Darum können die Nazi-Demos in Dortmund nicht einfach verboten werden

© Peter Bandermann (Archivbild)

Darum können die Nazi-Demos in Dortmund nicht einfach verboten werden

rnTrotz Rechts-Terror in Halle

In einem offenen Brief fordert ein breites Zivilbündnis ein Verbot der Nazi-Montagsdemos in der Nordstadt. Der Anschlag von Halle habe neue Fakten geschaffen. Doch so einfach ist das nicht.

Dortmund

, 14.10.2019, 15:59 Uhr / Lesedauer: 2 min

Bereits zum dritten Mal in drei Wochen wollen Dortmunder Nazis am Montagabend in Dortmund demonstrieren. Die Kundgebung ist Teil eines Demo-Marathons: Bis Weihnachten will die rechtsextreme Kleinstpartei „Die Rechte“ jeden Montag „für die Meinungsfreiheit“ auf die Straße gehen.

Ein unzumutbarer Zustand, findet ein breites Dortmunder Zivilbündnis, zu dem unter anderem christliche Organisationen, Ratsmitglieder der großen Parteien und ein großer Zusammenschluss von BVB-Fanclubs gehören. Unter dem etwas sperrigen Titel „Begleitausschuss der Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ haben sie am Freitag einen offenen Brief an die Dortmunder Polizei geschickt. Man habe „einstimmig beschlossen, Sie aufzufordern, die Neonazi-Aufmärsche [...] zu untersagen“, heißt es in dem Schreiben.

Nazi-Demos seien „unerträglich“ und „nicht hinnehmbar“

Dass Dortmunder Neonazis jeden Montag durch Dortmund „marschieren“ dürften und dort „antisemitische Parolen“ brüllten, sei „unerträglich“, schreibt das Zivilbündnis – besonders nach dem Anschlag von Halle, wo nach bisherigem Ermittlungsstand der Behörden ein Rechtsextremer bei dem Versuch gescheitert ist, ein Blutbad in einer Synagoge anzurichten.

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Dass nur wenige Tage später Neonazis in der Öffentlichkeit Parolen wie „Nie wieder Israel“ und „Palästina hilf uns doch, Israel gibt es immer noch“ rufen dürfen, würde die Bevölkerung einschüchtern. Das sei ein „gewalttätiges, aggressives Auftreten“, das „überhaupt nicht hinnehmbar“ sei.

Jurist: Gesellschaft lebt von sichtbaren Unterschieden

Lothar Zechlin kann dieser Argumentation nicht folgen. Der 75-jährige Jurist war Gründungsrektor der Universität Duisburg-Essen und lehrte bis zu seiner Pensionierung 2012 über 30 Jahre als Professor für Öffentliches Recht. Er sagt: „Ein Aufruf, die Demo zu verbieten, trifft die Sache nicht.“

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Die Demonstrationsfreiheit sei als Teil der Meinungsfreiheit ein hohes Gut, entsprechend hoch seien die rechtlichen Hürden für ein Demo-Verbot. Es stehe der Polizei nicht zu, die Inhalte einer bei einer Demo vertretenen Meinung zu prüfen und zu bewilligen. Vielmehr sei es ihre Pflicht, die freie Meinungsäußerung zu ermöglichen. „Eine Gesellschaft lebt davon, dass Unterschiede sichtbar werden“, sagt Zechlin.

Verbot zu extremes Mittel gegen Nazi-Demo

Lediglich wenn eine Kundgebung gegen Strafgesetze verstoße oder die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gefährdet sei, könne sie in Ausnahmefällen verboten werden – und das ist nach Zechlins Einschätzung bei der aktuellen Demo nicht der Fall: „Ein Verbot ist das extremste Mittel. Es darf nur dann zur Geltung kommen, wenn alle anderen Mittel nicht ausreichen.“

Und die Polizei habe durchaus Instrumente, auf die Demonstration einzuwirken, sagt Zechlin: „Sie kann den Demonstranten beispielsweise antisemitische Parolen untersagen“ – eine Strategie, die die Polizei Dortmund seit Jahren praktiziert.

Auflagenbescheid der Polizei umfasst fasst 40 Seiten

Genauso argumentiert auch die Polizei Dortmund. An ein Verbot seien sehr hohe Anforderungen geknüpft, sagt Polizei-Pressesprecher Oliver Peiler auf Anfrage unserer Redaktion: „Diese Anforderungen liegen für die derzeit angemeldeten Demonstrationen nicht vor.“

Gleichwohl sei man sehr darauf bedacht, antisemitische Parolen bei Nazi-Demos in Dortmund zu unterbinden, so Peiler weiter: „Der Auflagenbescheid an die Rechtsextremisten umfasst mittlerweile fast 40 Seiten. Er umfasst das Verbot zahlreicher Parolen in der Öffentlichkeit, auch antisemitischer Parolen.“ Außerdem begrüße man den friedlichen Gegenprotest ausdrücklich, den drei antifaschistische Bündnisse gegen die Nazi-Demo für Montag angemeldet hatten.

Zur Sache

Verbots-Versuche der Vergangenheit

  • Mehrfach scheiterte die Dortmunder Polizei in den vergangenen Jahren mit dem Versuch, Nazi-Demos zu verbieten. 2015 zum Beispiel, als es den Gerichten nicht genügte, dass eine Nazi-Großkundgebung in der unmittelbaren Nähe zum 10. Jahrestages des Mordes an einem Dortmunder Punk durch einen Nazi lag.
  • 2017 erklärte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen den Verbots-Versuch einer Nazi-Demo in der Nordstadt 2014 für rechtswidrig. Die Polizei hatte ihr Verbot damals mit einem „von Angst und Einschüchterung geprägten Klima“ begründet. .„Da war eine Gefahr, aber diese Gefahr rechtfertigte noch kein Verbot. Die Polizei hätte also erst ein milderes Mittel prüfen müssen. Die Polizei hat zu schnell das scharfe Schwert des Verbots herausgeholt“, sagte ein Sprecher der Verwaltungsgerichts damals.
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