihre Berechtigung“, so Waschulewski.

Gemeinsame Kundgebung wäre möglich

Wieso durften Organisationen wie die Omas gegen Rechts dann zwar auf der Demo sprechen, in der Organisation aber nicht mitwirken? Der Arbeitskreis sei schwerfälliger als andere, dynamischere Organisationen, sagt Waschulewski, „weil wir versuchen, uns die Breite an unterschiedlichsten Organisationen zu erhalten. Wir wollen einen breiten Konsens haben, das ist dann manchmal ein bisschen bürokratisch.“ Zudem treffe sich der Arbeitskreis nur einmal im Quartal und es gebe häufig Schwierigkeiten in der Terminfindung.

In der Zukunft könne er sich aber eine gemeinsame Kundgebung zusammen mit den linken Organisationen vorstellen. Zur kommenden Demo nach der Bundestagswahl werde der Arbeitskreis aber nicht aufrufen. „Unsere größte Demo ist nun erstmal der Gang zur Wahl.“