Der RWE-Tower ist eines der markantesten Gebäude Dortmunds – untergebracht sind hier vor allem Büros. Das Hochhaus hat aber auch Dortmunds Nachtleben geprägt: mit dem Club Purple.

Dortmund

, 17.11.2018, 04:15 Uhr / Lesedauer: 4 min

Ziemlich genau sieben Jahre ist es jetzt her, dass im RWE-Tower am Platz von Amiens die letzte Party gefeiert worden ist. Dort, wo bis 2011 das Purple war, geht es heute deutlich ruhiger zu. Die Sparda-Bank nutzt die Räumlichkeiten, um Kunden in Finanzfragen zu beraten.

Und doch, sagt Pierre Kaczorowski, vergeht eigentlich kein Wochenende, an dem ihn nicht jemand darauf anspricht, wie schade es ist, dass es das Purple nicht mehr gibt. Denn auch wenn es den Club im RWE-Tower nur zwei Jahre gab, hat er Dortmunds Nachtleben nachhaltig geprägt. Das Purple schloss damals eine Lücke, die nach seinem Aus wieder aufbrach – und sich noch schlimmer anfühlte als zuvor.

Der Traum vom eigenen Club und das Ende des Thier-Geländes

Die Geschichte des Purples beginnt in dem Jahr, in dem die Geschichte des Thier-Geländes als Party-Location für immer geendet hat. Es war im Sommer 2009, als in der ehemaligen Thier-Brauerei endgültig die Lichter ausgingen und Dortmund mit einem Schlag um fünf Clubs ärmer war.

Ein paar Hundert Meter weiter nördlich, am Platz von Amiens, betrieb Mustafa Alinc zu dieser Zeit die Coffeetown, ein Café im Erdgeschoss des RWE-Towers, angrenzend an die Filiale der Sparda-Bank. Alinc träumte davon, nicht nur länger ein Café zu haben, sondern seinen eigenen Club aufzumachen. Auch wissend, dass Dortmund dringend einen guten neuen Club gebrauchen könnte.

Ein Name, den man sich leicht merken kann

Also rief er zwei Bekannte an, Justin Jürgens und Pierre Kaczorowski, und fragte sie, ob sie nicht ein paar DJs kennen. Die drei kamen ins Gespräch – und beschlossen, den Club zu dritt zu betreiben. Mustafa Alinc und Justin Jürgens wurden Geschäftsführer, Pierre Kaczorowski übernahm die Aufgabe des Marketing-Beauftragten. Gleichzeitig war er auch derjenige, der im Club die Gäste begrüßte und mit ihnen feierte. Er sei, sagt Kaczorowksi, deshalb so etwas wie die Galionsfigur des Purple gewesen.

Die drei Macher rüsteten das einstige Café so um, dass dort abends auch gefeiert werden konnte. Dabei hatten sie sich auch ein wenig von der Liquid Lounge inspirieren lassen, der Cocktailbar auf dem Thier-Gelände. Für den Club-Namen suchten sie etwas, „das sich cool anhört und was sich die Leute leicht merken können“, sagt Pierre Kaczorowski. Damit der Name, Purple, auch zum Club passt, wurde alles in violettes Licht getaucht.

Passend zum Club-Namen war alles in violettes Licht getaucht. In Lounge-Ecken konnten die Besucher entspannen.

Passend zum Club-Namen war alles in violettes Licht getaucht. In Lounge-Ecken konnten die Besucher entspannen. © Purple

Am 13. November 2009 eröffnete das Purple – und die Nachtschwärmer rannten den Betreibern vom ersten Tag an die Bude ein. Das Konzept des Clubs war simpel – aber ganz offensichtlich eines, das gefehlt hatte.

Das Purple, sagt Pierre Kaczorowski, habe immer voll auf eine Karte gesetzt: „Kommt – und habt Spaß“. Um mehr sei es nie gegangen. „Wir wollten den Leuten einen Raum geben, um von der Woche abschalten und einfach feiern zu können“, sagt Kaczorowski. Ungezwungen sollte es sein und deshalb kostete eine Party im Purple auch keinen Eintritt.

Ein Club für die älteren Partygänger

Die DJs, keine bekannten, sondern solche aus der Region, legten modernen Vocal-House auf. Und wer gerade nicht tanzen wollte, konnte an der Bar hochwertige Cocktails trinken.

Mit 250 Leuten war der Club voll – es war der Gegenentwurf zu Großraumdisko. Klein, gemütlich, familiär. Die Türsteher schauten nicht danach, ob jemand besonders gut oder teuer angezogen war. Aber sie schauten danach, wie alt die Gäste waren. Denn das Mindestalter, um im Purple feiern zu können, lag bei 21 Jahren.

Die Club-Betreiber wollten einen Ort schaffen, wo die etwas älteren Partygänger feiern konnten. Im Schnitt seien die Gäste im Purple Mitte 30 gewesen, sagt Pierre Kaczorowski. Es waren die Leute, die sonst gerne in der Liquid Lounge gefeiert hatten.

Das Purple war vom ersten Tag an ein Erfolg, die Tanzfläche immer voll.

Das Purple war vom ersten Tag an ein Erfolg, die Tanzfläche immer voll. © Purple

Pierre Kaczorowski war schon damals bestens vernetzt in Dortmunds Partyszene, er wusste, was die Leute von einem guten Club erwarten, und konnte es nun in die Tat umsetzen. „Ins Purple konnten die Leute spontan kommen und sie wussten immer, was sie erwartet.“

Das ist auch das, was Helena Hartung so am Purple mochte. „Es war schicker, aber total ungezwungen und nicht so groß. Ein perfekter Mix aus cooler Lounge und kleinem Club“, sagt sie. „Großraumdiskos waren damals ja schon out.“

Sie war damals regelmäßig im Purple feiern, weil der Eintritt frei war und man „einfach mal so vorbeischauen konnte.“ Aber auch, weil die Tanzfläche immer voll gewesen und die Musik modern und aktuell gewesen sei. „So etwas fehlt heute wirklich in Dortmund“, sagt sie.

Das Purple blieb ein Insider-Tipp

Vielleicht habe der Club auch deshalb so gut funktioniert, weil er trotz des Erfolgs ein Insider-Tipp blieb, sagt Pierre Kaczorowski. Die Purple-Betreiber machten keine Werbung, druckten keine Flyer, Facebook spielte damals noch eine untergeordnete Rolle. Die Infos über die Partys hätten sich allein über Mund-zu-Mund-Propaganda verbreitet.

An der Bar im Purple bekamen die Gäste auch hochwertige Cocktails.

An der Bar im Purple bekamen die Gäste auch hochwertige Cocktails. © Purple

Mit der Zeit, sagt Pierre Kaczorowski, seien sie so im Purple zu einer kleinen Party-Familie zusammengewachsen. „Das Purple war das Wohnzimmer und ich war der Hausherr, der immer da war, zugehört und mitgefeiert hat“, sagt der 36-Jährige und lacht ein herzliches Lachen.

Teil der Purple-Familie war auch DJ Tobias Portugall. Drei-, viermal im Monat legte er dort auf. „Der Club war sehr persönlich, weil er nicht so groß war. Man kannte die Gäste und die Leute, die dort gearbeitet haben“, sagt auch er. „Und nach der Liquid Lounge und dem Zuhouse-Club auf dem Thier-Gelände war das Purple der einzige Laden, wo man coole, groovige House-Musik hören konnte.“

Playlist: Hören Sie in den Soundtrack des Purple hinein!

Als DJ habe er hier viele Freiheiten gehabt, deshalb habe er so gerne dort aufgelegt. „Das Publikum war sehr cool, die Leute waren offen dafür, Neues zu hören.“ Wenn ein neuer Remix oder Song rausgekommen sei, habe er sich oft schon Mitte der Woche gefreut, ihn am Wochenende im Purple spielen zu können, weil er wusste, dass die Gäste ihn genauso lieben würden wie er.

Das ungewollte Ende

Auch zwei Jahre nach der Eröffnung war das Purple noch immer ein Magnet für Dortmunds Nachtschwärmer. Der Club war weiterhin jedes Wochenende rappelvoll, trotzdem war sein Ende im November 2011 besiegelt. Die Sparda Bank, Eigentümerin der Räumlichkeiten, ließ den befristeten Mietvertrag mit den Club-Betreibern auslaufen. Der Grund: Die Bank brauchte die Räume selbst, um Kunden beraten zu können.

Im Erdgeschoss des RWE-Towers lag zwei Jahre lang das Purple. Heute nutzt die Sparda-Bank die Räume.

Im Erdgeschoss des RWE-Towers lag zwei Jahre lang das Purple. Heute nutzt die Sparda-Bank die Räume. © Jana Klüh

Mit einem dreitägigen Party-Marathon verabschiedete sich das Purple Mitte November 2011. Tobias Portugall legte am vorletzten Abend ein letztes Mal in dem kleinen Club auf. „Das war schon sehr emotional“, sagt er.

Auch wenn es nur zwei Jahre waren, „die Zeit war sehr intensiv“, sagt Pierre Kaczorowski. Er übernahm danach für kurze Zeit den Marketing-Job im Label Club am Alten Markt, dann kehrte er dem Nachtleben eine Weile den Rücken und ging zurück in seinen alten Job als Supervisor.

Wo der Geist des Purples heute noch weiterlebt

Aber der Gedanke, das Purple an anderer Stelle fortführen zu können, ließ ihn nicht los. Im Sommer 2013 kam er mit Till Hoppe, Betreiber der Gastronomie im U-Turm, ins Gespräch. Das Ruby im Erdgeschoss des neuen Kulturzentrums lief nicht so recht, war nur Durchgang für das View in der siebten Etage.

Und so ergab es sich, dass Pierre Kaczorowski seine Ideen für ein neues Konzept im Ruby miteinfließen lassen konnte. Ideen, die auch im Purple schon erfolgreich waren. Aus dem Ruby wurde das Moog, ein Mix aus Cocktailbar und Club, ohne Eintritt, ab 21 Jahren, Vocal-House die ganze Nacht lang. Pierre Kaczorowski ist mittlerweile Betriebsleiter im Moog. Und so lebt der Geist des Purples seit fünf Jahren im Moog noch ein bisschen weiter.

Die Serie „Legenden des Dortmunder Nachtlebens“: Dortmunds Nachtszene hat in den vergangenen Jahrzehnten etliche Diskos kommen und gehen gesehen. In dieser Serie stellen wir immer samstags einen legendären Laden vor, der seine Gäste besonders geprägt hat.